Summa summarum: Perfekte traditionelle, un-innovative Norddeutsche Fischküche mit ein paar Zugeständnissen an die Fleischfresserfraktion in unaufgeregtem Ambiente
Zu kritisieren ist einfach: dann-und-dann war ich da-und-dort, und dieses war schlecht, jenes nicht perfekt, folgendes halbwegs in Ordnung, das dann wieder grottentief neben der Spur und-so-weiter-und-so-fort-Rhabarber-Rhabarber-rumms. Auch zu lobhudeln ist einfach: dann-und-dann war ich da-und-dort, es war genial, einzigartig, perfekt, großartig, super-lecker ebenfalls und-so-weiter-und-so-fort-Rhabarber-Rhabarber-rumms. Wie aber beschreibt man ein Lokal, in dem seit Jahren keine kulinarischen Großtaten vollbracht werden, sondern in dem auf immer gleichbleibendem, fast perfektem, aber simplem, unverfälschtem, althergebracht-traditionellem, nicht zwanghaft kreativem Niveau Fische und anderes Meeresgetier gebraten, gekocht und gedünstet werden, dazu ein paar Suppen und Vorspeisen (meist ebenfalls mit Meeres-Bezug), frische Salate, ordentliche Schnitzel und Steaks … und Bratkartoffeln zum Niederkien, wie sie halt nur die Norddeutschen hinkriegen. (Zeig‘ mir eine Süddeutsche Gaststätte mit wirklich guten Bratkartoffeln, und ich zeig‘ Dir einen zugereisten Koch!) Hier werden keine Rotbarbenfilets mit krossen Artischockenchips auf pikanter Paprikasalsa mit Basilikum, Paprikanage mit Rotbarbenleber und Sherryessig, angeboten, kein sautierter Langostino mit Knusperoliven, gebratenem Fenchel und Pastis, und auch kein confierter Kabeljau mit Pulpo, Auberginen, Ricotta und Safransauce. Hier werden fangfrische Kutterschollen, Nordsee-Steinbutte oder die seltenen Nordsee-Seezungen (eine Delikatesse für sich und nicht vergleichbar mit ihren großen Vettern aus dem Atlantik) leicht bemehlt in Butter frisch gebraten, und das so perfekt, dass der Fisch zwar gerade durch ist, aber an der Mittelgräte noch rosa, dazu Holländische Matjes Hausfrauenart, nicht in einer Konservierungsmittel-triefenden Fertigsauce, sondern in selbst gemachter Schmandsauce mit Äpfeln und Zwiebeln, handgepulte Greetsieler Krabben mit Kräuterrührei aus frischen Kräutern, zum in Weißwein gedünsteten Schellfisch eine hausgemachte Senf-Schnittlauch-Rahmsauce, sogar Grüne Heringsfilets in Senfkruste, selbstgemachten Labskaus oder Muschelragout (wobei ich letztere nicht haben muss, aber Caro liebt sie). Und wenn ein Fisch aus ist, dann ist er aus, da gibt’s keine Tiefkühltruhe, aus der man Nachschub holen könnte. Die Salate sind nicht aus dem Sauerkonserveneimer, jahreszeitlich, gut geputzt, die Dressings selbstgemacht, die Schnitzel groß und tadellos, (und nicht in der Fischpfanne gebacken), die Steaks auf den Punkt, in der Saison gibt’s auch mal Spargel oder Grünkohl, die Nachtische allerdings aus dem Tiefkühler. Zu trinken gibt’s – was sonst – frisch gezapftes Jever, dazu eine kleine, mit Verstand zusammengestellte, Weißwein-lastige Weinkarte.
Tja, was sagt man über solch ein Lokal? Perfekte traditionelle, un-innovative Norddeutsche Fischküche mit ein paar Zugeständnissen an die Fleischfresserfraktion in unaufgeregtem Ambiente umschreibt dieses Lokal wohl am besten. Gemeint ist Der Butt, mitten in Jever am Rande der Fußgängerzone an einem kleinen Sträßchen mit dem netten Namen Kattrepel. (Direkt dahinter, am Grünen Garten gibt es – etwas versteckt – auch ausreichend Parkplätze.) Vor dem roten Backsteinhaus eine nette Terrasse, sogar mit Strandkorb, die Einrichtung innen unprätentiös, schlicht, modern, keine Patina eines jahrhundertealten Gasthauses, Dielenfußboden, helle Wände, große Fenster, die viel Licht hineinlassen, bunte Vorhänge, blanke Gastro-System-Möbel, Papierservietten, Pressglas, einfaches Porzellan und Besteck, kein Küchen- oder Fischgeruch, kein überbordender maritimer Deko-Kitsch, aber ein großes Gemälde eines Butts, alles in allem ein freundliches, unkompliziertes Ambiente ohne Schwellenangst oder Benimm-Zwang, hier is(s)t man gerne. Die Bedienungen sind flott und freundlich, vereinzelt aber mit keckem bis fast schon frechem Mundwerk. Die Bestellung einer Vorspeise scheitert zumeist an der Warnung / Weigerung des Service-Personals ob der großen Portionen. Eine Suppe vorab geht vielleicht gerade noch, aber eine kleine Portion Matjes und danach Nordsee-Seezungen (aufgrund ihrer Größe serviert man hier vier Stück als eine Portion, und das ist reichlich), das schafft wirklich nur ein guter Esser. Finde ich aber persönlich toll: statt Umsatz um jeden Preis zu machen und hinterher überschüssiges Essen wegzuwerfen, warnt man im Butt vorher.
Touristen sieht man – vielleicht auch wegen der zwar zentralen, aber doch versteckten Lage – eher seltener im Butt, hier verkehren offensichtlich vorwiegend Einheimische. Hier werden auch auffallend viele Familienfeiern abgehalten, was einerseits ebenfalls nur für das Lokal spricht, andererseits aber auch zur Folge haben kann, dass man ohne Reservierung keine Chance auf einen spontanen Platz hat.
Um wenigstens einen Kritikpunkt anzuführen (sonst heißt es noch, ich sei mit Nordsee-Seezungen bestochen): beim vorletzten Besuch ließ ich Caro den ersten Friesengeist in ihrem Leben servieren (die Frau kennt sich aus mit Hochprozentigem, aber diesen 1957 vom Ostfriesen Johann Eschen entwickelten Kornschnaps mit Früchten und Kräuterauszügen mit 56% Alkoholgehalt kannte sie noch nicht). Beim Servieren wird der Friesengeist traditionell bei Tisch im Glas angezündet, dann muss von der Bedienung der Trinkspruch aufgesagt werden „Wie Irrlicht im Moor, flackert’s empor, lösch aus, trink aus, genieße leise auf echte Friesenweise, den Friesen zur Ehr vom Friesengeist mehr.“, danach das Glas mit einer kleinen Kupferpfanne gelöscht und der Inhalt auf ex getrunken werden (letzteres aber vom Gast, nicht von der Bedienung). So will es nicht nur der Brauch, die Zeit, die man braucht, um den Trinkspruch aufzusagen, ist genau die Zeit, die der Friesengeist brennen muss, um einerseits lauwarm zu werden und wenigstens ein Wenig des Alkohols zu verlieren, andererseits aber nicht so heiß, dass man sich am Glasrand die Lippe verbrennt (was sehr weh tut, ich spreche aus Erfahrung). Die Servicekraft im Butt hat diese – in Ostfriesland in Lokalen durchaus übliche – Prozedur und diesen Spruch mit so einer beleidigten Mine und miesen Laune hingelegt, dass es für den Gast mehr als unangenehm war und Caro gar nicht wusste, wie ihr geschah, sie fragte danach, ob diese extensive Missfallensbekundung zur friesischen Trinkzeremonie gehöre.
Aber wir sind gerne im Butt, eigentlich jedes Mal, wenn es uns nach Friesland verschlägt. Von Emden ist er keine Stunde entfernt, vom Marinestützpunkt Wilhelmshaven keine halbe Stunde, also ziemlich zentral mitten in Ostfriesland.
Der Butt
Fischrestaurant & Wohlfühllokal
Andreas Witte
Kattrepel 2
D-26441 Jever
Tel.: +49 (44 61) 9 18 78 92
E-Mail: info@der-butt-fischrestaurant.de
Internet: www.der-butt-fischrestaurant.de
Hauptgerichte von 9,90 € (Grüne Heringe) bis 24,50 € (Nordsee-Seezungen oder Nordsee-Steinbutt mit Buttersauce und Kartoffeln), Drei-Gänge-Menue von 17,40 € bis 46,50 €
Das sagen die Anderen:
Guide Michelin (Booktable) Inspektoren: n.a.
Guide Michelin (Booktable): n.a.
Gault Millau: n.a.
Gusto: n.a.
Schlemmer Atlas: n.a.
Varta: n.a.
Yelp: 4 von 5 Sternen (bei 35 Bewertungen)
Tripadvisor: 4,5 von 5 Punkten (bei 101 Bewertungen)
Google: 4,5 von 5 Sternen (bei 166 Bewertungen)