Essen in USA (1/19): Vorrede

Es ist schon etwas großkotzig, da fliegt man nach New York, Caro spendiert auch noch den Heli-Transfer von JFK zu Pier 6 und hat absolut keine Lust mehr auf das Touri-Standardprogramm von Freiheitsstatue, Ellis Island, Battery Park, Brooklyn Bridge, Wallstreet, Broadway, World Trade Center (ach ne, das gibt’s ja nicht mehr), Chinatown, Little Italy, Empire State Building, Rockefeller Center, Central Park, Times Square, Central Park, MoMa, Guggenheim, Met, Carnegie Hall, Grand Central, … you name it, das bekamen wir als Kinder von den Eltern gezeigt, dann als Austauschschüler von den Gasteltern, dann als Student von den Kommilitonen, dann als junger Berater von den us-amerikanischen Kollegen, dann als oberwichtiger Manager von den us-amerikanischen Geschäftspartnern, irgendwann hat man es selber als frisch Verliebter stolz und ziemlich angeberisch der provinziellen Freundin gezeigt, dann seinen eigenen Kindern, vielleicht wird man es irgendwann einmal noch den Enkeln zeigen, aber damit ist dann auch Schluss, so viel verändert sich an’ner Freiheitsstatue ja nicht in 75 Jahren.

Trotzdem hat ein grausames Schicksal uns mal wieder nach New York verschlagen, Caro muss arbeiten, ich muss zum Arzt, zu einer weltberühmten Koryphäe, die soll mit tief in’s grünende Äuglein schauen, danach wollen wir gemeinsam zu einer Hochzeit im tiefste Wisconsin. Einerlei. Wenn man denn schon in die alten Kolonien muss, so hat man kulinarisch mehrere Optionen. Entweder man geht dahin, wo man schon immer hingeht, was man kennt, was sich kaum verändert, zu Lombardi’s zum Beispiel oder zu Gallaghers, dort hat sich seit meiner Jugend – und meine Jugend ist schon verdammt lang her, wie mir immer schmerzlicher bewusst wird – kaum etwas verändert, die Tischdecken wurden vielleicht ein, zwei Mal gewechselt und die Preise sind teurer geworden, aber alles andere ist gleich. Oder man wälzt kulinarische Reiseführer, Zeitschriften, Guides und Ranglisten und stellt sich eine mehr oder minder frugale Sterne-Tour zusammen, meist volle Freude vorab und Enttäuschung hintdran. Man kann Freunde, Geschäftspartner, Bekannte ansprechen, die jüngst im Imperium waren und sich nach ihren positiven Erfahrungen und „Geheimtipps“ erkundigen; wenn man gut vernetzt ist, hat man vielleicht Eingeborene vor Ort im Bekanntenkreis, die man fragen kann; in der Regel wird man lediglich feststellen, dass der Geschmack und die Bewertungskriterien von Anderen meist nicht vollumfänglich den eigenen entsprechen. Das Dümmste was man machen kann, ist den Concierge im Hotel nach guten Restaurants fragen, denn – Verzeihung liebe Concierges, Ihr tut gewiss viel Gutes für Eure Gäste, ihr besorgt abends um 19:00 Uhr Smoking-Hemden, Theaterkarten, Nutten, Mietwagen, Dolmetscher, Medikamente, und dafür muss man Euch echt dankbar sein, aber von Restaurants haben die meisten von Euch absolut keine Ahnung – in 24 Prozent aller Fälle wird man dumm-dämlich in das örtliche Hofbräuhaus, U Fleků, Café Pushkin, Red House, Kloof Street House, … you name it, geschickt, was halt so als angesagtes Touristen-Highlight gilt; in 24 weiteren Prozent landet man in den Schuppen, die Gault Millau, The New Yorker, Michelin, Die Zeit oder Oriental Daily gerade hypen; in nochmals 24 Prozent wird man in die Restaurants geschickt, die den Concierges dicke Provisionen für jeden gebuchten Tisch zahlen; 24 Prozent schließlich schicken den Gast zu ihrem Cousin, Kumpel oder ganz einfach dahin, wo der Concierge selber gerne hingeht. Nur in +/- 4 Prozent aller Fälle – so zumindest meine persönliche jahrzehntelange Erfahrung – bekommt man von einem Concierge eine wirklich gute Restaurant-Empfehlung.

Caro und ich haben uns daher für etwas anderes entschieden, wir wollen uns einfach treiben lassen, mit der Masse der Eingeboren, einfach so essen, wie die Leute in den alten Kolonien essen, ohne Empfehlungen, ohne Vorbehalte, ohne Einschränkung. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: ich habe in zehn Tagen 1,5 Kilo abgenommen.

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