Der Gin-Hype scheint sich – endlich – langsam seinem Zenit zu nähern; jetzt sind noch die Lumpensammler unterwegs die versuchen, aus das letzte aus dem Hype herauszupressen, aber zumindest für Martini Cocktails gibt es ja noch die zweite unverzichtbare Zutat, den Wermut, vielleicht lässt sich da ja auch nochmals Geld verdienen. Kurzer persönlicher Exkurs: ich habe das Martini-Cocktail-Trinken in den Achtzigern bei William Deck persönlich gelernt. Damals sagte mir Deck sen. wörtlich: „Wir sind keine Snobs, wir nehmen keinen Nolly Prat“ – jenen etwas teureren französischen Wermut –, „wir nehmen Martini Extra Dry.“ Nun gut, zwischenzeitlich haben sich die Fronten etwas aufgelockert, Nolly Prat wird heute auch im Pussers – ehemals Harry’s New York Bar von William Deck – verwendet, aber das war’s dann auch weitgehend. Natürlich gab und gibt es immer die kleinen Wermut-Erzeuger, die mehr oder minder minderwertige Weine mit Wermut und anderen Kräutern verschnitten und als mehr oder minder wohlfeilen mit Gewürzen und Kräutern aromatisierten und aufgespriteten Wein mit einem vorgeschriebenen Alkoholgehalt zwischen 14,5 und 21,9 Volumenprozent Alkohol und unterschiedlich hohem Zuckergehalt auf den durstigen Markt warfen und werfen, aber dies geschah bis dato eher im kleinen Stil und im Verborgenen. Jetzt, im Gefolge des Gin-Hypes, scheint sich auch ein (bisher verhältnismäßig kleiner) Wermut-Hype anzubahnen. Alte lokale Wermut-Marken werden unvermittelt ins öffentliche Vermarktungs-Licht gezerrt, dazu kommen neue Kunstprodukte wie der mäßige Belsazar, der von ein paar New-Economy-Tausendsassas und einem Schladerer-Spross mit viel Marketing-Tam-Tam in den dummen neu-gierigen (chronisch gierig auf Neues) Markt gedrückt wird. 2016 warf das Haus Martini mit seinem Riserva Speciale Ambrato einen Premium-Wermut auf den Markt, ich würde ihn als semi-sec einstufen, gut doppelt so teuer wie die normalen Wermuts aus dem Hause Martini. Der französische Dolin Wermut wurde ursprünglich seit 1821 von Joseph Chavasse im Zentralmassiv hergestellt, dessen Kräuter ihm seine spezifische Note gaben; 1919 erwarb die Kaufmannsfamilie Sevez die Firma und verlegte sie nach Chambéry-Boissy, wo bis heute Dolin Wermut hergestellt wird. Der normale Dolin Vermouth Dry ist ein recht langweiliges, dünnes Gebräu (ja, ja, ich weiß, Tom würde mir wieder sagen, dass Wermut nicht ‚gebraut‘ wird) ohne viel eigenen Charakter, aber einem Preis über der Zehn-EURO-Marke; interessanter ist da schon der Dolin Vermouth Chambery, wohl eine neue Kreation der Familie Sevez, in dem für Wermut recht sportlichen Preissegment von 40 EURO plus, ein wirklich anspruchsvoller Wermut, aber nie und nimmer seinen Preis wert. Interessanter ist da schon der neuerdings vom Bremer Importhaus Eggers Sohn nach Deutschland gebrachte Muntaner Vermut von der Antonio Nadal S.A.. Der mallorquinische Spirituosenproduzent wurde 1898 von Antonio Nadal Muntaner gegründet und 1986 an die Familie Morey Garau verkauft. Dieser Wermut auf Basis von Weinen aus der autochthonen Prensal Traube ist ganz und gar nicht trocken, sondern richtig süß und erinnert an den Angel d’Or, jener authentischen Zutat zur Sangria, die längst nicht mehr ihren Weg in die Eimer findet, und er passt sehr gut zu salzigen Tapas. Aber ein Martini, gerührt auf mit parfümiert mit Muntaner Vermut, der hat schon ganz was Besonderes.
Also, Leute, wir können jetzt nicht nur 100 EURO und mehr für Designer- und Mode-Gins für unsere Martini-Cocktails raushauen, jetzt gehen auch 50 EURO für ein Fläschchen Wermut-Wein zum Eis-Parfümieren.