Caro und der Tankstellenoligarch aus der Provinz

Das Telephon hatte geklingelt, Caro war dran. „Karlsbad?“ fragte sie unvermittelt, ohne Begrüßung, ohne Einleitung. „Karlsbad immer gerne,“ antwortete ich, „wann?“ „Nächste Woche Dienstag, zwei Tage. Imperial?“ „Nö, wenn schon Karlsbad, dann Pupp.“ „Ok, dann Pupp. Ich bin zwar im Imperial, aber ist ja nur ein Katzensprung.“ „Warum willst Du nach Karlsbad?“ „Geschäftlicher Termin. Vielleicht ein größeres Mandat. Ist alles ziemlich ominös, aber der Mandant ist offensichtlich ein ganz wichtiges Tier. Er hat in’s Imperial zur Audienz geladen, scheint ein echter Großkotz zu sein. Aber wer ko, der ko, sagt Ihr ja wohl in Bayern. Ich find’s auch komisch, dass wir uns nicht in seinem oder meinem Büro treffen, aber was soll’s, Mandat ist Mandat.“ Caro kann herrlich pragmatisch sein. „Fahren wir zusammen?“ fragte ich. „Ich nehm‘ meinen Flieger. Ich brauch‘ ohnehin ein paar Flugstunden, und ich habe keinen Bock auf dieses ewig lange Gegurke mit der Karre quer durch die Republik. Soll ich Dich unterwegs aufpicken, ist nur ein kleiner Umweg?“ „Wenn Du magst. Wann?“ „Dienstag um 07:00 am Flughafen bei Dir, mein Termin beginnt um 09:00, dass sollte sich ausgehen.“ „Ok, bin pünktlich mit gewaschenem Hals am Flughafen. Wie viele Unterhosen?“ „Nimm mal drei mit, falls es länger dauern sollte, oder wir einen Tag dranhängen.“ „Wird gemacht, Cheffe! Buchst Du oder soll ich?“ „Ich lass das mein Sekretariat auf die Kanzlei machen, von wegen Betriebsausgaben und so. Du bist eingeladen.“ Es gibt Dinge, da wehrt man sich einfach nicht. „Meine Übernachtung kann ich schon noch selber zahlen …“ entgegnete ich scheinheilig, wohl wissend, dass meine Gegenrede aussichtslos war. „Papperlapapp!“ war die kurze, aber prägnante Antwort, ich hatte nichts anderes erwartet. „Dafür zahlst Du die Drinks, die kann ich nur schwer steuerlich geltend machen.“ Scheiße, da wären mich die Übernachtungen wahrscheinlich billiger gekommen.

Am nächsten Dienstag stehe ich um 06:45 am Flughafen vor dem Terminal am Rollfeld, die paar gelangweilten, chronisch unterbeschäftigten Grenzer kennen mich mittlerweile schon, Caro hat unseren Flug avisiert, die Beamten haben mich durchgewunken, Caro landet und rollt mit ihrer D42 direkt vor’s gänzlich verwaiste Terminal, ich muss die 50 Meter zur Maschine noch nicht einmal – wie früher – als einziger Passagier in einem überdimensionierten Bus fahren, sondern laufe einfach über das Vorfeld zum Flugzeug, steige ein, und keine dreiviertel Stunde später landen wir in Karlsbad, ein ziemlich großer und moderner Flughafen für ein Städtchen mit nicht mal 50.000 Einwohnern, aber ein Blick auf die Maschinen, die hier geparkt sind, macht klar, für wen dieser Flughafen so ausgestattet ist, die Reichen und Schönen der Welt – vor allem Russen – kommen mit ihren nicht ganz so kleinen Privat-Jets hierher, um durch die heilenden Quellen zu gesunden (oder so ähnlich). Ein paar kurze, sehr formlose Formalitäten, wir steigen in’s Taxi, ich setze Caro am Imperial ab und fahre samt unser beider Gepäck weiter zum Pupp unten an der Tepl. Nach einem sehr deutlichen post-sozialistischen Durchhänger in den letzten Jahrzehnten hat sich das Pupp wieder gemausert, der Riverside-Flügel ist weitgehend renoviert, ein SPA im Keller nachgerüstet, die Rezeption ist von der Rondell-Halle zurück in die alte Hotelhalle verlegt worden, der Kleine Saal Malá dvorana ist von einer Lobby Bar in ein Restaurant umgewandelt, überragt von einem grandiosen Photoportrait von Norman Freeman, die chronischen Flecken im dicken, blau-weißen Teppichboden des Großen Saals sind verschwunden, das Personal ist wieder zahlreicher, tatsächlich stets zu Diensten und deutlich weniger mürrisch, der unsägliche Chefkoch Martin Piták ist verschwunden und durch Ondřej Koráb ersetzt, der im Grandrestaurant gute Arbeit, gewiss keine Sterne-Küche, aber gute Arbeit abliefert. Mit einem Wort: das Pupp macht wieder Spaß. Suite mit Blick auf die Tepl und das ganze grandiose Kur-Panorama, kräftig renoviert, jedoch ohne den pompösen Stil des 19. Jahrhunderts aufzugeben, noch immer viel zu wenig Steckdosen. Ich hab‘ halt einen Narren am Pupp gefressen, das ist familienbedingt.

Tagsüber bummele ich durch’s Städtchen, arbeite ein wenig auf dem Zimmer, mache einen ausführlichen Mittagsschlaf. In den traditionellen Rollenmustern ist es ja meist so, dass das Männchen auf wichtige Geschäftsreise geht, sein Weibchen es begleitet und sie während der Business-Termine des Männchens Powershopping, Wellness, Kosmetikstudio, Konditorei-Exzesse und vielleicht noch etwas Kultur absolviert; nun gut, in diesem Falle begleite ich Caro, die big business macht, und statt Konditorei-Exzessen gehe ich um 19:00 Uhr in die düsteren Katakomben der Becher’s Bar unter Ballsaal und Spielcasino des Pupps, drüben im Parkside-Flügel. Caro hat sich den ganzen Tag nicht gemeldet. Statt eines kräftigen Türstehers sitzt eine junge Dame – fast noch ein Mädchen – im Kleinen Schwarzen am Eingang, grüßt artig, als Hotelgast ist es kein Problem, Einlass zu erlangen; die Kameras an den Decken lassen jedoch keinen Zweifel aufkommen, dass die junge Dame einige kräftige Backups im Hinterzimmer hätte, sollte sie den Eintritt verweigern und desob Widerspruch aufkommen. Innen dann dunkles Holz, Kastendecken, diskrete (bis düstere) Beleuchtung, dicke Teppichböden, schwere Lederfauteuils, hübsche Photos der Hollywood-Größen, die im Hause zum alljährlichen Karlsbader Filmfest residierten, diskrete Tischnischen, mächtiger Bartresen an der hinteren Seite des Raums, halt eine richtig klassische Bar, irgendwas zwischen englischem Club und American Bar, aber stilsicher, hier fühlt sich die Barfly wohl, seit Generationen, nur die Nutten aus sozialistischen Zeiten fehlen irgendwie in dem Ambiente. Ich wuchte mich an den Tresen, schreibe Caro, wo ich bin, plaudere mit dem Keeper, ob es einen neuen tschechischen Gin gäbe. Gibt es tatsächlich, einen London Dry aus einer weiteren der unzähligen „handcrafted small batch“ Sprit-Manufakturen, die seit Jahrzehnten wie Unkraut aus dem Boden schießen, diesmal aus der Little Urban Distillery in Brünn, 43 Umdrehungen, Wachholder, Koriander und Zitrus als konventionelle Basis, dazu Vogelbeere, Apfel, Lindenblüte und Engelwurz als typisch tschechische Botanicals. Ganz nett, nach einem Martini damit – der Keeper will mir dann unbedingt einen Vesper aufschwätzen, enervierend – wechsele ich dann doch zum Botanist, auf die klassische Art und Weise, nur gewaschenes Eis, gerührt, nicht geschüttelt, straight, Lemontwist, keine Olive. Ich esse ein Tatar mit eingelegten, sauren Pilzen – wirklich ordentlich – und irgendwelche frittierten Kartoffeln, trinke Martinis und Leitungswasser (gar nicht mal so einfach zu bekommen in dieser Bar einer Stadt, die von ihrem Wasser lebt, der Keeper will mir unbedingt Mattoni aufschwatzen), lese, beobachte die Leute, denke mir meine Teile, das übliche barfly behaviour, irgendwie cool, irgendwie erbärmlich.

Es ist schon halb zehn, als Caro endlich kommt und sich neben mich an die Bar setzt. Sie sieht erschöpft aus. Noch bevor sie irgendetwas mit mir redet, studiert sie die Spirituosen-Auswahl, entdeckt den Diplomático Single Vintage 2004 aus Venezuela im Regal und ordert ihn. Mir wird flau im Magen, ich, weiß, was das Zeugs kostet, und ich zahle die Drinks. Der Keeper will ihr 4 cl einschenken, nein, eine Flasche, gibt sie ihm zu verstehen. Fürbass erstaunt und kopfschüttelnd verschwindet der Keeper nach hinten, um sogleich mit einer frischen Flasche Rum wiederzukehren, sie zu öffnen und zusammen mit einem Cognac-Schwenker und ein paar Nüsslein vor Caro zu platzieren. Sichtlich ärgerlich – Rum in einem Cognac-Schwenker, wo gäbe es denn das? – verlangt Caro nach einem Tumbler, einem großen Tumbler. Sie gießt sich selbst ein, viel ein und nimmt ein paar große Schlucke. „Was ist los, Frau Anwältin?“ frage ich bewusst vorsichtig. „Scheiße ist los!“ antwortet sie bewusst pointiert. „Also?“ „Es gibt nichts, was es nicht gäbe. Es ist einfach unglaublich. Dieser Mandant – dieser potentielle Mandant, dieser ehemalige potentielle Mandant – ist wohl der Tankstellen-Oligarch dieser Gegend, wahrscheinlich ganz Böhmens, wenn nicht noch mehr. Zu Sowjet-Zeiten leitete er eine kleine Tankstelle, nach dem Abzug der Russen, vor allem aber nach dem EU-Beitritt hat er seine Klitsche ganz schnell zu einer Kette, einem Konzern ausgebaut, wie auch immer, geht mich nichts an. Heute betreibt er nicht nur Tankstellen, sondern auch zwei Speditionen, eine für Mineralöl-Logistik, eine für Stückgut, diverse Immobiliengesellschaften, Bauunternehmungen für wohl jedes Gewerk, Restaurants, ein paar Apotheken, eine Stiftung für tschechische Stalinismus-Opfer, eine Ballettschule und weiß der Geier was noch alles. Jedenfalls scheint er in Geld und in Selbstbewusstsein nur so zu schwimmen.“ „Und was ist schlimm daran?“ frage ich. „Eigentlich nichts, nur, dass man solch eine Karriere wahrscheinlich nicht ganz legal hinlegt. Eigentlich schlimm ist, was er von mir will.“ „Ja was will er denn so Schlimmes, dass es selbst Dich schockt?“ „Ich dachte, in meiner Zeit als Staatsanwältin, Richterin, Anwältin und Notarin hätte ich so ziemlich alles kennengelernt, was es an kriminellen Energien gibt, aber bei dem Kerl kann ich echt noch was lernen.“ „Es sollte ein Wasser geben, mit dem Du nicht gewaschen bist?“ „Ha-ha, Herr Doktor.“ Wann immer mich Caro „Herr Doktor“ nennt, ist größte Vorsicht geboten. „Die Geschichte ist so schräg, die kann man niemandem erzählen, würde einem eh keiner glauben.“ „Lass hören.“ „Du weißt gang genau, dass ich nichts über meine Mandanten und ihre Probleme erzählen darf, selbst bei abgelehnten Mandaten darf ich keine Kenntnisse aus den Vorgesprächen weitergeben.“ „Dann erzähl´ mir doch einfach eine Geschichte, die irgendwo, irgendwie, irgendwann spielt.“ „Eine Geschichte willst Du hören? Ein Märchen, eine Lügengeschichte, eine Fabel, ein Gleichnis: damit kann ich dienen. Es war einmal …“ Caro hält inne, gießt sich reichlich Rum nach, seufzt, trinkt einen großen Schluck, fährt fort. „Also, es war einmal …“ – dramaturgische Pause – „… eine kleine Ratte, die leitete eine kleine Tankstelle am Arsch der Welt, die ihr noch nicht einmal gehörte, sie war nur der Verwalter für den großen, staatlichen Mineralölkonzern, diese kleine Ratte machte kleine Geschäftchen, hier ein paar Liter zu wenig abgerechnet, mal für die eigene Tasche, mal für die richtigen Leute, dann dubiose Zuweisungen von Sonderrationen von Treibstoff von irgendwo für die kleine Tankstelle, die in keinen Papieren auftauchten, schließlich eine Spirale von Gefälligkeiten für die richtigen Leute und Gefälligkeiten für die eigene Brieftasche, dazu – unter dem Schutz der richtigen Leute – kleine Zusatz-Geschäftchen, illegaler Devisenumtausch, diskrete Besorgungen, auch aus dem Westen, Spitzeldienste, reichlich Bückware, Mädchen, sowas läppert sich und schafft Vertrauen und Abgängigkeiten unter allen Beteiligten. Plötzlich implodiert das ganze System, alles weg, nicht, weil dieser eingespielte Zirkel – man könnte es auch Zweckgemeinschaft oder ganz einfach Verbrecherbande nennen – etwas falsch gemacht hätte, sondern weil das große System um sie herum implodiert ist, der komplette Ostblock und mit ihm ihr Staatssystem, in dem sich zu viele ‚eigespielte Zirkel‘ selbst bedient hatten, bis es halt nicht mehr ging. Während der Samtenen Revolution interessierte sich niemand für eine kleine staatliche Tankstelle am Arsch der Welt mit einer kleinen Ratte als Betreiber. Die kleine Ratte machte erstmal weiter, als wäre nichts geschehen, Benzin wurde nach wie vor nach dem vorgegebenen Mengenschlüssel von den staatlichen Raffinerien geliefert, auch eine samtene Revolution muss ja schließlich mobil bleiben, nur stellte die kleine Ratte die Überweisung der Einnahmen aus dem Benzin ein, und in dem Chaos fiel das lange niemandem auf. Das Geld nutzte die kleine Ratte, die ‚richtigen Leute‘, die sie noch von früher kannte und die noch auf ihren Posten saßen, um monetär versüßte Gefälligkeiten zu bitten. Plötzlich gehörten der kleinen Ratte nicht nur die Tankstelle, die sie geleitet hatte, sondern gleich eine ganze Reihe der umliegenden Tankstellen, Reprivatisierung und so, und das lief ‚wie geschmiert‘.“ „Und das hat er Dir heute alles erzählt?“ „Nichts hat er mir erzählt. Was meinst Du, warum ich so spät komme. Ich habe noch über zwei Stunden mit zwei Kollegen in Prag telephoniert, die ich von Kongressen kenne, die haben mir das alles erzählt, die kleine Ratte ist hier kein Unbekannter, aber man kann ihr wohl nichts. Hätte ich mal vorher mit den Kollegen gesprochen. Aber hinterher ist man immer klüger. To make a long story short: die kleine Ratte ist wohl in kürzester Zeit zur großen, zur ganz großen Ratte aufgestiegen, kontrolliert heute ein ziemlich umfangreiches, undurchsichtiges Firmenkonglomerat und schwimmt nur so im Geld. Man munkelt, dass er mit seinen Speditionen Schmuggel im großen Stil betreibt bzw. betreiben lässt, der macht sich nicht mehr die Finger schmutzig, seine Apotheken sollen irgendwie mit Drogen in Verbindung stehen, Crystal Meth kommt ja sehr oft aus tschechischen Laboren, die Restaurants und die Ballettschule sind wohl sein persönliches Hobby, er frisst und säuft gerne und viel, noch lieber fickt er kleine, ganz junge Mädchen, seine Stalinismus-Opfer-Stiftung ist wohl sein moralisches Feigenblatt und seine Eintrittskarte in bessere und vor allem höhere Kreise. Und die Immobiliengesellschaften und Bauunternehmungen sollen vor allem der Geldwäsche dienen, vermutet man, aber man kann – oder man will – ihm nichts nachweisen. Und da sollte ich dann in’s Spiel kommen.“ „Ist tschechisches Baurecht eine Kernkompetenz von Dir, die ich noch nicht kenne?“ „Darum geht’s doch gar nicht, Du juristisches Schäfchen!“ „Ja, warum geht es denn dann?“ frage ich. „Es geht um groß angelegten Steuer- und vor allem Subventionsbetrug in europäischem Stil.“ „Das zählt ja nun tatsächlich zu Deinen Kernkompetenzen.“ „Noch so’n Spruch, Kieferbruch!“ zischt mich Caro an. „Ich helfe Unternehmen nur dabei, ihre Steuern und Subventionen im legal zulässigen Rahmen zu optimieren, nicht weniger, aber auch nicht mehr.“ „Oder so.“ antworte ich. Caro schaut mich böse an und gießt sich selbst Rum nach, die halbe Flasche ist fast leer, die Frau kann saufen wie ein Loch. „Jetzt erzähl schon …“ dränge ich. „Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Der Typ kauft historische, prächtige, aber verkommene Anwesen im Bäderdreieck mit seiner Immobiliengesellschaft in großem Stil für den berühmten Apfel und das nicht minder berühmte Ei auf, davon gibt’s hier ja nach wie vor zur Genüge. Diese Häuser renoviert er dann aufwändig nach allen Regeln der Kunst, aber nur äußerlich, innen lässt er nur das absolut nötigste machen. Die Arbeiten führen natürlich seine diversen Baubetriebe durch und stellen sich fleißig gegenseitig Rechnungen, dadurch kann aus illegalem Schwarzgeld ganz schnell und unauffällig viel sauberes Geld werden. Und die äußerlich renovierten Immobilien haben natürlich einen viel höheren Buchwert, da ja niemand etwas von dem Zustand im Inneren ahnt.“ „Aber spätestens, wenn ein Mieter oder Käufer so einen Kasten besichtigt, fällt das doch auf.“ wende ich ein. „Tja, es gibt aber keine Mieter oder Käufer, der Kerl lässt die Häuser dann einfach leer stehen.“ „Das verstehe ich nicht, damit verschenkt er doch Geld.“ „Offensichtlich nicht,“ entgegnet mir Caro, „so ganz habe ich sein System auch noch nicht so ganz verstanden, aber augenscheinlich verdient er mit Steuer-, Subventions- und Bilanzbetrug und noch zusätzlich mit Geldwäsche weitaus mehr als er das mit vollständigen Renovierungen und Verkauf und Vermietung könnte. Ich würde das zu gerne mal mit allen Zahlen durchrechnen, um zu sehen, wo hier die Hebel und die Abflusslöcher sind, auf jeden Fall ziemlich spannend.“ „Und auf jeden Fall ziemlich illegal.“ bemerke ich. „Aber sowas von!“ sagt Caro. Und was sollst Du bei dem Spiel? Das System läuft doch offensichtlich, und das nicht schlecht, auch ohne Dich und Deine Paragraphen.“ „Der Kerl will sein System internationalisieren, und dabei soll ich ihm helfen. Er hat zwei Ideen, die gar nicht mal schlecht sind, wären sie nicht so was von illegal und kriminell. Erstens hat er mitbekommen, wie viele Subventionstöpfe es in Brüssel gibt, da will er in großem Stil ran. Und zweitens hat er sich überlegt, dass es doch noch mehr Leute mit Geldproblemen, wie er sie hat, geben muss. Und denen möchte er mit seinem System gegen eine kleine Provision helfen, Geld zu waschen, ohne dass sich seine Geschäftspartner selber die Hände schmutzig oder sich gar strafbar machen, die würden ganz einfach bei ihm investieren und irgendwann ihre Einlagen verzinst zurückbekommen, so seine Idee. Solche Anlage-Modelle sind steuerlich und rechtlich wenigstens ebenso komplex wie die EU-Subventionstöpfe. Von daher ist das schon ein cleverer Move von dem Kerl, zu versuchen, sich jemanden wie mich zu holen, ich könnte ihm da sicherlich helfen, würde mich aber gleichzeitig sowas von strafbar machen, das wäre nicht mit einer Geldstrafe aus der Welt zu schaffen, für das, was der von mir will, würde ich in den Bau wandern, und zwar lange, sehr lange. Nö, nö, nö, keine Lust, ohne mich.“ „Kann ich gut verstehen.“ „Ich helfe Leuten, die Straftaten begangen haben, da möglichst glimpflich wieder rauszukommen, das ist mein Job. Ich helfe auch Leuten, die keine Straftaten begehen wollen, wenn sie irgendwas machen, von mir aus am Rande, aber immer noch auf dem Boden der Legalität, dafür werde ich oft fürstlich bezahlt, und das ist auch ok. Aber ich helfe ganz bestimmt keinen Leuten, vorsätzlich Straftaten zu begehen, und das möglichst smart, gewinnbringend und gefahrlos, das wäre die Konterkarierung des gesamten Juristenberufes!“ Caro ist sichtlich wütend, sehr wütend. „Aber es wäre wahrscheinlich nochmals ungleich fürstlicher bezahlt.“ führe ich – mehr zum Spaß – an. „Und was nützt mir die ganze Kohle, wenn ich in den Bau gehe, meine Zulassung, mein Notariat verliere, mit meinem Privatvermögen hafte? Bestenfalls kann ich dann noch einen guten Kollegen als Anwalt nehmen. Und vor allem: was nützt mir die ganze Kohle, wenn ich mir morgens im Spiegel nicht mehr in’s Gesicht sehen kann?“ Guter Punkt, das ist halt Caro.

Caro trinkt ihre Flasche leer, ich nehme noch zwei Martinis. „Keinen Hunger?“ frage ich. „Mir ist der Appetit sowas von gehörig vergangen.“ „Bleiben wir Morgen noch hier?“ „Mit dem Restalkohol werde ich sowieso nicht fliegen können. Und ein Tag Zuwendung, SPA und Svíčková bis zum Abwinken werden mir guttun, nach diesem Reinfall.“ „I’m at your disposal.“ antworte ich, und wir gehen schlafen.

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