Zum letzten großen Dinner bei uns mit den genialen Garnelen und Ente-Ente-Ente hat mir einer der Gäste einen Gin mitgebracht, Voluptas geheißen, in Bad Wörrishofen von einem Herrn Simon Seemüller, Gründer der CS Spirituosen Manufaktur kreiert, die bis dato nur Rums und Obstbrände feilbot. Sieben Botanicals werden für den Voluptas in Basis-Alkohol mazeriert, Wachholder, Kreuzkümmel, Ginseng, Maca, Ingwer, Zimt, Zitrone, es gibt keine weiteren „geheimen“ Zutaten, wie es sonst bei Gins geheimniskrämerisch-nebulös meist der Fall ist. Jede Flasche ist von Hand mit Jahr und Flaschennummer beschriftet, also small batch und so. Was dabei herauskommt, ist ein Gin mit kräftigen 43 Prozent, sehr süß, keine klare Wachholder- oder sonstige dominante Geschmacksnote, man könnte jetzt von harmonischem Zusammenspiel der Botanicals sprechen, man könnte aber auch von einem ausdruckslosen Einheitsbrei sprechen, ich tendiere eher zu zweiterem. Mit 47 EURO für den Liter versucht der Voluptas durchaus, in der mittleren Gin-Liga mitzuhalten, aber bei der Süße ist das kein London Dry Gin, noch nicht einmal ein Dry Gin, sondern nur ein New Western Style „Everything goes“-Gebräu. Geschmacklich erinnert der Voluptas an den unsäglichen Malacca von Tanqueray, ist allerdings nicht so komplex-kräftig, sondern eher dezent-zaghaft in der Aromatisierung, obwohl er mehr Umdrehungen mitbringt. Zum Mixen von Martini Cocktails taugt er jedenfalls nicht wirklich, vielleicht noch für einen Gin Tonic, aber nicht mit einem 08/15-Tonic Wässerchen wie Schweppes, Thomas Henry oder dieses unsägliche Fever-Tree, sondern eines mit sehr kräftigen Chinin-Note wie etwas Ledger’s, Syndrome, Weisswange oder 1724. Voluptas ist sicherlich geeignet, junge Damen (Verzeihung für das Klischee) an Gin heranzuführen und einmal herangeführt trunken zu verführen, ansonsten hat er für mich nichts in einer Hausbar verloren.
Aber diese Verführung-Nummer ist tatsächlich die USP des Voluptas Gin, Voluptas stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Lust, Vergnügen, Genuss, bei den alten Römern speziell die sexuelle Lust, sogar mit einer eignen Göttin, Volupia, Hedone nannten sie die Griechen. „Voluptas weckt Sinneslust“ lautet der Claim, und weiter schreiben die Macher des Gins: „Dieses Jahrtausende alte Wissen um die aphrodisierende Wirkung durch Kräuter und Gewürze wurde nun von drei Professoren wieder entdeckt.“ – was natürlich vollkommener Stuss ist, Liebestränke auf Pflanzen- und Alkoholbasis gab und gibt es zu allen Zeiten, von den Assyrern bis heute, und nicht wenige Leute – vorwiegend Frauen – sind just deswegen auf dem Scheiterhaufen gelandet. Aber trotzdem, ganz nett dieser USP, meist werden neue Gins ja mit der Geschichte vom Jahrhunderte alten Familienrezept eingeführt, oder bei den New Western Gins mit irgendeinem regionalen Kräutlein, Hopfen in München, Waldmeister in Berlin. Was die Macher des Voluptas Gins nicht erwähnen oder nicht wissen, in der christlichen Tradition ist Voluptas die Verkörperung einer der Sieben Todsünden, nämlich der luxuria oder Wollust. Bei Franz von Lenbach sah die Volupia ja recht nett aus, wenngleich ich nicht weiß, ob sich die junge Dame den Kopf gedankenverloren, glücklich entrückt hält, oder ob ihr gerade die Schädeldecke wegfliegt, vielleicht weil sie zu viel süßen Gin getrunken hat.
Etwas anders sah Pieter Brueghel allerdings die Voluptas, und ich weiß nicht, ob die Namensgeber des Gins dieses Image auch für ihr Produkt tatsächlich wollen.