Eines meiner persönlichen Lieblings-Hide-Outs: Das Weiße Ross in Illschwang

Summa summarum: Idyllisches, komfortables ländliches Hide-Out in der Oberpfalz mit Schweinsbraten und gleichzeitig mit Sterne-Küche

Landauf, landab sterben die alten Dorfgasthäuser, im besten Falle werden sie zum Italiener, Griechen, Chinesen, Türken, im schlimmsten Falle  stehen sie einfach über Jahre leer und verfallen langsam. Illschwang ist ein – gleichwohl romantisches – aber nichtsdestotrotz – sorry, liebe Ilschwanger – Kaff am A… der Welt in der tiefsten Oberpfalz, bei Ambach/Sulzbach-Rosenberg gelegen, eine knappe Autostunde östlich von Nürnberg, right in the middle of nowhere, viel zu klein eigentlich, um ein eigenes Dorfwirtshaus zu ernähren. Allem Unken zum Trotze, in Illschwang gibt es seit Jahr und Tag das Weiße Ross, Gasthaus mit Metzgerei, mitten im Dorfe am Berge in einer verwinkelten, engen Gasse, vis-à-vis der stattlichen Dorfkirche und des örtlichen Gottesackers gelegen. In Illschwang scheint die  Welt noch in Ordnung, jeder kennt jeden, jeder grüßt jeden, und auch der angereiste fremde Stadtfrack, wie ich einer bin, wird wie selbstverständlich offen-freundlich mit gegrüßt. Der Herr Pfarrer ist jung, nicht aus Ghana oder Polen, sondern durch und durch Eingeborener, trägt Strohhut, raucht Pfeife, hat einen großen, freundlichen Hund, den er Gassi führt und dabei augenscheinlich mit jedem, aber wirklich jedem, den er trifft, ein ausführliches Schwätzchen hält. Die Illschwanger kaufen ihr Bio-Goulasch und ihre hausgemachte Gelbwurst im kleinen, aber sehr gut sortierten, Metzgerladen des Weißen Ross‘ neben den Gaststuben ein, Bio und regional sind ist hier keine hippe Modeerscheinungen, das war einfach schon immer so, auch die Zutaten im Restaurant kommen – so weit möglich – schon immer aus der unmittelbaren Region von altbekannten Lieferanten, denen man vertraut und wo man regelmäßig in den Stall, auf Feld und Wiese, in die Mühle und die Käserei schauen kann (und nicht anonyme – aber wohlfeile oder „hippe“ –  Großbetriebe am anderen Ende der Welt) und natürlich aus dem eigenen Garten (allein die frischen Kräuter sind eine Show!).  Das eigentliche Highlight im Weißen Ross ist aber die Speisekarte. Hans-Jürgen Nägerl kocht hier seit Jahrzehnten, und es wäre ein Dysphemismus zu schreiben, „auf gleichbleibendem Niveau“. Dieser Mann entwickelt sich, ohne jeder Mode hinterherzulaufen („Espuma“, „sphärischen Melonenkaviar“ und „geeistes Schwertfischsperma“ habe ich nie auf der Speisekarte in Illschwang gesehen – und das ist gut so, viel besser als manche andere Dinge). Heute bietet das Weiße Ross in Illschwang eigentlich zwei Speisekarten in einer. Es gibt – immer! – einen Schweinsbraten mit Kartoffellknödel (gäbe es einen Goldstandard für Schweinebraten, der aus Illschwang wäre sicherlich ein Kandidat), ein Wienerschnitzel mit perfektem Cut und perfekter Panade und einem zeitlosen – geradezu klassischen – Kartoffelsalat, das alles ist traditionelle deutsch-bajuwarische Hausmannskost in Vollendung, und das zu Preisen, die durchaus einem Dorfwirtshaus angemessen sind. Zwischen bürgerlicher Küche in Perfektion und Sterne-Küche ein Tartare vom Kalb perfekt angemacht mit Wasabi-Tupfern und geröstetem Bauernbrot. Daneben bietet dieselbe Speisekarte Hochküche, sowohl als Menue (sechs oder sieben Gänge deutlich unter 100 €) als auch à la carte. Ein sensationelles, trocken mariniertes, auf den Punkt rosa gebratenes (und reichliches – wir sind schließlich auf dem Dorfe) Maibock-Filet mit perfekter Wild-Jus und dazu ein nusssig-knackig-sämiges Buchweizen-Risotto zum niederknieen, eine ebenso perfekte Maischolle. Wenn hier gekrittelt wird, dann eindeutig auf 1-Michelin-Sterne-Niveau. Für ein Dorfgasthaus sensationell, im Sternebereich könnte man jetzt mäkeln, dass die Garnele unter dicker Bröselkruste mit belanglosem Möhrenbrei und zu weichen Minimöhren nicht stimmig war, aber gerettet wurde durch (ich vermute) rote Rettichstreifen;  das Kräutersüppchen mit viel frischen Kräutern am Stück und dreierlei Kräuterölen als Basis, aufgegossen mit Suppenemulsion war lecker und extrem kräuterig, aber viel, viel zu fettig. Diese  Speisekarte schafft den Spagat, den Hans Häge vom Bad in Langenau – seit 2013 mit einem Michelin-Stern geadelt – vor Jahren auch gemacht hat: bodenständig und Hochküche sind keine Widersprüche, sondern zwei Seiten derselben Medaille.  Hans Häge macht des Abends – mit Ausnahme von Badwirts Rostbraten – nur noch seinen – zwischenzeitlich mittelmäßigen, nunmehr unspektakulären, ausgelutschten – Sterne-Chi-Chi, Illschwang hingegen lebt, stolpert, steht auf, entwickelt sich, ist immer neu und doch unverändert. Illschwang ist immer voll, in Langenau auch ohne  Reservierung einen Platz zu bekommen, ist zwischenzeitlich kein Problem mehr.

Diese Speisekarte in Illschwang führt dazu, dass einheimische Bauern im Weißen Ross beim Feierabend-Bier, Schweinsbraten und Karteln (tatsächlich, die Eigeborenen mit Seppelhüten spielen Karten an einigen blanken Wirtshaustischen) einträchtig neben Stadtfräcken aus Nürnberg sitzen, die zum Nobelfresschen mit Übernachtung angereist sind; dazwischen mal in den Wirtshaus-eigenen Sälen eine einheimische Hochzeit oder Taufe mit viel Tam-Tam, dem Pfarrer mit Strohhut  und Pfeife und selbst gebackenen Kuchen (die selbstverständlich mitgebracht werden können) oder reichlich verdutze Tagungsteilnehmer, die von ihren Chefs an diesen abgelegenen Ort der Republik verbracht und irgendwie geschult und sodann auf’s Trefflichste gefüttert wurden; schließlich noch eine Männer-Runde aus dem Ruhrgebiet, die bajuwarische Fettlebe vom Feinsten genießen wollte und dominiert wurde von einem Aufsprecher aus Bottrop mit einem sprechenden Nummernschild auf seiner S-Klasse, der lauthals und unter lautem Beifall seiner Saufkumpanen bei viel Bier erzählte, wie clever er Steuern innerhalb seiner Firmen hinterzieht (der ist zwischenzeitlich angezeigt, primär nicht wegen der Steuerhinterziehung, sondern wegen des unerträglichen lautstarken Aufsprechens und Dummlaberns den ganzen Abend lang).

Zu erwähnen ist noch, dass das Weiße Ross seit dem letzten Umbau neben der alten Hopfentherme nun auch über ein kleines Schwimmbad, Saunen, Dampfbad und intime Liegewiese verfügt, alles klein und fein und familiär, aber richtig gut. Die Zimmer und das Frühstück sind sowieso vollkommen in Ordnung, ich nehme immer die wohlfeilste Kategorie und investiere das gesparte Geld gerne in einen zusätzlichen Gang oder Wein.

 

Landhotel Weißes Roß
Familie Nägerl
Am Kirchberg 1
92278 Illschwang
Tel.: +49 (96 66) 18 80 50
Fax: +49 (96 66) 18 80 52 84
Mail: info@weisses-ross.de
Online: www.weisses-ross.de

 

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