Charlie Palmer im Archer in New York: Geölte Selbst-Marketing-Maschine und nix dahinter

Summa summarum: beliebiges Hotelrestaurant mit beliebigem Interieur, aber netter Terrasse, Restaurant betrieben von einem umtriebigen, berühmten Koch mit hohem Anspruch, viel Bla-Bla und gutem Selbst-Marketing, was auf den Tisch kommt ist Mittelmaß bis schlecht und nie und nimmer sein Geld wert.

Der Charlie Palmer, der ist so’n imperialer Koch, „Chef“ nennt man solche Leute hier. Er gilt als Vorreiter des progressiven amerikanischen Kochstils, was immer das auch sein mag (hab‘ ich halt gelesen). Gelernt hat er – ebenso wie die ehrliche, unglückliche Anthony Bourdain – am Culinary Institute of America, eine der ersten Adressen in Sachen Koch-Ausbildung in Imperial-Amerika (was nicht viel heißen muss, aber Palmer ist immerhin seit 2011 Vorstandsvorsitzender seiner alten Schule), danach wurde er mit 23 Jahren Chefkoch im River Café in einer damals ziemlich üblen Gegend von Brooklyn und machte es zu einem angesagten Hotspot der besseren jüngeren New Yorker Society, oder besser der Manhattaner Society, die so einen Anlass hatte, sich auch mal gepflegt nach Brooklyn zu trauen; ich selber war in den Achtzigern mal da und erinnere mich nur noch an eine unglaublich lockere, urbane, intellektuell-liberale Atmosphäre, an’s Essen erinnere ich mich nicht mehr. Der Rest ist Geschichte. 1988 eröffnete Palmer sein erstes Restaurant an der Upper East Side, jetzt direkt in Manhattan, das Aureole, und auch das wurde ein Erfolg. Mittlerweile ist es umgezogen in den Bank of America Tower am Bryant Park und ist bis heute Palmers Flagship und Aushängeschild. Danach folgten Restauranteröffnungen wie’s Katzelmachen, 17 laufen heue unter der Brand „Charlie Palmer“, dazu – natürlich – Kochbücher, Fernsehshows, ein Weinhandel und – passend zum Weinhandel – ein eigenes Hotel in Sonoma County.

Eines dieser Restaurants ist das „Charlie Palmer Steak“ im Archer, einem halbwegs netten Boutique-Hotel mit ziemlich guter Dachbar mitten in Manhattan in der 45 West 38th Street. Nach fast 20 Stunden unterwegs (Einchecken, Flug und Einreise gingen recht problemlos von statten, aber das Taxi von JFK nach Manhattan brauchte fast 2 Stunden von Stau zu Stau, und das bei damfig-schwül-warm-feuchtem New Yorker Wetter ohne Klimaanlage), nur schnell eine Dusche genommen, umgezogen, einen Drink in der brechend vollen Dachbar mit tollem Blick auf’s Empire State Building genommen (King Kong und seine Spur der Verwüstung fehlen mir echt) und dann ziemlich erschöpft und hungrig in’s offensichtlich ja gut beleumundete (oder sollte man sagen „gut gebrandete“) Hotel-Restaurant geworfen. Das Restaurant selber ist 08/15 belang- und weitgehend fensterlos in den Tiefen des Gebäudes untergebracht, allerdings gibt es – eine absolute Seltenheit in NYC – eine Terrasse zur 38. Straße, wo man sitzen, süffeln, speisen und dem geschäftigen Leben auf der Straße direkt zuschauen kann. Relativ kleine Speisekarte, Tatar vom Thunfisch oder vom Lachs, Wagyu Carpaccio, Cesar Salad, Austern, Salumi, Hühnchen, Entenbrust, gegrillter Fisch, 10 Steaks für US$ 32 bis 162 ohne Beilagen, das ist alles sehr übersichtlich, muss aber nicht schlecht sein, nur was daran „progressiv“ sein soll, verstehe ich immer noch nicht.

Nun gut. Die Vorspeisen-Foie Gras wäre mit US$ 21 fair bepreist, wenn sie denn gut wäre. Was kommt ist eine Scheibe teils gräulicher, gänzlich greulicher, wahrscheinlich industriell geschlachteter und gepresster Gänseleber ohne nennenswerten Eigengeschmack, ohne nennenswerte Würzung, leicht grieselig von der Konsistenz, ein dezent taubes Gefühl auf der Zunge erzeugend, dazu drei Tropfen industrieller Erdbeermarmelade, die avisierte Brioche wird durch Baguette-Scheiben ersetzt. Caros Ostküsten-Austern sind ok, sagt sie. Die Steak Frites – ein kleines, wohlfeiles (US$ 36 sind für ein New Yorker Restaurant wohlfeil!) Gericht, aber wir sind nicht wirklich hungrig – sind schlichtweg eine Katastrophe: lauwarme, zähe, irgendwann mal medium gebratene Kuhstreifen auf kalter, übelschmeckender, Bernaise-geheißener Sauce zu teils knusprigen, durchgängig fettigen Fritten mit schwarzen Punkten, wohl verbranntes Zeugs aus der Fritteuse. Caros Versuch, auf einen Burger von der Bar-Karte auszuweichen, den „CP Burger“, „CP“ für Charlie Palmer, also ein „signature dish“, mit dry-aged beef, cheddar, red onion, brioche endet nicht ganz so schlimm: die Fritten dazu kommen bekannt vor, das Bun ist tatsächlich Bäcker-Qualität, nur leider auf den Schnittflächen verbrannt, das Fleisch viel, nicht rosa-saftig, sondern totgebraten, der Cheddar qualitativ gut, schön zerlaufen, dazu die sautierten roten Zwiebeln sind sautiert und lila, das ist alles kein Hexenwerk, und wenn man alle Burger der Welt in zwei Klassen unterteilte, die besten 50% und die anderen 50%, so wäre dieser Burger vom Starkoch gewiss bei den Anderen.

Ich gebe zu, wir haben zumindest bei den Hauptspeisen nichts von dem fancy stuff von der Karte probiert – etwa ein A5 Kobe Strip Loin von der Miyazaki Prefecture, Japan für US$ 162 die Portion (ohne Beilagen, Fritten, Cremespinat und Pilze würden zusammen mit nochmals US$ 31 auf der Rechnung aufschlagen) oder wenigstens Surf + Turf mit einem halben in Butter pochierten Hummer, einem kleinen Rinderfilet und Sauce Américaine für bescheidene US$ 58 (wieder ohne Beilagen) –, aber in solch einem Restaurant mit solch einem Besitzer bzw. Namensgeber würde ich auch und gerade erwarten, dass alles – vom teuersten bis zum billigsten Gericht – nicht nur perfekt, sondern außergewöhnlich ist. Nun gut, außergewöhnlich waren die Sachen, die wir aßen sicherlich: außergewöhnlich schlecht für das Geld.


CHARLIE PALMER STEAK NEW YORK
Chef/Owner Charlie Palmer, Executive Chef Andrea Soldini
Im Archer Hotel New York
47 West 38th Street
New York NY 10018
USA
Tel.: +1 (2 12) 3 02 38 38
Online: www.charliepalmersteak.com/locations/new-york

Hauptgerichte von US$ 27 (Lachs, Gemüse, Aoli) bis US$ 162 (A5 Kobe Strip Loin ohne Beilagen); Drei-Gänge-Menue von US$ 50 bis US$ 248

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