Deutsches Beefsteak nach Oma Keppel

Meine Großmutter – hier die Mutter meiner Mutter – war eine sehr einfache Frau, bis in’s hohe Alter bienenfleißig, ein Drache im täglichen Umgang mit anderen, keine wirklichen Freunde/innen, auch zu ihren zahlreichen Schwestern eher ein kühles Verhältnis, mehr so der Typ einsame Wölfin, aber mir war sie die beste Großmutter, die man sich wünschen kann, liebevoll, aufmerksam, großzügig, badensisch-elsässische Wurzeln, durch die Launen des Schicksals nach Nordhessen verschlagen, einen literarisch-historisch bewanderten, armen Tischler geheiratet, einen viel zu guten Freund des Nazi-Schriftstellers und -Verlegers Heinrich Sohnrey, im Alter lebte sie von einer kargen Arbeiter-Witwen-Rente und verdiente sich als Flickschneiderin etwas dazu, alle örtlichen Gasthäuser, Hotels und besseren Bürgerhäuser zählten zu ihren Kunden, hier war sie wenigsten einmal pro Jahr reihum für zwei, drei, vier Tage beschäftigt, um abgerissene Knöpfe von Bettbezügen zu ersetzen, Löcher in Tischtüchern zu stopfen, Hemdenkragen zu wenden und wieder anzunähen, solche Tätigkeiten halt, wo man heutzutage die Sachen einfach wegwirft. Ich habe sehr viel Respekt vor dem Beruf der Flickschneiderin, und ich meine, wir sollten gerade heute viel mehr Flickschneiderinnen haben. Aber – das gehört jetzt gewiss nicht in ein Kochrezept – wenn ein Polyamid-Hemd aus Kinderarbeit in Bangladesch 15,99 EURO kostet, warum sollte man dann noch eine Flickschneiderin für 12,50 EURO Mindestlohn pro Stunde beschäftigen, um den Kragen zu wenden, da ist doch wegwerfen und neukaufen allemal billiger. Zurück zu meiner flickschneidernden Großmutter. Ihre Küche war einfach und wohlfeil: Storzieren (Schwarzwurzeln) (natürlich nicht aus dem Glas, sondern frisch selber „geschrappt“, so nannte sie es, die Schwarzwurzeln in unsäglicher, klebriger Handarbeit zu schälen), süßer Möhreneintopf mit Speck, Carbonaden (fette Schweinekoteletts mit Knochen, man wusste nie, wann man auf einen Fettsreifen beißt), sie liebte Iglu-Fischstäbchen mit hessischem Kartoffelsalat (mit Mayonnaise, viel Schmand und – als besonderer Luxus – Kondensmilch, in der Saison mit Nüsschen – vulgo Feldsalat – aus ihrem eigenen kleinen Garten oder mit deutlich bitterlichem Frisée, eine Mutprobe für jeden Pubertierenden).

Ihr absolutes Luxus-Essen, das sich meine Großmutter nur zu ihrem Geburtstag und vielleicht mal an einem hohen Feiertag leistete, das war Deutsches Beefsteak. Ein Deutsches Beefsteak hat nichts mit Frikadellen, Bulletten, oder Fleischpflanzernl zu tun, die können allesamt auch Schweinefleisch, Brot, Semmelbrösel und weiß der Geier was noch alles enthalten. Grundzutat für das Deutsche Beefsteak meiner Großmutter war ausschließlich faschiertes Rindfleisch, und für sie musste es – wenn schon, denn schon – gewolftes Roastbeef sein, kein anderes Fleisch. Das Hack wurde nicht mit eingeweichten Semmeln gestreckt, sondern lediglich mit einem Ei, gedünsteten Zwiebelchen, Petersilie, etwas Senf und Gewürzen verfeinert. Da das Fleisch bei dieser Zubereitungs-Art verdammt trocken wird, drückte meine Großmutter ein großes Stück Butter in die Mitte jedes ihrer Deutschen Beefsteaks. Dadurch wurden sie etwas dicker, rundlicher als das übliche Deutsche Beefsteak, das eigentlich Handteller-groß, flach und vielleicht zwei bis drei Zentimeter dick ist.

Zutaten (für 4 Stück):

  • 100 g Schalotten oder kleine Zwiebeln (ca. 3 Stk.)
  • ½ Bund Petersilie
  • 600 g gewolftes Roastbeef*
  • 1 Ei
  • 10 g scharfer Senf (ca. 1 gehäufter Teel.)
  • Ca. 10 g Salz (2 gestrichene Teel.)
  • Ca. 5 g Pfeffer (ca. 1 gestrichener Teel.)
  • 2 bis 4 g Thymian (1 bis 2 gestrichene Teel.)**
  • Eine – mehr oder minder große, nach Geschmack – Prise Cayenne**
  • Ca. 20 + 40 g Butter
  • Butterschmalz zum Braten

Zubereitung:

  • Schalotten oder Zwiebeln schälen und fein hacken
  • Petersilie waschen, Blättchen abzupfen und fein hacken
  • Ca. 20 g Butter in einer Pfanne auf mittlerer Hitze schmelzen, die Zwiebelwürfelchen dazu geben, unter Rühren glasig dünsten, gehackte Petersilie dazu geben und noch 1 Minute unter Rühren mitdünsten, vom Herd nehmen und etwas abkühlen lassen
  • Gewolftes Roastbeef in eine Schüssel geben, Ei, gedünstete Zwiebeln und Petersilie, Senf, Salz, Pfeffer, Thymian, Cayenne dazu geben,*** alles mit den Händen oder dem Knethaken der Küchenmaschine oder des Küchenmixers vermischen (das Durchkneten mit den Händen ist allerdings ein ungleich archaischeres Erlebnis, und anfassen muss man den Batz beim Formen ohnehin)
  • Fleischmasse in vier gleichgroße Teile teilen, mit der Hand flachdrücken, in die Mitte jeweils eine flache Scheibe von 10 g Butter geben, das Fleisch drumherum formen und nochmals etwas flach drücken
  • Butterschmalz in einer Pfanne gut, aber nicht „volle Pulle“ erhitzen (8 von 9), Deutsche Beefsteaks in aller Ruhe von beiden Seiten brate

* Das Rezept funktioniert natürlich auch mit wohlfeilerem gewolftem Rindfleisch, solange es nur sehr mager ist.

** Ich gestehe, Thymian und Cayenne habe ich dazugedichtet, sowas gab’s in der Küche meiner Großmutter nicht.

*** Die angegeben Gewürzmengen können natürlich nur ungefähr sein, der eine mag mehr, der andere weniger Salz, verschiedene Pfeffer können unterschiedlich scharf sein, alter oder schlecht gelagerter Thymian schmeckt längst nicht so intensiv wie der aus einer frischen Packung. Ich würde erstmal 2/3 der angegeben Mengen an Gewürzen nehmen und alles gut vermischen. Das Abschmecken von rohem Fleisch ist nicht jedermanns Sache; man kann ganz einfach ein winziges Stück (Haselnuss-groß reicht) Fleischmasse formen, kurz in der Pfanne anbraten, es probieren und dann ggf. nachwürzen. Es ist auch keine Schande, zwei oder drei Probierrunden zu drehen.

Großmutter hatte dann noch einen Trick, zu den Deutschen Beefsteaks eine Sauce zu zaubern. Dazu stellte sie das fertig gebratene Fleisch warm, löschte den Bratensatz in der Pfanne mit ca. 150 ml Wasser ab, kochte den Bratensatz los, trickste mit einem Maggi-Würfel und diesem und jenem Gewürz, manchmal auch mit einem Schuss Kondensmilch (sie stammte noch aus der Generation, in der Kondensmilch noch ein Luxusprodukt war, Sahne, zumal nicht pasteurisierte, war dieser Generation suspekt) und band das dann mit etwas in kaltem Wasser aufgelöster Stärke.

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