Bülow Palais Dresden

So wie Düsseldorf ist auch Dresden zwischenzeitlich zweigeteilt. Ebenso wie es in Düsseldorf eine „falsche“ Rheinseite – gemeint sind die linksrheinischen Kölner Gebiete – und eine „richtige“ Rheinseite –gemeint sind natürlich die rechtsrheinischen Düsseldorfer Gebiete – gibt, gibt es in Dresden eine „falsche“ und eine „richtige“ Elbseite. „Falsch“ – lassen wir Striesen, Blasewitz, Löbtau usw. einmal außen vor – ist die Altstadtseite, da haben sich zwischen Hauptbahnhof und Brühlschen Terrassen mit den Fremdenverkehrs-Magneten Frauenkirche und Striezelmarkt die Touristen und die überteuerten Beherbergungs-, Verköstigungs- und Abzocke-Betriebe für sie breit gemacht, kaum ein Dresdner geht heute da noch freiwillig hin, es sei denn zum Arbeiten und Abzocken. “Richtig“, das ist die Neustädter Elbseite, vereinzelt verirren sich auch hierhin Touristen zum Golden Reiter, Pfunds Molkerei und Königstraße, aber das hält sich in Grenzen, da sorgen schon die zerbröselnden Plattenbauten am Albertplatz und das bunte Anarchistenvölkchen in der Äußeren Vorstadt für. Hier tobt das pralle authentische Leben, auferstanden aus Ruinen wird hier jeden Tag wahr, Studenten, junge Familien, unglaublich viele Kinder, Alteingesessene, Rentner, Straßencafés, Kneipen, Restaurants mit Küchen aus aller Herren Länder, viel Bio-, Öko- und Veganer-Zeugs darunter, eine noch funktionierende Nahversorgung mit kleinen, Inhaber-geführten Geschäften, auch die Rauschmittelnahversorgung ist dem Vernehmen nach vorzüglich, und bis das Merkel-Regime die Republik mit Landnehmern flutete war es auch gänzlich friedlich in der Neustadt. Dass die Neustädter Elbseite die „richtige“ ist wird ferner dadurch belegt, dass alle drei Restaurants mit einem Michelin-Stern, die es in Dresden gibt, auf der Neustädter Seite liegen. Quod erat demonstrandum. Für die Touristenscharen auf der Altstädter Seite genügt einfachere Kost.

Anders verhält es sich bei Hotels, die befinden sich nämlich fast alle auf der Altstadtseite, klar, da sind ja auch die Touris. Auf der Neustädter Seite gibt es das kontinuierlich herunterkommende DDR-Vorzeige-Konferenz-Zentrum Bellevue, nach der Wende ein Maritim, zwischenzeitlich nur noch ein 4 Sterne Westin, dann die alte Räuberhöhle Rothenburger Hof, das freakige Backstage, ein ordentliches Motel One, und natürlich das erste Haus am Platze, das Bülow Palais an der Dreikönigskirche, das das zwischenzeitlich vom Massentourismus überrannte Kempinski Taschenbergpalais mit seinem Schandfleck des „echt sächsischen“ Paulaner Bierkellers und Patzern an allen Ecken und Enden – allen voran die unsägliche Karl-May-Bar als Bar-gewordener Riesen-Dauer-Patzer – um Meilen abgehängt hat. Die Anfahrt zum Bülow Palais durch die renovierte Königstraße ist hübsch, die Hotelvorfahrt nicht zugeparkt, Page für Gepäck und Wagen rasch zur Stelle, eher intimes Vestibül denn pompöse Hotelhalle, zügiges, höfliches Einchecken, Anreden mit Namen und Titel, vorbereitete Unterlagen, Begrüßungs-Crémant, Begleitung zum Zimmer durch eine freundliche Rezeptionistin, Messing und Spiegel im Lift tadellos poliert (eine der Nagelproben für Hotels, das Zeugs ist so schnell wieder verbatzt, da kommt man kaum mit dem Putzen nach), das normale Zimmer – keine Suite – deutlich größer als so manche Dreiraum-Wohnung, geräumiges, Marmor-gefliestes Tageslichtbad, dicke Frottee-Handtücher und -Bademäntel, No-Name Pflegeprodukte, separate Toilette, großer Schreibtisch, komfortable Sitzgruppe, wertige Echtholz-Möbel, geräumige Schränke, flauschiger Teppichboden, gutes Lichtdesing, schwere Vorhänge, geräuschlose, effektive Klimaanlage, Kaffeemaschine (allerdings eine der verfluchten Kapsel-Maschinen, eine unnötige Umweltsünde sondergleichen), Minibar, großes Bett samt Teddy, viel zu weiche Matratze (vielleicht für die Prinzessin auf der Erbse geeignet, nicht aber für mich gestandenes Mannsbild), Tresor (ohne Stecker), höllisch schnelles W-LAN, großer Flatscreen, Aufdeckservice, Schuhputzservice (findet man auch immer seltener), „persönliches“ Begrüßungsschreiben des Hoteldirektors, frisches Obst, im Haus ist das Bülow Bistro allemal eine unspektakuläre, aber sichere kulinarische Bank, der ehemalige Barkeeper Sebastian Wachs hat das Bülow Palais zwar leider verlassen, aber geben wir dem Neuen, Johannes Leypold, eine Chance, vor dem Gebäude sitzt man nett mitten auf der Königstraße im Freien, innen gleicht das Erdgeschoss eher einem großen, gemütlichen Wohnzimmer mit schweren Möbeln und irgendwo dem Esszimmer … das alles ist tadelloser oberer Fünf-Sterne-Standard, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Aber.

Beim letzten Besuch wurde es wirklich auffällig das erste Mal des Nachts in der Hotelbar.

  • Auf dem Tresen stehen Silberschalen voller Knabberzeugs mit Löffel, die man den Gästen zu den Drinks reicht. Eine der Service-Mitarbeiterinnen kommt zur Theke, greift mit der bloßen Hand in die Schale und pfeift sich von dem Knabberzeugs rein. Jetzt mögen dialektisch geschulte Mauermörder-Parteigänger gemeinsam mit christlichen Gutmenschen auf mich eindreschen, ich gönne dieser armen, hart arbeitenden Frau die paar Nüsslein nicht, dieweil ich Kaulquappen-gleich in meinem Lederfauteuil an meinem Martini nippe, aber darum geht es nicht. Als Gast soll ich das Silberlöffelchen benutzen, um mir Knabberzeugs aus der Schale zu nehmen, die Service-Mitarbeiterin hingegen fasst Stühle, Drinks, Wechselgeld, Flaschen in unterschiedlichsten Abfolgen an und langt mit ihren ungewaschenen Pfoten dann in aller Öffentlichkeit in die Schale. Nein Danke.
  • Beim Servieren der nächsten Runde Drinks stellt später der Keeper das neue Glas auf mein total durchgeweichtes Papier-Deckchen, statt ein Neues zu spendieren.
  • Es gibt weder Bareis noch gekühlte Cocktailgläser, sondern nur halbgeschmolzenes Eis aus dem Plastik-Thermobehälter auf dem Bartresen, aus dem die Crew um Johannes Leypold versucht, akzeptable Drinks zu kreieren, was natürlich nur sehr bedingt gelingen kann.
  • In den hinteren Räumen des Hauses wird des Nachts die Technik einer BMW-Kundenveranstaltung abgebaut; obwohl es vor der Bar einen Seitenausgang zur Rähnitzgasse gäbe, fahren die Techniker mit Karren und Hubwagen grad mit Fleiß quer durch die gut besuchte Bar: ausgesprochen gemütlich.
  • Im WC fehlen über eine Stunde frische Handtücher – weder Stoff noch Papier –, bis irgendwer sie endlich auffüllt.
  • Sonntagmorgen beim kollektiven Auschecken der Wochenendgäste sind gerade Mal zwei Rezeptionistinnen und ein Page anwesend, was zu sehr langen Wartezeiten bei Gepäck und Fahrzeugen führt.
  • In meinem Zimmer blinkt des Nachts wohl ein Router hinter dem Schreibtisch mit einer Helligkeit, der mich zuerst an Blaulicht vor dem Fenster denken lässt. Da ich mir das W-LAN nicht abdrehen will, werfe ich schlaftrunken ein Handtuch auf den Router und bitte am nächsten Morgen bei der Rezeption, das Problem zu beheben. Am Abend ist das Problem dann gewisser Maßen behoben: das Handtuch ist weg und der Router blink wieder munter, also neues Handtuch, selbes Spiel, drei Tage lang.
  • Am besten werden all diese kleinen Unzulänglichkeiten – jede einzeln vielleicht zeihlich, nicht aber in dieser massiven Anhäufung – deutlich an der Rose in meinem Bad: bei der Anreise schmückte eine wirklich schöne, große, in voller Blüte befindliche Rose das Bad. Das habe ich sehr wohl zur Kenntnis genommen und mich sehr darüber gefreut. Nach ein paar Tagen war die Rose nicht nur nicht mehr frisch, sondern verwelkt, in sich zusammengefallen, Blätter verlierend. Auch das habe ich sehr wohl zur Kenntnis genommen und war sehr traurig darüber, ich mag Blumen nämlich. (Koinzidenz der Ereignisse: die letzte so verwelkte Badzimmer-Rose hatte ich ausgerechnet im Grandhotel Heiligendamm. Da wollen’ses am Anfang ganz besonders hübsch machen und versemmeln’s über die Strecke.)

Acht Spiegelstriche, wahrscheinlich fielen mir noch mehr ein, wenn ich akribisch und vor allem pedantisch nachgrübelte. Aber ich bin kein Pedant, auch wenn man anderes vermuten mag. Bei 300 und mehr EURO pro Nacht ist so etwas nicht mehr akzeptabel. Bei früheren Besuchen im Bülow Palais sind mir solche Patzer nicht aufgefallen, schon gar nicht in so massiv gehäufter Form. Ich würde sagen, in dem Haus zieht langsam der Schlendrian auf hohem Niveau ein, und Fische stinken immer vom Kopf her, da fehlt’s wohl an Anleitung und an Kontrolle, der überforderte einzelne Page ist da gewiss nicht schuld.

Bülow Palais, Dresden, Sachsen

Und das einsame Bärlein ebenfalls nicht.

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to Top