Postsozialistischer Größenwahn: 3 Sterne sind keine 5, auch wenn Amis und Asiaten dafür bezahlen

Krumau ist ein wunderbares, historisches Städtchen in Tschechien, gelegen an der oberen Moldau, eingebettet in zwei Flussschleifen, überragt von einer Burg mit mächtigem und bunt-prächtigem Turm, mit komplett erhaltenem altem Stadtkern samt uralten, steinernen Brücken und Kopfsteinpflaster auf den Straßen, an den Stadt-Rändern in triste sozialistische Plattenbausiedlungen und schmucklose Einfamilienhäuschen übergehend, auf dem Fluss im Sommer Heere von Schlauchboot- und Kanufahrern, am Ufer reiht sich Restaurantterrasse an Restaurantterrasse, ebenso am historischen Marktplatz, kaum ein Haus, in dem nicht ein Restaurant, Hotel, Souvenier-, Kitsch- oder Andenkenladen, Café, Museum oder sonstige touristische Infrastruktur untergebracht wäre, um den Heerscharen von Touristen aus aller Welt, vorwiegend aus Asien anscheinend, das Geld reichlich aus den Taschen zu ziehen, Einheimische sind so gut wie nicht auf den Straßen zu sehen, nur als Bedienungen und Verkäufer in den Restaurants und Geschäften, alles in allem ein künstliches Disneyland in authentischer Kulisse, in dem – außer den Gemäuern – nichts, aber rein gar nichts echt ist.

Das Hotel Ruze (Tschechisch für Rose) liegt mitten in der historischen Innenstadt von just diesem Krumau in einem ehemaligen Jesuitenkolleg aus dem 16. Jahrhundert direkt hoch über der Moldau. Schon die Anfahrt über eine alte Steinbrücke über den Graben der Stadtbefestigung quer durch die engen Altstadtgassen (Fußgängerzone!) ist schön, aber abenteuerlich und eben eng. Das Ruze gibt vor, ein 5-Sterne-Haus zu sein. Bei der Ankunft: Doorman – fehlt, Page – abwesend, Wagenmeister – nicht da. An der Rezeption gefühlte fünf Minuten Wartezeit, in der die einzige Rezeptionistin eine Reiseleiterin einer asiatischen Touristengruppe bedient, während zwei Asiaten (kein Rassismus, war halt so), in der kleinen, alten, hallenden Halle gleichzeitig wie blöde in ihre vor’s Gesicht gehaltenen Mobile Devices plärren und dabei anscheinend Skypen (warum sagt den Menschen niemand, dass der Fernsprecher bereits erfunden wurde und man nicht mehr mit purer Stimmkraft bis nach Asien schreien muss?). Schließlich erklärt die Rezeptionistin in gebrechlichem Englisch (Deutsch: Fehlanzeige) während des Eincheckens, man möge sich doch selber um sein Gepäck kümmern und (gefälligst) den Wagen aus der Fußgängerzone wegfahren; erst nach wiederholtem bösem Knurren des bald nicht mehr geneigten Gastes lässt sie sich herab, per Telephon einen jungen Mann herbeizurufen, der sich nach wiederum längeren Wartens des Autos und des Gepäcks annimmt.
Von innen ist das Gebäude des Ruze ordentlich und sanft renoviert, unter Beibehaltung der ursprünglichen Bausubstanz und Gliederung (ein Kolleg bietet sich nun mal auch ohne große bauliche Veränderungen als Hotel an), mit vielen alten (zweites Drittel des 19. Jahrhunderts, Historismus schätze ich) Möbeln und Devotionalien, wirklich nett-historisierend. Wir hatten ein wohlfeiles Zimmerchen unter’m Dach, (120 € für DZ/ÜF ist bei 5 Sternen eigentlich ein Schnäppchen, selbst für die heutige Tschechei, wenn es denn mal 5 Sterne wären), düster mit einem winzigen Fensterchen (aber, wenn man sich weit genug vorbeugte, immerhin mit Blick auf die Moldau), Raum keine 20 qm, kein Schreibtisch, Doppelbett in einer Nische, von einer Seite auf vielleicht 50 cm gebückt unter der Dachschräge zu erreichen, auf der anderen Seite Wand, also Ein- und Ausstieg nur über’s Fußende, gute Matratzen, kleines Bad, ganz ok, aber Schimmel in den Fliesenfugen, freies W-Lan war mal da, mal weg, meist aber weg, so dass ein ordentliches Abarbeiten der Emails oder so nicht möglich war, … (Sei’s drum, nicht nur einem geschenkten, auch einem wohlfeilen Gaul sollte der geneigte Krittler nicht allzu tief in’s sprichwörtlich Maul schauen.)
Herrlich die Hotelterrasse 20 Meter direkt über der Moldau mit Blick über Teile der Stadt, die umliegenden Hügel und den Fluss, auf dem im Minutentakt Paddelboote und andere Schwimmgeräte mit Touristen vorbeizogen. Noch schöner wäre diese Terrasse, wenn nicht ständig knipsende, glotzende und lärmende Nicht-Hotel-Gäste von dem Markt mit Kitsch- und Touristen-Nepp-Ständen, die im Innenhof des Hotels aufgebaut sind, quer über die Terrasse latschen würden; und noch-noch schöner wäre diese Terrasse, wenn es eine Bedienung mal nötig hätte, nach Getränkewünschen zu fragen, bevor man an der Hotelrezeption reklamiert (weil sonst kein Mitarbeiter sichtbar). Die Karte des bombastisch angepriesenen Hotelrestaurants ein Trauerspiel aus internationalem Steak-, Grill- und Salat-Einerlei, nichts Landestypisches (obwohl die tschechische, speziell die böhmische Küche genial ist und wahrscheinlich mehr zur Hochküche zählen sollte als die Französische), perfekt ausgerichtet auf lokal-resistente US-amerikanische Gäste, die ihr Welt-Einerlei-Fressen haben wollen; und trotzdem war das Lokal des Abends gänzlich leer. An der Rezeption nach einem landestypischen Restaurant gefragt, schickte man uns sogleich in’s 4-Sterne Schwesterhotel Old Inn am Marktplatz, und tatsächlich fanden sich dort Svickova, Böhmische Klöße und Liwanzen auf der Speisekarte – nur leider schließt das Haupt-Restaurant des Old Inn am Sonntag Abend um 18:00 Uhr, und man wird stattdessen in die hauseigenen Katakomben – tatsächlich tief unter der Erde an einem wunderschönen August-Abend – verwiesen, und dort fanden wir … ein Trauerspiel aus internationalem Steak-, Grill- und Salat-Einerlei.
Erwähnenswert sicherlich noch das Frühstück (man erinnere sich: 5 Sterne) im Ruze. Eingedeckt ist in den dunklen Restaurant-Räumen, der Gast kann auf der – direkt daneben gelegenen – herrlichen Terrasse frühstücken, sofern er sich selber eindeckt und behilft. Drinnen lungern drei Kellner um das Frühstücksbuffet, ohne wirklich was zu tun zu haben, draußen stapeln sich das Geschirr und die Essensreste (umschwärmt von Wespen) von Gästen, die trotzdem auf der Terrasse gefrühstückt hatten; in Stundenfrist kommt keiner der drei Kellner auch nur auf die Idee, mal einen dieser Terrassen-Tische abzuräumen. (Uralter Kellner-Witz in Realität: „Nicht mein Tisch …“ Lenin und Marx lassen grüßen.) Kaffee muss man sich selber zapfen, verbratene Spiegeleier, eine gelbliche warme Eipampe, Würstel und Speck auf der Warmhalteplatte, pappiges Brot, labbriger Industrie-Toast, spärlich gekühlte Industrie-Wurst und –Käse (zum Glück nur in geringer Menge und Auswahl), kein frisches Obst, irgendwelche Joghurts, fette, daumengroße Zipfel von Wurst in einer Essig-Zwiebel-Marinade (sollte wohl Wurstsalat sein), dahinter übel riechende kleine Fischlein in einer milchigen Flüssigkeit, beides ungekühlt: dieses Frühstücksbuffet war nicht spärlich, nicht ärmlich, nicht karg, es war schlichtweg widerlich und abstoßend.
Alles in allem: von der Lage her, unschlagbar; vom Gebäude und den Zimmern her, 3 Sterne, mit viel gutem Willen vielleicht 4; vom Service her, maximal 3 Sterne, da bin ich in vielen Dorfgasthäusern besser, zuvorkommender, freundlicher und kompetenter bedient worden; um von Essen her, keine Sterne, sondern eher ein Fall für’s Gesundheitsamt. Fazit: so billig können 5 Pseudo-Sterne gar nicht sein, als dass es sich lohnen würde, nochmals in’s Ruze zu gehen.

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