Nicht nur die vermaledeiten Spritmultis Diageo, Pernod Ricard, Bacardi und Kumpane sollten Gins industriell in großem Maßstab herstellen (bzw. Gin-Hersteller aufkaufen und stream-linen) und mit ihrer Marktmacht in Bars und Verkaufsregale pressen; nicht nur windige Marketing-Bubis sollten bar jeglicher Brenner-Erfahrung Phantasie-Gins mit fragwürdigen Qualitäten, aber gigantischen, meist abstrusen bis albernen Verkaufsmärchen drum herum kreieren, produzieren und online in den durstigen, dummen Markt drücken; natürlich ist es ebenfalls wichtig, dass jedes Land, jede Region, jede Stadt, jedes Dorf und natürlich jede Insel wenigstens einen eigenen Gin vorweisen kann, um die Abstrusität vollends auf die Spitze zu treiben. Ich persönlich würde ja dafür plädieren, dass wir wieder Zustände wie in London des 18. Jahrhunderts herstellen, wo angeblich in jedem fünften Haus eigener Gin gebrannt und in 7.000 Gin-Shops ausgeschenkt wurde (das waren nur die offiziellen Zahlen, mit Schwarzbrennern und unlizensierten Kneipen waren es wohl nochmals deutlich mehr), um den Bedarf von 100 Litern Gin pro Person und Jahr oder 2 Litern pro Woche sicherzustellen, nur die damit einhergegangene Kindessterblichkeit von weiland 75% in den ersten fünf Lebensjahren, die bräuchte es ja nicht gerade wieder. Nichtsdestotrotz, wo es vor 30 Jahren kein halbes Dutzend Gin-Sorten in Deutschland käuflich zu erwerben gab, sind es heutzutage Tausende, und täglich kommen neue hinzu, ich weiß wirklich nicht, wer dieses Zeugs alles säuft (ich begnüge mich ja zumeist mit reinem Kosten), ob das ein Wachstums- oder ein Verdrängungsmarkt ist, jedenfalls scheint es immer noch ein lukrativer Markt zu sein. Nicht, das ich etwas gegen regionale, individuell, handwerklich gefertigte Lebensmittel hätte, ich feiere jede neu eröffnete lokale Käserei, Bäckerei, Brauerei, … – you name it –, und natürlich gibt es unzählige kleine Brennereien und Höfe mit alten Brennrechten, die ganz unterschiedliche, manchmal grausame, manchmal extrem leckere Schnäpschen aus lokalen Zutaten nach lokalen Rezepturen destillieren, und das ist gut so. Aber diese Produkte bleiben eben in der Regel regional, von wegen zero kilometers und so, und auch das ist gut so, ein paar exzeptionelle Produkte schaffen es vielleicht irgendwann man auf die internationale Bühne, aber das allein wegen ihrer herausragenden Qualität und nicht wegen irgendwelcher teuren Marketingsperenzchen, die wir als Konsumenten – auch das sollte man niemals vergessen – immer zu 100% mit bezahlen, den Werbe- und Vermarktungsdreck, den zahlen nicht die Hersteller und Konzerne, den zahlen wir.
Aus Madeira kommt nun seit letztem Jahr ein Gin namens Canning’s, hergestellt von einem Filipe Canning Clode aus einem Familienunternehmen namens Companhia Nova de Aguardente, ein typischer New Western Style Gin, einer von diesen „everything goes“, nur leichte Wachholdernote (auf Madeira wächst lediglich Zedernwachholder, ich wüsste zu gerne, ob der zur Gin-Produktion taugt oder ob der Wachholder dazu importiert wird), dominante, ziemlich exotisch-süßliche Töne von Kirschmyrte (eigenwillig, das hatte ich wirklich noch nicht im Gin), Passionsfrucht, Minze, insgesamt aber bleibt das Geschmackserlebnis bei 40% Alkohol sehr flach, im Abgang „verdampft“ der Gin quasi. Dass es Canning’s Gin notwendig hatte, 2018 beim bezahlten Internationalen Wein- und Spirituosenwettbewerb mitzumachen und dort eine „Goldmedaille“ einzuheimsen (Wie viele der eingereichten Spirituosen werden dort doch gleich prämiert? Waren es nicht fast alle?) spricht aus meiner Sicht nicht gerade für das Produkt, das sich mit 43 EURO für den Liter durchaus im mittleren Marktsegment tummelt. So sehr ich Portugal, Madeira, kleine Brennereien und exotische Produkte schätze, diesem Gin würde ich mal keine große Zukunft voraussagen …
Naja, nur weil es nicht Ihrem Geschmack entspricht….?
Dieser Gin ist einer meiner absoluten Lieblinge.
Und man kann ihn außerhalb von Madeira nur schwer bekommen (es gibt nur einen einzigen Onlineshop der außerhalb von Portugal liefert soweit ich weiss).
Also nix mit großem Marketing usw.
Geschmackssache 🙂
Kein Gin für Wacholderbombenliebhaber, aber trotzdem sehr gut. Aber, wie bei allem, Geschmackssache.