Gasthof Polster in Erlangen: hübsch, aber enttäuschende Küche

Summa summarum: Dörfliches Idyll am Erlanger Stadtrand, netter Gasthof, innen kühler achtziger Jahre Schick, sehr, sehr lauschiger Gastgarten, sehr ordentliche Zimmer, sehr guter und freundlicher Service, verheißungsvolle, fränkisch-österreichische Speisekarte von Sülze bis Filettopf, aber handwerklich fast durchweg enttäuschende Küchenleistung

Für mein neues Esszimmer lasse ich mir ein Buffett bauen, acht Meter lang, unten tiefe Schränke und Schubladen für Geschirr, Besteck und Tischwäsche, obendrauf dann Bücherregale bis unter die Decke für meine Kochbücher. Sowas gibt’s nicht im Möbelhaus. Zwei Schreiner haben mir ein massiv gebautes Möbel nach meinen Wünschen für weit über 10.000 EURO angeboten; der Nachteil dabei ist allerdings, dass diese Teile fest aufgebaut würden und sich niemals wieder umziehen ließen. Jetzt habe ich eine kleine, pfiffige Schreinerei in Erlangen gefunden, die so eine maßgeschneiderte Buffet-Regal-Kombination in einer modularen Bauweise anbietet, die man jederzeit wieder auseinanderbauen könnte. In Hartholz (also kein Pressspan-Glump) mit Eichenfront wollen die keine 6.000 EURO dafür, das ist für acht Meter Möbel sehr reell, finde ich. Der Nachteil dabei ist allerdings, dass man Dutzende und Aber-Dutzende Pakete bekommt, alle durchnummeriert, und man das Teil in Ikea-Manier selber aufbauen muss. Aber wozu hat man schließlich Söhne? Da ich es vermeide, Katzen im Internet-Sack zu kaufen, habe ich also auf meinen Weg in den Norden – auf kleinen Landstraßen den Lech hinunter, durch’s Donautal, einmal längs durch Franken, über’s Grabfeld hoch in die östliche Rhön und den Vogelsberg in’s Nordhessische Bergland – in Erlangen über Nacht Station gemacht, um mir das Unternehmen mal selber anzuschauen. Es ist so klein, dass sie keinen Showroom haben, ich war direkt in die Schreinerwerkstatt in einem Hinterhof mitten in der Erlanger Altstadt – während der Bergkirchweih, da war die Hölle los! – und habe mir zwischen Sägen und Holzvorräten ein paar Muster angesehen und mit dem Schreinermeister persönlich gesprochen: passt, dieses Buffett wird angeschafft.

Im Vorfeld hatte ich den wackeren Schreinermeister auch gleich noch nach einer geeigneten Location zum Essen und Nächtigen gefragt. Er hatte mir das Landhotel und Gasthaus Polster in Kosbach am westlichen Stadtrand von Erlangen empfohlen. Die Speisekarte im Internet sieht wirklich gut aus, also flugs gebucht. Kosbach ist ein intaktes, kleines Dörfchen, eingerahmt von Fischweihern, 15 Auto-Minuten oder 20 Taxi-EURO von der Erlanger Stadtmitte entfernt, über enge Sträßchen erreicht man das Gasthaus. Seit 1839 betreibt die Familie Polster – mittlerweile in der siebten und achten Generation – hier das Gastgewerbe. Das schmucke Gebäude selber stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, im idyllischen Gastgarten vor dem Haus blüht und grünt es, dass es eine Freude ist, die Senior-Chefin kümmert sich persönlich mit einem wahrlich grünen Daumen um diese Pracht. Die Gasträume im Inneren sind eher von gesichtslosem Achtziger-Jahre Understatement-Schick und nicht von uriger Gemütlichkeit bestimmt, aber jetzt sowieso gänzlich leer, bei dem herrlichen Wetter ist der Gastgarten bis auf den letzten Tisch gefüllt. Ein rumpelnder, kleiner Lift – aber immerhin ein Lift – bringt den Gast zu den Zimmern in den oberen Stockwerken. Mein Zimmer ist geräumig, queensize Bett, sauberer grüner Teppichboden, die Möblierung recht wertig, aber wieder in diesem gesichtslosen Achtziger-Jahre Understatement-Schick, Schreibtisch mit genügend Steckdosen, Safe, Minibar, kleiner Flachbildschirmfernseher, Lesesessel, große Kofferablage, alles da, auch das Bad recht groß, Zweier-Badewanne, keine separate Dusche, tipptopp sauber, nur die Handtücher sind teilweise etwas zerschlissen. Das wäre so weit alles durchaus in Ordnung, wäre nicht unmittelbar vor den Fenstern des Zimmers der mit alten Autos zugestellte Hof einer Autowerkstatt samt Montagehalle, das ist weder ein schöner Anblick noch macht es Spaß, spätestens um 08:00 Uhr von Schraubern und anderen lärmenden technischen Gerätschaften geweckt zu werden. Aber ich bin ja vor allem zum Essen hier.

Trotz proppenvollen Gastgartens sind die beiden Servicekräfte unglaublich flott, freundlich, kompetent, zeitweise noch unterstützt vom Schankkellner, der seine Getränke selber zu den Tischen trägt: ein gut eingespieltes Team. In der Küche steht der Senior-Chef gemeinsam mit seinem Sohn. Die – mit Rechtsschreibfehlern gespickte – Speisekarte ist bodenständig bis gehoben fränkisch mit österreichischen Einsprengseln. Natürlich gibt es fränkische Klassiker wie Festtagssuppe, Bratwürste, Schäufele, Spanferkel, Sauerbraten mit Kloß, Sülze, drei verschiedene Schnitzel, eine kleine handgeschriebene Tageskarte, in der Saison eine Spargelkarte, daneben aber auch gespickte Gockelbrust, Filettopf mit hausgemachten Spätzle, Rindsbeuschel, Rehschnitzel, Backhendl, geschmorte Rinderbacke & Rinderfilet rosa gebraten, Scholle mit Speck und Krabben und natürlich meinen alten Freund den Zander. Die Vorspeisen sind alles andere als 08/15, z.B. Zweierlei vom Thunfisch mit eingelegtem Spargel, Schafskäse im Ciabattamantel oder Lachstatar. Die Nachspeisen sind dann eher wieder konventionell mit Topfenknödeln, Crème brûlée oder gebackenen Apfelkücherl. Für die Essgestörten gibt es nicht das übliche Convenience-Zeugs, sondern z.B. Pecorino-Feigenravioli in Pilzcreme oder hausgemachte Falafel auf Kichererbsen-Spinatgemüse und Soja-Joghurtdip. Das macht alles einen sehr guten Eindruck.

Was dann allerdings kommt, ist fast durchweg enttäuschend. Die Festtagssuppe ist ein mittelmäßig kräftiges, leicht säuerliches Rindssüppchen mit winzigen, knackigen, tadellosen Brunoise, einem guten Leberknödel, einem Grießknödel mit viel zu wenig Muskatnuss und selbstgemachten Flädle, die so lala sind. Eine Probierportion Spargel mit Hollandaise (Hollandaise gehört für mich zur Königsdisziplin in der Küche) ist kein Problem, sehr schön, Sonderwünsche sind möglich, obwohl der Laden brummt. Der Spargel ist tadellos, gut geschält, leicht bitterlich, auf den Punkt gekocht; die Hollandaise ist tatsächlich selbstgemacht, geschmacklich ziemlich gut, nur leider fast kalt. Weitgehend enttäuschend die hausgemachte fränkische Probier-Bratwurst: grob, aber wabbelig von der Konsistenz, sehr fett, viel zu wenig Majoran, dazu tolles Sauerkraut, griesliges Graubrot und im Meerrettichland Franken Meerrettich aus dem Glas bar jeder Schärfe. Vollends enttäuschend dann der fränkische Sauerbraten: drei große Brocken butterweiches (man könnte auch matschiges schreiben), geschmackloses, alles andere als saures falsches Filet, ein belangloses, recht dünnes, ebenfalls nicht saures Sößlein, ein matschiger Kartoffelkloß, ziemlich gutes Blaukraut, die Gemüse-Garnitur wahrscheinlich Convenience. Die Crème brûlée zum Abschluss ist ok, mehr aber auch nicht.

Das Essen bei Polsters hat keinen Spaß gemacht. Ich glaube nicht, dass dies an meinen hohen Erwartungen vorab lag. Das meiste war einfach handwerklich schlecht gemacht, sowas geht besser, viel besser. Aber wenigstens frisch gemacht und weitestgehend ohne Convenience. Zwei bis drei von fünf möglichen Sternen.


Landhotel & Gasthaus Polster
podo Gastro GmbH
Geschäftsführer: Dominic Polster
Am Deckersweiher 26
D – 91056 Erlangen
Tel: +49 (91 31)  7 55 40
Fax: +49 (91 31) 75 54 45
Mail: info@gasthaus-polster.de
Online: www.gasthaus-polster.de

DZ Ü/F 120 bis 130 EURO (pro Zimmer, pro Nacht)

Hauptgerichte von 9,00 EURO (Rindsbeuschel mit Paprika und Semmelknödel) bis 35,00 EURO (Fischteller mit Spargelrisotto und Gemüse); Drei-Gänge-Menue von 21,50 EURO bis 70,00 EURO

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