Auf der Suche nach der Deutschen Gastronomie: XIV. Der Butt in Jever

Tag 6: Bremen – Bensersiel, 140 Kilometer, 2 Stunden Fahrtzeit, Übernachtung im Hotel Vier Jahreszeiten am Yachthafen in Bensersiel, Lunch im Butt in Jever


Von Bremen fahren wir nicht direkt Richtung Jever, sondern östlich die Weser hoch, mit der vorletzten Fähre bei Brake setzen wir über, Varel lassen wir liegen, durch Wilhelmshaven (benannt nach dem kriegstreiberischen Sohn des Namensgebers der Speisewirtschaft in Bremen) fahren wir aus nostalgischen Gründen einmal durch, das Kaff ist noch immer elend, hier kann bei den Männern die Sehnsucht nach dem Meer einfach entstehen: bloß weg hier. Jever ist hübsch, hübsch, mehr auch nicht, Horden durstiger Touristen, die die Brauereischenke suchen (und nicht finden, alldieweil es keine gibt, hähä). Weitaus wichtiger, dass die Touristen den Butt nicht finden, eigentlich ganz zentral an der Fußgängerzone zwischen Schloss und Brauerei gelegen, aber wohl versteckt und nicht beschildert in einer kleinen Seitenstraße, man muss wissen, dass man den Butt sucht, sonst landet man mit den anderen Touristen im Schwarzen Adler, im Haus der Getreuen, im Stadthotel oder gar in der Taverna Jever … und das ist gut so. Und dennoch. „Also ne, beim besten Willen nicht, ohne Reservierung geht heute gar nichts mehr …“ sagt uns die Bedienung bestimmt-freundlich-gestresst-genervt mit friesischem Zungenschlag, als wir gegen 12:00 Uhr unangemeldet nach einem Tisch fragen. „Aber … extra aus Süddeutschland … immer hier … seit mein Sohn in Willhelmshaven stationiert … habe meiner Freundin so von Euren Nordsee-Seezungen und Bratkartoffeln vorgeschwärmt …“ Mein bettelndes Gestammel zeigt Wirkung: „Wo war Ihr Sohn denn? Einsatzflottille oder Bürohengst?“ „Müssten Sie doch noch wissen, wir waren ja oft genug hier und Ihr habt gefachsimpelt. Mein Sohn war der SanGast auf der Fregatte Sachen.“ „Die, die sich selber versenkt hat?“ „Nicht gerade versenkt, aber so ein Rohrkrepierer ist auch nicht lustig. Aber mein Sohn war‘s nicht.“ „Na gut, dann kommt mal um viertel nach Eins, da müsste ich dann was frei haben.“ Ich wusste schon immer, dass es mal zu was gut sein würde, das Kind zum Bund zu schicken. Nach einem ausgiebigen, lustlosen Zwangsbummel durch Jever stehen wir um Punkt 13:15 Uhr wieder auf der Matte. Vor dem roten Backsteinhaus eine nette Terrasse, sogar mit Strandkorb, die Einrichtung innen unprätentiös, schlicht, modern, keine Patina eines jahrhundertealten Gasthauses, Dielenimitatfußboden, helle Wände, große Fenster, die viel Licht hineinlassen, bunte Vorhänge, blanke Gastro-System-Möbel, Papierservietten, Pressglas, einfaches Porzellan und Besteck, kein Küchen- oder Fischgeruch, kein überbordender maritimer Deko-Kitsch, aber ein großes Gemälde eines Butts, alles in allem ein freundliches, unkompliziertes Ambiente ohne Schwellenangst oder Benimm-Zwang, hier is(s)t man gerne. Hier werden seit Jahren keine kulinarischen Großtaten vollbracht werden, sondern in dem auf immer gleichbleibendem, fast perfektem, aber simplem, unverfälschtem, althergebracht-traditionellem, nicht zwanghaft kreativem Niveau Fische und anderes Meeresgetier gebraten, gekocht und gedünstet werden, dazu ein paar Suppen und Vorspeisen (meist ebenfalls mit Meeres-Bezug), frische Salate, ordentliche Schnitzel und Steaks … und Bratkartoffeln zum Niederkien, wie sie halt nur die Norddeutschen hinkriegen. Hier werden keine Rotbarbenfilets mit krossen Artischockenchips auf pikanter Paprikasalsa mit Basilikum, Paprikanage mit Rotbarbenleber und Sherryessig, angeboten, kein sautierter Langostino mit Knusperoliven, gebratenem Fenchel und Pastis, und auch kein confierter Kabeljau mit Pulpo, Auberginen, Ricotta und Safransauce. Hier werden fangfrische Kutterschollen, Nordsee-Steinbutte oder die seltenen Nordsee-Seezungen (eine Delikatesse für sich und nicht vergleichbar mit ihren großen Vettern aus dem Atlantik) leicht bemehlt in Butter frisch gebraten, und das so perfekt, dass der Fisch zwar gerade durch ist, aber an der Mittelgräte noch rosa, dazu Holländische Matjes Hausfrauenart, nicht in einer Konservierungsmittel-triefenden Fertigsauce, sondern in selbst gemachter Schmandsauce mit Äpfeln und Zwiebeln, handgepulte Greetsieler Krabben mit Kräuterrührei aus frischen Kräutern, zum in Weißwein gedünsteten Schellfisch eine hausgemachte Senf-Schnittlauch-Rahmsauce, sogar Grüne Heringsfilets in Senfkruste, selbstgemachten Labskaus oder Muschelragout. Und wenn ein Fisch aus ist, dann ist er aus, da gibt’s keine Tiefkühltruhe, aus der man Nachschub holen könnte, dann ist dieser Fisch eben aus. Die Salate sind nicht aus dem Sauerkonserveneimer, sondern der Jahreszeit gemäß, gut geputzt, die Dressings selbstgemacht, die Schnitzel groß und tadellos, (und nicht in der Fischpfanne gebacken), die Steaks auf den Punkt, in der Saison gibt’s auch mal Spargel oder Grünkohl, die Nachtische allerdings aus dem Tiefkühler. Zu trinken gibt’s – was sonst – frisch gezapftes Jever, dazu eine kleine, mit Verstand zusammengestellte, Weißwein-lastige Weinkarte.

Natürlich ordern wir Nordsee-Seezunge, die steht zwar eigentlich nicht auf der Mittagskarte, aber Andreas Witte ist gnädig und haut uns außerplanmäßig ein paar der begehrten Fischlein in die Pfanne. Viel zu sagen bleibt da nicht: Seezungen frisch, frischer geht’s nicht, leicht mehliert, in frischer Butter gebraten, an der Gräte noch rosa, einfach und einfach perfekt, so muss Fisch, ohne Schnick und ohne Schnack. Gurkensalat in Sahne und gemischter Salat tadellos, Bratkartoffeln zum niederknien, diese perfekte Spiel aus guter Kartoffelsorte, selbst fast weich gekocht und geschnippelt, einen Tag stehen lassen, und dann leicht mit einer Geschmack-unterstreichenden Fettschicht überzogen, leicht gebräunt und an manchen Stellen leicht knusprig. Ich will mal so sagen: perfekte Bratkartoffeln sind weitaus schwieriger in der Zubereitung und erfordern mehr handwerkliches Können als etwa eine Foie gras. Punktum.


Der Butt
Fischrestaurant & Wohlfühllokal
Andreas Witte
Kattrepel 2
D-26441 Jever
Tel.: +49 (44 61) 9 18 78 92
E-Mail: info@der-butt-fischrestaurant.de
Internet: www.der-butt-fischrestaurant.de

Hauptgerichte von 9,90 € (Grüne Heringe mit Kartoffeln, Buttersauce und Salat) bis 24,50 € (Nordsee-Seezungen oder ganzer Butt mit Kartoffeln, Buttersauce und Salat), Drei-Gänge-Menue von 17,40 € bis 46,50 €

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to Top