Gaisburger Marsch

Auch wenn es als Anfang für ein Kochrezept etwas ungewöhnlich sein mag, irgendwo habe ich mal gelesen, es gab irgendwann mal, ich glaube, auf der Iberischen Halbinsel, eine Hinrichtungsart für Offiziere oder Adlige, die darin bestand, dass der Delinquent sich ein Lieblingsgericht auswählen durfte, das ihm von nun an bis zu seinem Ableben ausschließlich serviert werden würde. Die Dummbatzen, die hier vorschnell etwas wie Braten oder Schokoladenpudding wählten, dürften natürlich ratz-fatz elendiglich an Mangelernährung gestorben sein. Wer allerdings so schlau war – und hier kommt die Wendung zum eigentlichen Rezept – einen Gaisburger Marsch (oder auch einen Pichelsteiner Eintopf und ähnliche gehaltvolle Eintöpfe mit frischem Gemüse und Fleisch) zu wählen, der hatte gute Aussichten auch in Gefangenschaft ein hohes Alter zu erreichen. Bei uns zuhause kannte man den Gaisburger Marsch nicht, da gab es seinen armen sudetendeutschen Vetter, Generalstabsmarsch, einen Eintopf aus einer Speckfett-Einbrenne mit Paprikapulver, Majoran, Wasser, Makkaroni und Kartoffeln (ist längst nicht so schrecklich, wie’s sich anhört). Gaisburger Marsch aus dem Schwäbischen hingegen, auch bekannt als Verheierte, Kartoffelschnitz und Spätzle oder Böckinger Feldgeschrei ist die luxuriösere Variante aus Rinderbrühe mit Rindfleisch, Spätzle, Kartoffeln, Möhren und abgebräunten Zwiebeln.

Zutaten:

  • 1 kg Suppen-(mark-)-knochen
  • 2 Lorbeerblätter
  • 4 Nelken
  • 1 Teel. Liebstöckel
  • ½ Teel. Schwarze Pfefferkörner
  • 6 braune Zwiebeln
  • 500 g Suppengemüse (Möhre, Knollensellerie, Petersilienwurzel, Petersilienstängel, Porree)
  • 1 kg Suppenfleisch (mager, z.B. Rinderbrust)
  • 300 g Möhren
  • 600 g vorwiegend festkochende Kartoffeln
  • 400 g fertige Spätzle (natürlich selbst gemacht)
  • 50 g Butter
  • 1 Bund Schnittlauch
  • Pfeffer, Salz, Glutamat

Zubereitung:

  • 2 l Wasser in einem großen Topf aufkochen lassen, Knochen ins kochende Wasser geben, 2 Min. im sprudelnden Wasser blanchieren, alles in ein großes Sieb abgießen, Blanchierwasser weggießen
  • Knochen abbrausen, Topf ausspülen, nochmals 2 l kaltes Wasser zusammen mit den Knochen in den Topf geben, bei mäßiger Hitze langsam bis kurz unter den Siedepunkt erhitzen; das kann schon mal 30 bis 45 min. dauern, macht aber nichts (sofern man Zeit hat, aber die Flüssigkeit soll langsam erwärmt werden und niemals den Siedepunkt überschreiten, nur dann bleibt die Brühe klar und wird richtig kräftig); wenn der Siedepunkt fast erreicht ist, Knochenbrühe 1 Stunde offen simmern lassen; aufsteigenden Schaum abschöpfen*
  • 2 Zwiebeln nicht schälen, halbieren, mit den Schnittflächen in eine heiße Pfanne ohne Fett geben, Zwiebelschnittflächen fast schwarz werden lassen (karzinogen hin, Krebs her, das gibt die schöne goldgelbe Farbe der Suppe); geschwärzte Zwiebeln zur Knochenbrühe geben
  • Lorbeerblätter, Nelken, Liebstöckel und Pfefferkörner zur Knochenbrühe geben
  • 500 g Suppengemüse schälen, putzen, in größere Stücke zerteilen
  • Nach ca. 1 Std. Simmern der Knochenbrühe Suppenfleisch abwaschen und dazu geben, wieder bis kurz unter den Siedepunkt erhitzen, wieder nicht kochen, sondern nur offen simmern lassen
  • Je nach Alter und Qualität des Fleischstücks rechnet man pro Kilo Suppenfleisch eine Garzeit von 2 Stunden, das können bei einer Färse auch 1,5 Stunden sein, bei einem alten Ochsen dagegen mal 3 Stunden.** – und jetzt wird’s kompliziert: ca. ½ Stunde, bevor das Fleisch weich ist, das geputzte Suppengemüse dazu geben und mitsimmern lassen (lieber ein wenig länger als weniger als 30 min.)
  • Wenn das Suppenfleisch weich ist, Fleisch aus der Suppe heben, Flüssigkeit durch ein mit einem Geschirrhandtuch oder Passiertuch ausgelegtes großes Sieb in einen  anderen Topf gießen, Knochen und Gemüse gut abtropfen lassen, aber nichts pressen
  • Wer mag und Zeit hat, kann die Suppe jetzt erkalten lassen und am nächsten Tag eine evtl. Fettschicht abheben; man kann aber auch gleich weiterkochen
  • Fett und Sehen vom Suppenfleisch wegschneiden, Fleisch in Würfel mit ca. 1 cm Kantenlänge schneiden
  • 300 g Möhren schälen, in kleine Würfel schneiden (ca. 0,5 cm Kantenlänge)
  • 600 g Kartoffeln schälen, in kleine Würfel schneiden (ca. 1 cm Kantenlänge)
  • 4 Zwiebeln schälen, in dünne Ringe hobeln
  • Ca. 1,4 l der Suppe aufkochen lassen (ja, ausnahmsweise mal aufkochen lassen), kräftig mit Salz, Pfeffer, Glutamat (ggf. noch Liebstöckel) abschmecken, Möhrenwürfel zur Suppe geben, ca. 10 Minuten köcheln lassen
  • Nach 10 min. Kartoffelwürfel ebenfalls zur Suppe geben und nochmals 15 Minuten köcheln lassen***
  • Nach diesen nochmaligen 15 Minuten Fleischwürfel und fertige Spätzle zur Suppe geben, alles 5 Minuten warmziehen lassen
  • Zwiebelringe in Butter anbraten, leicht salzen, Zwiebeln bräunen („abschmälzen“)
  • Schnittlauch waschen, ggf. verlesen, in Röllchen schneiden
  • Suppe nochmals abschmecken, in eine große Schüssel füllen, Schnittlauchröllchen darauf geben, zu Tisch tragen; geschmälzte Zwiebel separat reichen, wer mag, gibt sich Löffelchen der Zwiebeln auf die Suppe im Teller

 

* Generell sollten Knochen- und Fleischbrühen bei 75° bis max. 95° gegart werden und niemals sprudelnd kochen, da so wertvolle Inhalts- und Geschmacksstoffe verloren gehen.

** Um festzustellen, ob das Fleisch weich ist, bedarf es einiger Übung und Erfahrung. Sticht man mit der Gabel in‘s Fleisch und die Gabel rutscht leicht wieder heraus, ohne dass das Fleisch „mitkommt“, ist es gar; bleibt das Fleisch hingegen noch etwas an der Gabel hängen, braucht’s noch ein Weilchen.

*** Vincent Klink kocht die Kartoffeln separat – wahrscheinlich, damit sie die Brühe nicht trüben –, ich halte das für übertrieben, sind ja immerhin Nährstoffe, die da aus den Kartoffeln kommen, ich koche sie direkt in der Suppe.

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