Das einzige 5-Sterne-Hotel in Brescia ist das Vittoria, und das wirbt im Hochsommer mit Übernachtungen, Frühstück und Parken für 69,50 € (pro Zimmer, nicht pro Person). Für ein Innenstadt-Hotel eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Anfahrt zum Hotel mitten in der Innenstadt von Brescia, wunderschön und zentral direkt zwischen Fußgängerzone und Domplatz gelegen, ist abenteuerlich, sicherlich ein halbes Dutzend Gesperrt-Schilder muss man überfahren, um zum Hotel zu gelangen; aber alles kein Problem, beim Ausschecken erhält man ein Schreiben mit Autonummer und Datum, und sollte die Stadtverwaltung von Brescia nach dem Urlaub einen Strafzettel wegen unerlaubten Fahrens in der Innenstadt schicken, dieses einfach mit einer Kopie des Schreibens zurück an das Hotel schicken, die sorgen dann dafür, dass der Strafzettel verschwindet (not kidding, wurde uns beim Auschecken so erklärt und ausgehändigt). Page, Doorman, Wagenmeister, Fehlanzeige, man parkt bei der Anreise etwas verunsichert in zweiter Reihe und huscht zum Einchecken in’s Hotel. Halbe aufgeklappte kleine Drehtür als Eingang, kleine Marmorhalle, keine Blumen, links ein verwaistes Cafe/Bistro/Bar, rechts ein ungleich verwaisteres Restaurant, um das Gepäck muss man sich selber kümmern, immerhin parkt ein Junger Mann den Wagen in der Nähe in einer öffentlichen Garage und versichert, man werde das Auto jederzeit sofort wiederbekommen, wenn man nur danach verlange. Es gibt tatsächlich Zimmer für 69,50 € mit Frühstück, allerdings kleine und mit Blick in den Hof – aber was soll’s, bei einem fast geschenkten Gaul …
Gaul oder Schindmäre? Gepäck muss man selber auf’s Zimmer tragen. Für die 65 Hotelzimmer auf 5 Etagen gibt es gerade mal einen kleinen, uralten, beängstigend quietschenden und knarzenden Lift mit einem versyfften Teppichboden, vor dem es jeden Straßenköter grausen würde, wollte man ihn darauf setzen; die Messing-Schalttafel im Lift matt und teilweise angerostet, dort, wo einmal der Knopf für das Kellergeschoss gewesen sein muss nur noch ein leeres Loch mit einigen Kabeln darinnen, spärlich verschlossen mit zwei darüber geklebten Tesa-Streifen. Das Zimmer klein, Matratze ok, aber das Metallbett quietscht, dass sich jedwede zwischenmenschliche Annäherung strikt verbietet, Flecken und Streifen von Koffern an den ehemals weißen Wänden, abgefallener Putz und Schmutz am Boden in den Zimmerecken, verrostete Heizung, uralte Sanitäranlagen, zerbrochene Badezimmerfliesen aus denen eine rostige Masse quillt, Schrankbretter mit Packpapier ausgelegt, … t.b.c. Restaurant im Hotel wie erwähnt verwaist, Café/Bar unter den Arkaden sehr spärlich besucht, die spektakuläre Dachterrasse im 3 ½ Stock, für die das Vittoria mal berühmt war, gänzlich geschlossen, das Frühstück sollte ab 07:00 serviert werden, gegen 07:10 kamen die ersten Kellner, gegen 07:20 dann die Backwaren, aber das Frühstück selber mit Eierbrater, frischem Obst, Wurst-/Schinken-/Käse-Auswahl, Säften usw. ziemlich OK. Und die Lage des Hotels absolut mitten in der Innenstadt, keine 5 Gehminuten von den beiden Domen Brescias entfernt, ist spektakulär, das muss zugestanden sein.
Alles in allem, sicherlich längst kein 5-Sterne-Haus mehr, für mich auch keine 4 Sterne, das Vittoria in Brescia ist für mich ein solides, in die Jahre gekommenes 3-Sterne-Gasthaus mit Ambitionen, massivem Investitionsstau und phantasielosem Management, und bei der Lage sind dann 69,50 € kein Schnäppchen, aber ein fairer Preis.