Die 10 Standard-Sünden von Nobel-Hotels

Nehmen wir mal an, ich habe ein Hotel gebucht, ein Fünf-Sterne-Hotel, aber nicht so eine Pseudo-Fünf-Sterne Manager-Jugendherberge wie Hilton, Marriott, Sheraton, Steigenberger, Maritim, Meridien, Westin Grand, sondern ein richtiges Fünf-Sterne Hotel für 300, 400, 500 EURO pro Nacht, in New York, Moskau oder Shanghai auch gerne mal das Doppelte oder noch mehr. Nehmen wir weiter an, dieser ganze übliche Komfort und Schnickschnack ist perfekt, großes Zimmer, Klimaanlage, große Schallschutz-Fenster, halbwegs tolle Aussicht, schwere Gardinen, Marmor im Bad, dicke Frotteetücher, modernes Popo-Spül-WC, Leinenbettwäsche, Kopfkissen-Bar, U-Elektronik, Licht-Design, Minibar, W-LAN, Pflegeprodukte, Bademäntel, individuelle, wertige Möbel mit ordentlichem Schreibtisch, Begrüßungsschreiben angeblich vom Hoteldirektor persönlich, frisches Obst und Konfekt zur Begrüßung … alles in hervorragender Qualität vorhanden. Nehmen wir schließlich sogar noch an, dass das obligatorische Schwarze Haar, das mich auf fast all meinen Reisen begleitet, nein verfolgt, diesmal nicht in einer Ecke der Dusche, auf dem Tisch, auf dem Marmorboden, auf dem Kopfkissen lauert, sondern alles ist auch noch pikobello geputzt und sauber. Selbst wenn man meint / hofft / vermutet, endlich mal in einem nahezu perfekten Hotel zu sein, es gibt 10 Sünden, die selbst bei den besten Hotels immer wieder vorkommen, nicht unbedingt alle zusammen, aber die eine oder andere doch fast immer.


Die Doorman-Sünde

Ich bin lange Auto gefahren, ich habe mich meist auch noch durch eine fremde Stadt zum Hotel gequält, ich will nur noch raus aus der Karre und den verschwitzten oder staubigen Klamotten, Dusche und dann erstmal ein Zisch-Bier oder einen trockenen Martini-Cocktail. Ich fahre also vor dem Hotel vor, manchmal ist auch die Vorfahrt zugeparkt und blockiert von irgendwelchen Idioten, meist sind es ganz dicke Autos, die sowas machen. Wenn die Vorfahrt nicht zugeparkt ist und ich direkt vor dem Eingang zum Stehen komme, passiert oft … nichts, rein gar nichts. Kein Doorman, kein Wagenmeister, kein Page, die eigentlich alle Drei am Eingang wartend bereit stehen sollten, aber keiner von ihnen zu sehen. Also Aussteigen, rein in’s Hotel zur Rezeption, „Mein Name ist … ich habe reserviert …“ Geschäftiger Blick in den Computer, dann: „Willkommen Dr. …“ „Kann sich bitte jemand um mein Gepäck und meinen Wagen kümmern?“ „Ich weiß grad nicht, wo …“ Bursche, das ist mir doch sowas von egal, dafür ist Dein Kollege Concierge ja zuständig, auf die Tür-Lümmel aufzupassen, und erfahrungsgemäß lungern sie meist im Gepäck-Raum rum, statt erster Eindruck und erstes Aushängeschild des Hotels zu sein. Es ist unglaublich, wie viele Eingänge von eigentlich richtig guten Hotels ich im Laufe der Jahre verwaist vorgefunden habe. Glauben die Leute, für den Preis schleppe ich mein Gepäck und parke meine Karre selber?


Die Ein- und Auscheck-Sünden

Da buche ich nun ein Hotel, bei einer Online-Buchung muss ich sowieso alle persönlichen Daten schriftlich angeben, bei einer Buchung per Email stehen meine kompletten Kontaktdaten auf dem Abbinder, in vielen Hotels logiere ich zum fünften, zehnten, zwanzigsten Mal. Doch dann kommt man wohlgemut zur Rezeption und will einchecken, und neben der – obligatorischen und bei einem guten Stammgast frechen – Frage nach der Kreditkarte kriegt man einen Meldezettel hingeknallt, den man gefälligst von Hand selber auszufüllen hat. Es gibt durchaus Häuser, die sind dazu in der Lage, meine persönlichen Daten vorab auf einen Meldezettel einzutragen, mir diesen dann beim Einchecken mit der höflichen Frage „Stimmen Ihre persönlichen Daten so noch?“ nur noch zur Unterschrift vorzulegen, und gut war’s. Machen aber die Wenigsten, andauernd muss ich meine ellenlange Privatadresse manuell auf irgendwelche Meldezettel kritzeln. Nicht gut. Und beim Auschecken rufe ich vor dem Frühstück bei der Rezeption an oder gehe auf dem Weg zum Frühstück dran vorbei und bitte, mir meine Rechnung fertig zu machen, sage brav dazu, ob ich noch etwas aus der Minibar genommen habe oder nicht und gehe Frühstücken. Eine gute Stunde später stehe ich an der Rezeption und verlange meine – hoffentlich bereits fertige – Rechnung. Statt mir diese unverzüglich vorzulegen beginnt der Mensch an der Rezeption, wild an seinem Computer rumzumachen, zu schauen, zu tippen, „Hatten Sie noch was aus der Minibar?“ „Zefix, habe ich doch schon vor‘ner Stunde gesagt!“, Proberechnung ausdrucken, grad jetzt ist kein Papier mehr im Drucker, also Papier auffüllen und warten, … Du Blödmann, vor über einer Stunde hatte ich darum gebeten, meine Rechnung fertig zu machen, und jetzt erst fängst Du damit an, und ich darf hier nochmal zehn Minuten an der Rezeption warten, bloß weil Du nicht in der Lage bist, binnen einer Stunde eine Rechnung fertig zu machen. Sowas ärgert mich immer maßlos, besonders wenn ich einen exakten Zeitplan habe und pünktlich zum Termin oder zum Flieger muss.


Die Stecker-Sünde

Ich reise prinzipiell mit Laptop und Funke, manchmal sind auch noch Photoapparat, Krawallbox, Tablet oder Dildo dabei. Diese Geräte brauchen in Ermangelung einer Kurbel alle miteinander Strom. Strom kommt sehr häufig aus Steckdosen. Jetzt sollte man doch erwarten können, dass ein halbwegs nicht verblödeter Hotel-Architekt oder Inneneinrichter dafür Sorge trägt, dass am Schreibtisch des Zimmers wenigstens zwei, gerne auch drei oder vier Steckdosen für besagte Geräte leicht zugänglich und frei – am besten gleich in die Schreibtischplatte eingelassen – vorhanden sind. Aber in den seltensten Fällen ist das so. Ich weiß nicht, wie oft ich schon unter und hinter edlen Möbeln auf dem Boden gekrochen bin, zuweilen dabei auch mit übellaunigen Wollmäusen, sogar Wollratten gekämpft habe und irgendwelche Lampen, Minibars und Fernseher ausgesteckt habe, um an Strom für meine Geräte zu kommen. Da fragt man sich dann schon, welche realitätsfremden Idioten planen und installieren sowas?


Die Tresor-Sünde

Natürlich weiß ich, dass es für einen Profi nicht viel braucht, um einen Zimmersafe im Hotel zu knacken. Dennoch gibt es ein besseres Gefühl, wenn man seine wichtigen und / oder wertvollen Dinge leicht gepanzert verschließen kann, bevor man das Zimmer verlässt. Bei mir sind das jetzt weniger Schmuck, Bargeld und Wertgegenstände, bei mir sind das vor allem mein Laptop und zuweilen auf Geschäftsreisen ein paar Akten, die ich sicher wissen möchte. Zwar haben mittlerweile alle besseren – selbst viele schlechtere – Hotels Zimmersafes, aber welche? Ersten sind die Dinger oft nur an ein Regalbrett geschraubt, so dass man sie mit einem beherzten Ruck herausreißen und mitnehmen kann, zwar noch immer verschlossen, aber mit einem Male portabel. Zweitens sind die Dinger oft so winzig, dass zwar ein Brillantkollier hineinpasst, nicht aber ein Laptop, geschweige denn, ein Aktenordner. Das ist zuweilen richtig, richtig doof. Und dann haben die Dinger innen meist keine Stecker, natürlich will ich meinen Laptop und meine Funke laden, während sie ungenutzt im Tresor liegen und ich im Pool bin. Also: ordentlich befestigte, größere Tresore mit Innensteckern.


Die Matratzen-Sünde (Matratzen-Sünde, nicht Sündiges auf der Matratze, dagegen habe ich ja rein gar nix …)

Da bieten Hotels nun allen Luxus, selbst Kopfkissen-Bars mit unterschiedlichsten Füllungen, Härtegraden, Bezügen, Allergie-Dingsbumsen, das ist alles sehr löblich. Aber bei den Matratzen gibt es fast immer nur ein One-Fits-All. Ich weiß, ich bin ein Pummelchen und bringe deutlich mehr Gewicht auf den Quadratzentimeter Matratze als etwa Anja Rubik und andere Magermodells. Solcherlei Damen mag eine Matratze steinhart vorkommen, ich versinke in nämlicher. Von daher, eine Matratzen-Bar wäre ebenfalls von Vorteil, bei der der Gast auf Wunsch individuell den Härte- bzw. Weichheitsgrad seiner Matratze auswählen kann, allerdings bieten das nur ganz, ganz wenige Häuser an. Leider. Also werde ich weiterhin in zu weichen, für Magermodells konzipierten Matratzen versinken und am nächste Morgen Kreuzschmerzen haben … für 300 EURO oder so die Nacht.


Die Bademantel- und Slipper-Sünde

Wie gesagt, ich bin nun mal ein Pummelchen. Es gibt kaum ein Hotel, in dem ich den im Bad oder auf dem Bett sorgfältig zusammengefaltet breit liegenden Bademantel überhaupt über den Wanst geschlossen bekäme. In ganz wenigen Hotels gibt es Abhilfe und der Service kann mir auf Nachfrage tatsächlich einen Pummelchen-Bademantel bringen; meistens bekomme ich ein Achselzucken als Antwort auf meine Frage nach einem größeren Bademantel. Ich habe es mir längst angewöhnt, in den meisten Hotels in Badehose und Polo zum Schwimmbad oder in’s SPA zu gehen, wenn’s sein muss auch mitten durch die Halle. Und selbst wenn das Hotel tatsächlich Pummelchen-Badmäntel hat, Entenfüße-Slipper gibt’s absolut nirgends. Ich habe ebenso wie meine Söhne breite Füße, Breite K oder L, wir nennen sie spaßhaft Entenfüße, Schuhe können wir nur in Fachgeschäften kaufen, zum Beispiel bei Eduard Meier in München. Die im Bad des Hotelzimmers bereit stehenden, hygienisch in Plastik verpackten Stoffslipper passen uns nie, wir schaffen es noch nicht einmal, auch nur halbwegs in die Dinger zu schlüpfen und sie zu weiten. Und hier müssen auch fast alle Hotels passen, selbst wenn es auf Nachfrage Pummelchen-Bademäntel gibt, Entenfüße-Slipper gibt es fast nirgends. Also laufe ich ohne schlechtes Gewissen in Polo und barfuß durch die Hotelhall zum Pool. Scheiß One-Fits-All.


Die Obst-Sünde

Auch der Frühstücksraum ist edel und gediegen. Hier steht man nicht blöde wartend an einem Pult an der Tür, bis irgendein Mensch in irgendeiner Liste nachgeschaut hat, ob man hier frühstücken darf. Stattdessen wird man vom Maître d’hôtel im schwarzen Anzug persönlich begrüßt und zum vorbereiteten Tisch geführt. Auf den Buffets stapelt sich frisches Backwerk aus der hauseigenen Pâtisserie, selbst gemachte Marmeladen, Bretter mit gut affiniertem Käse, gekühlte Platten mit Scheiben von edlen Würsten, Schinken, Fischen, selbst gemachte Müslis, Cerealien, Milchprodukte, auch für Lactose-Unverträgliche, natürlich Champagner, am Tisch serviert werden Kaffee, Tee, frischer Orangensaft, Eierspeisen, Waffeln, Würste, … Scheinbar perfekt alles, und doch. Irgendwo auf dem Buffet gibt es eine Abteilung mit frischem Obst, frisch geschnippelter Obstsalat, aufgeschnittene Ananas, verschiedene Sorten von Melonen, Flug-Mangos, Kiwis, nach Jahreszeit auch Erdbeeren, Kirschen, Pflaumen, Himbeeren … eben oft nur scheinbar perfekt. Zuweilen wüsste ich gerne, wer in manchen Häusern den Einkauf, speziell den Obsteinkauf verantwortet. Da liegen dann geschmacklose, harte Melonen, halbreife Erdbeeren, überreife Ananas, innen grüne Pflaumen, steinharte Mangos auf den Buffets, das Zeug ist so oft noch nicht reif oder schon überreif, dass es eine Schande ist. Sowas kann doch weder ein Einkäufer, Gastronomieleiter, F&B Manager, der sein Handwerk versteht und der auch nur halbwegs bei Verstand ist kaufen, noch kann das ein Küchenchef – oder wer auch immer für die Qualitätskontrolle bei der Warenannahme verantwortlich ist – bei der Lieferung akzeptieren, geschweige denn kann ein Küchenleiter oder Koch gestatten, dass sowas des Morgens aufgeschnippelt wird und auf’s Buffet kommt.


Die Concierge-Sünde

Da steht er nun in der Halle hinter seinem Counter mit seinen zwei vergoldeten, gekreuzten Schlüsseln am Revers, der Concierge, beobachtet das Geschehen mit Argusaugen, führt sein Cardex und ist stets zu Diensten. Klar kann er mir zuverlässig Theaterkarten besorgen, mich wecken lassen, Ausflugstipps geben, Nutten besorgen und Touren für mich buchen, ist ja schließlich sein Job. Aber dann frage ich den Concierge in einer fremden Stadt nach einem typischen einheimischen Restaurant, kein Sterne-Schuppen, kein Touristen-Lokal, keine internationale Küche, sondern authentische, regionale, gut gemachte Küche, ein Restaurant ohne Touristen, wo die Einheimischen essen, gerne auch etwas außerhalb. Ich sage mehrfach regional, authentisch, keine Touristen, Einheimische … und dann wird man in Warschau zum Beispiel ins Zapiecek geschickt, in München ins Hofbräuhaus, in Paris in’s Rue de la Huchette, in Berlin in’s Mutter Hoppe, in San Francisco in’s  Fog Harbor Fish House, in’s Casa Alberto in Madrid. Mittlerweile erkenne ich die meisten Touristenfallen, spätestens wenn ich davor stehe. Manchmal aber auch nicht, und dann gehe ich voller Vertrauen in den Concierge hinein … und falle kulinarisch, Ambiente- und Service-mäßig und finanziell sowas von auf die Schnauze, und auf selbige würde ich dann gerne auch den Concierge hauen, für seine Empfehlung. Ich weiß nicht, drücke ich mich nicht deutlich genug aus, wenn ich sagen „keine Touristen, authentische, regionale, gut gemachte Küche“, oder kennen die Concierges keine solchen Lokale, oder bekommen sie Provision von den Abzock-Läden, wenn sie tumbe Travel-Toren dorthin schicken … oder aber gibt es einen geheimen Pakt, alle Touristen – eben auch mich – von den geheimen Plätzen der Einheimischen  fern zu halten?


Die Bar-Sünde

Leute, wenn ich auf Reisen bin, dann ist die Hotelbar mein Rückzugsort, mein Wohnzimmer, meine gute Stube, zuweilen will ich nicht weiter durch eine fremde Stadt tapsen und neue Dinge entdecken, zuweilen will ich mich auf Reisen auch einfach in mein Quasi-Zuhause auf Zeit zurückziehen, wissen, dass ich nur noch in den Lift stolpern muss, um in mein Bett zu gelangen, will meine Ruhe haben oder nett mit meiner Reisebegleitung plaudern, Eindrücke verarbeiten, vielleicht eine Marginalie über das Erlebte schreiben, in einer angenehmen, gepflegten Umgebung, gedämpftes Licht, höfliches, kompetentes Personal, einen Barkeeper, der sein Handwerk versteht, gute Drinks … so weit, so gut, solche Hotelbars gibt es zum Glück viele, und das ist gut so. Aber zuweilen will ich in einer Hotelbar nicht nur trinken, sondern auch was essen, vielleicht um 17:00 Uhr vor dem Abendessen, etwas mehr als nur die obligatorischen Nüsslein, um bis zum späten Dinner in südlichen Ländern durchzuhalten, oder um 21:00, 22:00, 23:00 Uhr, wenn ich spät in’s Hotel komme, nichts gegessen habe und auch keine Lust mehr habe, mir irgendwo ein Restaurant zu suchen oder auch nur im hoteleigenen Restaurant ein großes Menue zu nehmen, dann hätte ich in der Hotelbar zum Drink gerne eine leckere Kleinigkeit, und genau da liegt nicht nur oft, sondern meistens das Problem. Die Hotelbars haben zwar für genau solche Fälle eine kleine Speisekarte – Salat, Burger, Clubsandwich, Nudeln, Schnitzel, Steak, Pizza, Chili sind so die Standardgerichte, die es fast überall gibt – aber fast alles davon ist lausig, l-a-u-s-i-g, aufgewärmte Convenience-Scheiße oder vorgekochtes Zeugs, das Kurzgebratene vielleicht noch von einer Küchenhilfe in die Fritteuse oder auf den Grill geworfen. Sowas macht doch keinen Spaß, mir zumindest nicht. In einer Hotelbar möchte ich frisch und gekonnt zubereitete Kleinigkeiten. Und wenn es sich absolut nicht rechnet, bis 02:00, 03:00 Uhr einen ausgebildeten Koch vorzuhalten, dann hätte ich doch lieber einen Teller mit frisch aufgeschnittener, guter Wurst, einen Käseteller, von mir aus einen frisch gekochten Erbseneintopf, das alles kann zur Not sogar der Barkeeper noch nebenbei machen, aber bitte doch keine hingerotzte Convenience-Scheiße.


Die Zimmerservice-Sünde

Nun gut, auch mir ist nicht jeden Abend im Hotel nach Ausgehen oder Hotelrestaurant oder auch nur Hotelbar, manchmal will man einfach nur seine Ruhe haben, auf dem eigenen Zimmer in quasi seinen temporär eigenen vier Wänden allein (oder zu zweit) sein, vielleicht arbeiten, vielleicht einfach nur Rumgammeln, ausführlich Baden, Fernsehen, Musik hören, Zweisamkeit genießen, … was auch immer. Das mag angenehm oder notwendig sein, der Hunger stellt sich dennoch zuverlässig irgendwann ein, der nimmt keine Rücksicht auf temporär eigene vier Wände. Spätestens wenn der überteuerte Nüsslein- und Chips-Vorrat aus der Minibar aufgefressen ist, braucht’s Alternativen. Und will man das Zimmer tatsächlich nicht verlassen, so ist der Zimmerservice die probate Alternative. Für die Zimmerservice-Karte gilt im Prinzip das gleiche, was ich bereits an der Barkarte bemängelt habe: Salat, Burger, Clubsandwich, Nudeln, Schnitzel, Steak, Pizza, Chili sind so die Standardgerichte, die es fast überall gibt – aber fast alles davon ist lausig, l-a-u-s-i-g, aufgewärmte Convenience-Scheiße oder vorgekochtes Zeugs, das Kurzgebratene vielleicht noch von einer Küchenhilfe in die Fritteuse oder auf den Grill geworfen. Oft sind Bar- und Zimmerkarte tatsächlich fast identisch, und es macht eben so wenig Spaß, in der Bar oder auf dem Zimmer zu essen. Dennoch nutzen viele Mit-Gäste den Zimmerservice intensiv, besonders Amis und Araber, habe ich den Eindruck. Und wenn sie fertig gefressen – Verzeihung: ich meinte natürlich gefressen – haben, rufen sie nicht etwa den Zimmerservice zum Abräumen, nein, sie stellen die ganze Scheiße, dreckiges Geschirr mit übel riechenden Pizza- und anderen Essensresten, Plastikflaschen, zerknüllte dreckige Stoffservietten, Cloches, Gläser einfach neben ihre Zimmertüre auf den Gang. Und dort bleibt es dann die ganze Nacht stehen, erfreut einen beim Weg in’s eigene Zimmer und erfreut einen immer noch beim Weg zum Frühstück, oft nicht nur optisch, sondern auch olfaktorisch. Abgesehen davon, dass solche Schweine sofort lebenslanges Hausverbot bekommen sollten ist es auch ein Armutszeugnis für jedes Hotel, dass dieser Dreck nicht sofort weggeräumt wird. Der Aufdeck-Service am Abend muss die Schweinerei doch sehen, später dann der Schuhputzservice, am frühen Morgen nochmals der Schuhputzservice beim Zurückbringen der Schuhe. Aber niemand scheint sich in der Regel für diese Schweinerei auf den Gängen zu interessieren oder sich verantwortlich zu fühlen, und das finde ich richtig schlimm.




Tja, jetzt habe ich ausführlich geschimpft, was für schreckliche Dinge einem beim Reisen in Hotels doch wiederfahren können. Ich weiß, dass ist Meckern auf sehr, sehr hohem Niveau, man kann ohne Doorman leben und sein Gepäck selber schleppen, man kann auch mal eine Tiefkühlpizza zum Drink essen, wenn grad nichts anderes da ist, davon fällt man tatsächlich nicht tot um. Aber … aber dafür sollte man dann nicht zig hundert EURO (plus den völlig überteuerten Preis für die Tiefkühl-Pizza) pro Nacht zahlen. Das geht in einem IBIS oder MOTEL ONE, da erwarte und zahle ich auch nichts anderes, da freue ich mich vielmehr über jedes Upside-Potential. Wenn ich hingegen sehr viel Geld berappe, dann setzte ich voraus, dass alles fast perfekt – vollkommen perfekt erwarte ich ja gar nicht – ist. Wenn ich hingegen bei Omma Huber in ihrem kleinen Dorfgasthaus in Hintertupfing bin, da ist das alles kein Thema, für 75 EURO die Nacht sind die Betten halt durchgelegen und Zimmertresor gibt’s sowieso keinen (aber die sind sowieso ehrlich, die Leute in Hintertupfing), allerdings sind die Marmeladen zum Frühstück wahrscheinlich von Omma Huber selber gemacht, der Dorfbäcker hat um 05:30 die frischen Semmeln gebracht, und wenn mich des Nachts der Hunger quält, dann serviert mir Omma Huber keine Tiefkühl-Pizza, sondern schmiert mir ein Wurstbrot und entschuldigt sich wahrscheinlich noch, dass sie das jetzt mit auf die Rechnung setzen muss. Hoher Preis hingegen schafft und rechtfertigt hohe Erwartungshaltung. Ich will ja gar keine Goldenen Wasserhähne (wozu auch?), aber Badeschuhe, in die ich reinkomme, das wäre zuweilen einfach schön …

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