Am nächsten Morgen holen wir uns einen Donut auf die Hand und einen dieser verfluchten Coffee to go – but when you are in New York, do like the New Yorkers do – und laufen nach Norden, über den schon morgens quirligen Times Square, Rockefeller Center, Carnegie Hall und Central Park lassen wir rechts liegen und streifen ausgiebig durch Hell‘s Kitchen, nicht ganz so touristisch überlaufen wie Down- und Midtown, hier sind die Manhattaner noch weitgehend unter sich, für sich. Viele kleine Kneipen, Plattenläden, Laundries, Liquor Stores mit recht guter Auswahl, ich erstehe aus gegebenem Anlass eine Flasche Krug und schleppe sie den Rest des Tages mit mir rum, ich Depp, vor der Episcopal Church St. Clement’s wartet auf dem Bürgersteig eine lange Schlange auf die Armenspeisung wie ich einem Schild an der Tür neben dem Kircheneingang entnehmen kann, viele haben Körbe, Töpfe, große Dosen dabei, manche sogar gestohlene Supermarkt-Einkaufswagen, fast nur Schwarze, ein paar Latinos, keine Weißen, ein unangenehmes Volk, sie zanken, schreien, fluchen, andere stehen nur apathisch an die Hauswand gelehnt, einer hat einen großen Ghettoblaster im Einkaufswagen dabei, die Lautstärke ziemlich weit aufgedreht, es wummert lästig, wenn ein Neger Wummer-Krach abspielt, darf man das dann Negermusik nennen? Das sind die, die kaum was abbekommen, vom großen Kuchen, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, oder die sich nichts nehmen können, oder die sich nichts nehmen wollen, vielleicht weil man dafür arbeiten müsste. Aber ich weiß das alles nicht, interessiert mich auch nicht wirklich, jedenfalls eine der hässlicheren Seiten New Yorks. Nach einigem Zick-Zack-Laufen durch Hell’s Kitchen plagt uns ein deutliches Hungergefühl. Noch geschädigt vom Vortag haben wir keine Lust auf einen lokalen kleinen Italiener, Griechen, Inder, Chinesen, … statt dessen zurück in’s pralle originäre (ordinäre) kulinarische Leben der Imperialen. Auf Höhe Central Park stolpern wir Neunte Ecke Achtfünfzigste West über The Flame Diner, open 24 hours, 7/365, Breakfast, Lunch, Dinner, Cocktails, Chops, Seafood, Free Delivery, es scheint nichts zu geben, was diese Tausendsassas nicht anböten, das ist mal ein Wort, trotz der Central Park-Nähe ist kaum ein Tourist zu sehen, die sind alle spätestens am Columbus Circle in den Stadtgarten abgesaugt worden.
Also, frohgemut hinein in den 24/7/365 Diner, die Einrichtung ist wie immer in derartigen Etablissements, auf einer Seite lange Theke mit Barhockern, hinten Küche, auf der anderen Seite diesmal sechs Sitzreihen meist mit Zweiertischen, dazwischen hüfthohe Raumteiler, ein paar Plastikefeuranken und Kunstpflanzen hübschen das Tableau nicht wesentlich auf, die – reichlichen, flotten, servilen, etwas unkoordinierten – Bedienungen tragen schwarze Schürzen und Kappen mit dem Restaurant-Logo, das Publikum besteht eher aus Blue- denn White Colour Workern, mit Ausnahme vielleicht von ein paar Sekretärinnen und Sachbearbeitern vom nahen Time Warner Center und der Fordham University, dazu junge Leute, Studenten schätze ich und viele Rentner, die hier die Ödnis der Tage durch Schlimmeres ersetzen, so dass es nicht mehr ganz so schlimm ist, später, daheim. Die Speisekarte ist einfach gigantisch, ich habe mal nachgezählt, ich komme auf schlappe 286 Gerichte, die hier tagtäglich im Angeboten sind, dazu kommen noch ein Dutzend wechselnde Tagesgerichte, das alles ohne Getränke, nur Speisen, und hier wird Souvlaki sogar richtig geschrieben. 300 Gerichte, das macht denen so schnell keiner nach. Natürlich ist es wieder das China-Prinzip, einige Grundzutaten, einige Grundzubereitungsarten, und das alles dann wild durcheinandergemixt, das gibt schon eine große Anzahl an verschiedenen Speisen, dazu jede Menge offensichtlich aufgetautes Voll-Convenience-Zeugs (nicht, dass das andere nicht auch weitgehend Convenience wäre). Quantität geht hier offensichtlich wie so oft weit vor Qualität, aber wer weiß, also munter bestellt. „At The Flame Diner we serve up a fresh healthy American and Greek cuisine.” verspricht schließlich die Werbung. Ich habe mir dazu mal den Spaß gemacht, ein paar food-pictures von der Website des Flame abzukopieren (keine Ahnung, gegen welche copyrights ich damit verstoße, aber ich mach’s jetzt einfach mal, unter hochnotpeinlicher Angabe der Bild-Quelle, nämlich www.theflamediner.com), einfach um mal einen Vergleich zwischen Werbebildchen und Realität zu haben.
Werbung | Realität |
Bagel Werbung | Bagel Realität |
Burger Werbung | Burger Realität |
Sandwich Werbung | Sandwich Realität |
Cesar’s Salad Werbung | Cesar’s Salad Realität |
Chicken Pasta Soup für US$ 5,45: dünne, trübe Hühnerbrühe, verkochte, breiige Nudel, verkochte, breiige Tiefkühl-Gemüsebrocken, dazu abgepackte industrielle Salz-Cracker, alles zusammen jedenfalls ziemlich widerlich. Lox Bagel für US$ 10,95: aufgeschnittener Industrie-Teigkringel, kurz gegrillt, leicht verbrannt, darauf drei Streifen oranger, suspekter „Nova Scotia Lox“, wir wissen nicht, ob das jetzt echter Lachs sein soll oder Lachsersatz, wir tippen auf Letzteres, dazu dick geschnittene, rohe, weiße Zwiebelringe und Frischkäse aus kleinen abgepackten Plastiknäpfchen, alles zusammen jedenfalls ziemlich widerlich. Bison Burger für US$ 9,95: industrieller Bun, dünnes, furztrockenes, totgebratenes Fleischpatty, von mir aus Bison, von mir aus auch Waschbär, eine Tomatenscheibe, zwei Salatblätter, eine halbe saure Gurke, Senf, Ketchup, Mayo aus den Quetschflaschen auf dem Tisch, alles zusammen jedenfalls ziemlich widerlich, aber die Pommes sind recht gut. Reuben Sandwich für US$ 15,95: industrieller Vollkorntoast, darauf Pastrami-Berge, darauf Sauerkraut-Berge, alles überbacken mit angeblichem Schweizer Käse, dazu ein Plastik-Näpfchen voller industriellem Coleslaw und ein Plastiknäpfchen mit einer industriellen Fettsauce, alles zusammen jedenfalls ziemlich widerlich, aber die Pommes sind recht gut. T-Bone-Steak für US$ 35,95: sehr seltsamer Cut für ein T-Bone, aber gutes Fleisch, medium gebraten, da beißt die Maus keinen Faden ab, dazu Dosenmais aus der Mikrowelle, aber die Pommes sind recht gut. Dafür haben wir zu zweit mit Getränken gut US$ 100 gezahlt, nicht wirklich viel für gute Gastronomie, richtig viel aber für zusammen ziemlich widerliche Lebensmittelberge.
The Flame Diner
893 9th Avenue
New York, NY 10019
USA
Tel.: +1 (2 12) 7 65 79 62
Fax: +1 (2 12) 7 65 79 65
Online: www.theflamediner.com
Frühstück von US$ 4,45 bis US$ 19,85, Sandwiches, Burger und Wraps US$ 6,95 bis US$ 15,95, Hauptgerichte von US$ 12,95 (Spaghetti mit Tomatensauce und Salat) bis US$ 35,95 (Steak mit Beilagen), Drei-Gänge-Menue US$ 21,85 bis US$ 57,85