Da fragt sich der Klein-Kritteler schon, ob man, ob er solch eine Hotel-Ikone wie die Traube in Tonbach überhaupt besprechen, geschweige denn kritisieren darf. Aber nur frisch heraus, natürlich darf man. Seit 1789 werden hier, im tiefsten Schwarzwald, Gäste bewirtet, die Großen, die Reichen und die Gourmets geben sich die Klinke in die Hand, selbst Franzosen entfliehen zu Hauf ihrer kulinarisch tristen Heimat, um mal richtig gut zu essen, die Eigentümer-Familie Finkenbeiner hegt und pflegt das Haus nicht nur durchgängig seit über 200 Jahren und ist quasi onmi-präsent im Tagesgeschäft, ständig wird investiert, renoviert, aus-, um- und angebaut, so dass her zwischenzeitlich eine – architektonisch mal mehr, mal weniger gelungene – Hotelbunkeranlage mit 153 Zimmern, Suiten und Appartement entstanden ist, dazu vier Restaurants, darunter die legendäre Schwarzwaldstube, das seit 1993 am längsten durchgängig mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant Deutschlands, die obligatorischen 19,5 Punkte gibt ihr der Gault Millau, die Köhler- und die Bauernstube bekommen je 16 Punkte, alles wohl Dank der nicht nur fleißigen, sondern auch weisen Leitung von Harald Wohlfahrt, der dem Hause seit 1980 treu verbunden ist, der hier die ersten Sterne erkochte und heute die Gastronomie leitet, statt in irgendwelchen Koch-Huren-Shows und als Werbelügner durch’s Deppen-Fernsehen zu tingeln, minderwertige Kochutensilien und -zutaten zu vermarkten, unter seinem Namen überflüssige Kochbücher schreiben zu lassen und wohlfeile Zweit- und Drittrestaurants zu betreiben… sondern der sich ganz einfach auf’s Kochen und die Leitung seiner Küchenbrigaden konzentriert (Danke, Harald Wohlfahrt), dazu Bar, Salons, Terrassen, ein für ein Hotel wahrhaft großes und luxuriöses SPA, teure Luxus-Schnickschnack-Geschäfte mit Modefummeln und Schmuck, aber auch einen großen Kinderspielbereich: das alles ist ganz großes Hotel-Theater mitten in wunderschönster Schwarzwald-Landschaft. Interessiert hätten mich natürlich Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, die Abschreibungen und die Personalkosten müssen immens sein, aber die Betreiber-Gesellschaft ist eine Familien-KG, Closed Shop, man kommt an keine einzige Zahl.
Angesichts der happigen Preise in der Traube – Kleines Degustationsmenue mit 5 Gängen 180 EURO, Großes mit 7 Gängen 225 EURO im Drei-Sterne-Restaurant, Übernachtung mit Frühstück für zwei Personen 250 bis 700 EURO – hatte ich bis dato hier vielleicht mal zu Mittag gegessen oder irgendwo in Laufentfernung ein wohlfeiles Zimmerlein genommen und des Abends ein kleines Menue geleistet. „Was bist Du denn für’n knickriger Schisser?“ hatte mich Caro gefragt, als ich am frühen Montagmorgen Termine in der Nord-Schweiz hatte und mit einer Stippvisite in der Traube am Sonntag zuvor, quasi als verlängerte Anreise, kokettierte. „Wir verbringen da jetzt das Wochenende!“, hatte Caro bestimmt, und ich bin gewiss nicht der Mann, der Caro in solchen Dingen widersprechen würde. Von München aus ist man in keinen dreieinhalb Stunden im Tonbachtal, wenn man vor der Alp von der A8 abfährt, damit Stuttgart und das am Freitag obligatorische Verkehrschaos umgeht und stattdessen über Land fährt, Caro brauchte von Frankfurt gut zwei Stunden, aber sie fährt ja auch wie der Henker. Am meisten beeindruckt hat mich wirklich die Tatsache, dass es keine Rezeption in der Traube gibt. Man fährt vor, vier Menschen stürzen sich förmlich aufs Auto, die Empfangs-Chefin im Dirndl mit Klemmbrett und Liste begrüßt aufs freundlichste, blättert in ihrer Liste und gibt Anweisungen. Der Page beginnt, das Gepäck aus dem Wagen zu räumen, der Wagenmeister bemächtigt sich der Autoschlüssel, die Empfangsdame überantwortet die neuen Gäste einer wartenden Hausdame, wieder im Dirndl, diese führt sodann freundlich und mit hilfreichen Erläuterungen und Hinweisen durch die – wahrlich verwirrenden und unübersichtlichen – Gebäudekomplexe, bei unserem Aufenthalt nochmals verwirrender und unübersichtlicher durch laufende Umbaumaßnahmen und zahlreiche Bauwände, irgendwo im tiefen Bauch der Bausubstanz leistet man an einem Counter rasch eine Unterschrift unter eine bereits komplett ausgefüllte Anmeldung – kein eigenes Ausfüllen dummer Formulare, kein misstrauischer Kreditkarten-Abzug, keine Ausweis-Kontrollen, … – und erhält einen Schlüssel, wird sodann ins Zimmer geleitet, Gepäck ist bereits da und ordentlich aufgereiht, dazu frisches Obst, Mineralwasser, ein paar Süßigkeiten vom Hause, man bekommt noch Elektrik und so erläutert, und schon ist man angekommen. Faszinierend, würde Mr. Spock sagen. Um es an dieser Stelle kurz zu machen: nahezu alles ist hier perfekt, Betten, Gardinen, Lichtdesign, iPads, Flachbildschirm, WLAN, Bäder, Handtücher, Bademäntel, Zustand der Möbel und der Teppichböden … sicherlich würde man auch hier was finden zum Kritteln, aber da müsste man schon lange suchen. Natürlich sind die preiswerteren Zimmer nach hinten zum Berg und haben nicht so eine hübsche Aussicht wie die nach vorne zum Tal, natürlich haben die Standard-Zimmer eine andere Möblierung und Größe als die Superior- und Deluxe-Zimmer, aber dafür sind sie ja auch preiswerter. Toll sicherlich das SPA mit zwei Innen- und einem Außenpool, zahlreichen Whirlpools, ausreichend Liegen und frischen flauschigen Handtüchern, Bar, sehr großem Sauna-Bereich, … dieses SPA ist größer und sicherlich luxuriöser als so manche öffentlich Therme, für die man allein schon 20 oder 30 EURO Eintritt für den halben Tag zahlt.
Ansonsten kann man Wandern im Tonbachtal, ganz viel Wandern, in der Umgebung gibt es schöne Golfplätze, der Breisgau, das Elsass und der Sundgau sind nicht weit, das Leben kann beschaulich sein allhier, beschaulich und fett. Ein hauseigener Shuttle-Service fährt die Fußkranken auch die Berge hoch oder zur hauseigenen Ausflugs-Blockhütte, für die Hotel-Hocker gibt es eine beachtlich bestückte, aber keinesfalls überteuerte Vinothek, Kochkurse, ein umfangreiches Sport-, Wellness-und Unterhaltungsprogramm und – das hat mich am meisten verwundert – sehr viele Angebote für Kinder jeden Alters, überhaupt sind recht viele Familien mit Kindern hier, Kinder, die sich fast durch die Bank weg benehmen können … komisch, woran das wohl liegt? In den Salons und Terrassen werden Kaffee, Kuchen und Snacks geboten, feine Herrschaften plaudern hier beim Nachmittagstee, zum Aperitif und des Nachts trifft man sich an der Hotelbar, wo Bernhard Stöhr seit 1984 der Chef ist, manchem vielleicht besser bekannt als Vorsitzender der Deutschen Barkeeper Union von 1996 bis 2012, dazu gibt es dezente Life-Musik, und bessere Herrschaften unter sich parlieren kultiviert. Im gesamten Gebäudekomplex ist stets unglaublich viel Hauspersonal unterwegs, Zimmermädchen, Pagen, Hausdamen, Reinigungskräfte, Kellner, Verwaltungsmitarbeiter, Hausdiener, dazwischen immer mal wieder ein Mitglied der Finkenbeiner-Familie (leicht erkennbar an dem markanten Kinn), alle sind – welch eine Seltenheit heute! – der Deutschen Sprache mächtig, und alle grüßen stets höflich; das hat Stil, aber wenn man auf dem Weg von Schwimmbad zum Zimmer das zehnte mal gegrüßt wird und zurück grüßt, dann ist das auf die Dauer ermüdend (andererseits, wenn sich das Hotelpersonal tumb und grußlos an mit vorbei drückte, würde ich ebenfalls motzen …). Am schönsten ist es aber für den Parvenü, sich auf der Straße vor dem Hotel aufzuhalten, die Traube selber hat zwar keine Terrassen oder Cafés an der Straße für Laufpublikum, das ist hier nicht erwünscht, alle Fazilitäten des Hauses sind ausschließlich Hausgästen vorbehalten, aber der Hausgast-Parvenü kann sich auf die Terrassen der umliegenden Hotels und Cafés setzen und von dort die Gaffer – und davon gibt es unglaublich viele – beobachten, die in’s Tonbachtal gefahren oder gelaufen kommen, um einmal diese deutsche Hotel-Ikone live zu sehen, nur viel sehen können sie nicht, außer dem gewucherten Hotelbunker am Berg, denn der Eintritt hinein wird ihnen – wenn sie es denn überhaupt wagen – von freundlichen, aber bestimmten Menschen an den Eingängen verwehrt: gaffen ist nicht, die feinen Herrschaften wollen eben unter sich bleiben. Und so kann sich der Hausgast-Parvenü auf der Terrasse des Nachbar-Hauses beobachtender Dings schelmisch freuen, dass er (oder sie) im Gegensatz zu den Abgewiesenen das Paradies betreten kann. Kurzum, die Traube bietet wahrlich fast alles, was man für einen entspannten und/oder aktiven Urlaub braucht (oder auch nicht braucht). Kein Wunder, dass es zahlreiche Langzeit-Gäste gibt, des Nachts sprachen wir an der Bar mit einem freundlichen, alten Bankiers-Ehepaar aus Frankfurt, die uns erzählten, dass sie seit Jahren den kompletten Frühling hier im Tonbach-Tal verbringen.
Aber eigentlich kommt man – kommen Caro und ich – ja vor allem zum Essen in die Traube, so schön, komfortabel und luxuriös Hotel ansonsten auch sein mag. Tja, und das Essen, das ist durchaus durchwachsen für das Level, würde ich mir zu sagen erlauben. Das Menue in der 3-Michelin-Sterne-/19,5-Gault-Millau-Punkte Schwarzwaldstube bei Küchenchef Torsten Michel ist ganz großes kulinarisches Theater mit allem Tam-Tam, der dazu gehört, der Artischockensalat zur geräucherten Rotbarbe sensationell, der Escabechesud zum Weißen Heilbutt für mich etwas zu sauer, der Kardamonjus zum phantastischen Pyrenäen-Lamm ein gelungener kulinarischer Coup, … dazu Kompositionen auf den Tellern, die Kunstwerken gleichen (weswegen ich das photographieren hier auch lieber gelassen habe, diese Kreationen dürften eindeutig unter das Urheberschutzgesetzt fallen, so kunstvoll, originell und schön, wie sie durch die Bank weg daher kommen), perfekter, aber dezenter Service unter der Leitung von David Breuer, Sommelier Stéphane Gass ist weit davon entfernt, vor allem teure Flaschen verkaufen zu wollen, sondern berät klug und zurückhaltend, sehr positiv ist mir aufgefallen, dass die opulenten Tischdekorationen von früher, sicherlich immer teuer, aber nicht immer geschmacks-sicher und z.T. sogar störend beim Essen, deutlich reduziert wurden. Und doch werde ich mich nicht dazu hinreißen lassen, dieses Menue fundiert kritisieren zu wollen, da sind die Geschmacksnuancen und die Kompositionen bei weitem zu fein für mein loses Schandmaul. Bis 2 Michelin-Sternen traue ich mich noch, fundiert mitzureden, aber hier steige ich aus. Gut geschmeckt hat’s, lecker war’s, über Strecken etwas anstrengend, oft ungewohnt, immer perfekt gegart, mal kräftig, mal überraschend, mal fremd, mal dezent gewürzt, spielende Texturen, beste Zutaten sowieso, das muss reichen. Ich werde wieder dorthin gehen, in einem Jahr vielleicht, öfter kann ich mir sowas nicht leisten.
Sehr wohl mitzureden getraue ich mich dann bei der Sternen-losen Bauernstube der Traube, klein, düster, eng bestuhlt, irgendwie urig, fast mit Hütten-Feeling inmitten des ganzen Luxus, wenn ich mich richtig an ganz, ganz früher erinnere, muss von hier aus als Stammhaus weiland die kulinarische Eroberung des Tonbachtales, ihren Ausgang genommen haben. Parenthese: Wie oft saß ich irgendwo auf der Welt in super-teuren 5-Sterne Hotels, und will man inhäusig essen, so hat man die Wahl zwischen dem hauseigenen Sterne-Restaurant, oder Burgern und Sandwiches an der Hotelbar oder dem Zimmerservice mit seinem warmgehaltenen Zeugs und den Tabletts, die danach unabgeräumt auf den Gängen herumstehen, falls man Glück hat gibt es noch irgendein belangloses Allerwelts-Bistro mit Nudeln und Steaks; ganz schlimm finde ich das z.B. im Rome Cavalieri, früher mal ein Hilton, heute ein Waldorf Astoria (d.h. immer noch ein Hilton, nur teurer), ein riesiger Luxusschuppen mit allen Annehmlichkeiten, zentral gelegen, mit herrlichem Blick über die Stadt, und doch muss ich, so mich denn hungert, im Hause zu Heinz Beck in sein 3-Sterne La Pergola (das unter Ausländern als das beste Restaurant Roms gilt, was natürlich vollkommener Schwachsinn ist, so gut das La Pergola auch ist), oder ich muss zu Fabio Boschero in sein L’Uliveto mit Tischen am Pool und im Park und überteuerter, aber mäßiger, gesichtsloser mediterraner Allerweltsküche, oder ich muss mir Sandwiches und Burger an der Bar reinpfeiffen oder eben den Zimmerservice kommen lassen (der ebenfalls vom L’Uliveto bestückt wird, also g‘hupfelt wie g’sprungen) (da gehe ich dann schon lieber die viertel Stunde zu Fuß ins La Balduina in der Largo Giorgio Maccagno 13, dort ist die Speisekarte nur auf Italienisch, fast nur Einheimische verkehren in dieser unscheinbaren, recht schräg eingerichteten, quälend eng bestuhlten Lokalität, aber hier gibt es echtes Italienisches Essen, frischen Fisch, hausgemachte Pasta, keine Pizzen und echtes Italienisches Lebensgefühl, während bei den Bonzen im Waldorf Astoria internationale Langeweile und distinguierte Gleichgültigkeit herrscht). Parenthese Ende. Nicht so in der Traube in Tonbach. Wenn mir hier nicht nach kulinarischem Sterne-Schnick-Schnack ist, so bietet das Haus genügend Alternativen, die immer noch sehr hohen Qualitäts-Ansprüchen genügen. Dazu eben zählt die Bauernstube. Hier wird traditionelle schwäbisch-badische Hausmannskost zu gehobenen, aber keinesfalls teuren, sondern angesichts der Qualität und des Ambientes angemessenen Preisen serviert. Schwäbische Hochzeitssuppe mit Flädle, Maultaschen, Grießnocke und Gemüse: perfekt. Abgeschmälzte, natürlich hausgemachte Maultaschen mit einem Salat von Annabelle-Kartoffeln: ebenfalls einfach nur perfekt. Perfekt auch die vom Brett geschabten Spätzle, die Sauren Linsen dazu mit Puy- oder Berglinsen zubereitet, eine Sitte, die ich noch nie in einem Schwäbischen Landgasthaus gesehen hätte, die aber die der gehobenen Küche gehörig um sich greift, die Linsen dazu mit gutem, aber süßlichem Balsamico gesäuert, und in Sauren Linsen brauche ich weder nussige, knackige Berglinsen noch süßlichen Balsamico-Essig, meins ist das nicht. Caro gelüstete hier nach Foie Gras, die sich natürlich nicht auf der Speisekarte der Bauernstube gab; aber die Traube wäre nicht die Traube, hätte die freundliche Bedienung nicht irgendwo in den Tiefen der Küchen des Hauses eine Scheibe selbstgemachter, exzellenter Gänseleber-Terrine mit – leider viel zu wenig – ebenso exzellentem irgendwie leicht knackig gegarten Rhabarberstückchen und warmer Brioche aufgetrieben. Der Badische Spargel dann leicht bitterlich, guter Eigengeschmack, aber schlichtweg zu weich gekocht (und das nicht nur ein wenig, sondern richtig weich), frisch gekochte und geschälte Kartoffeln, aber eine absolut belanglose Eigelb-Butter-Emulsion, Hollandaise würde ich die geschmacklose Sauce nicht nennen wollen, weder schmeckte man eine Reduktion noch wenigstens eine Wein-Note, nur Eigelb und Butterfett inniglich vermischt, aber die gemischte Platte von Schwarzwälder Schinken dazu wieder exzellent. Die Forelle Müllerin-Art war – glaube ich – die erste so zubereitete Forelle, die ich jemals perfekt glasig gebraten serviert bekam, Chapeau!, dazu absolut frisch, mir macht es nichts aus, aber Caro schaute schon etwas sparsam, als sie ihr Fischlein selber tranchieren sollte, die Bedienung schritt hier erst auf ausdrücklichen Wunsch ein. Schokoladenküchlein zum Dessert wieder eine himmlische Sünde, die Petit Fours zum Kaffee eine Klasse für sich. Und als es Caro nach Käse gelüstete – ich mache sowas ja nicht – hat doch glatt ein schwitzender Servicemitarbeiter den voluminösen Käsewagen aus der Schwarzwaldstube bis vor die Bauernstube gewuchtet (hinein passte er dann doch nicht, weil zu eng bzw. weil zu groß, je, wie man’s sieht), wo sich Madame dann ein Tellerchen exzellenten Käse für uns zusammenstellen ließ. Insgesamt aber war die Küchenleistung der Bauernstube an diesem Abend gut, streckenweise sehr gut, aber eben nicht durchgängig sehr gut. Kreativität ist hier keine geeignete Kategorie der Kritik, denn es soll ja eben traditionell zugehen, nicht kreativ. Aber 16 Gault Millau-Punkte würde ich für diesen Abend – im Gegensatz zu früheren Besuchen – nicht mehr vergeben wollen, vielleicht 14 oder 15. Als wir uns dann zum Absacker an die Hotelbar setzten, habe ich mich gleich drei Abende hintereinander über besagten Barchef Bernhard Stöhr geärgert. Solange ich allein mit meiner Jeans uns Sakko an der – nicht stark frequentierten – Bar saß, würdigte er mich keines Blickes, auch, als mich mein Sprüchlein vom „Extra, extra trockenen Martini-Cocktail, gewaschenes Bar Eis, …“ – usw., ich habe das oft genug beschrieben –aufsagte, ließ er eine freundliche, aber hilflose Elevin ran, während er sich neben mir tatenlos mit einem offenbar feineren Herr über die Vorzüge der örtlichen Golfplätze unterhielt; erst als die Elevin ihn völlig überfordert um Hilfe bat, ließ er sich herab, mir einen Martini zu rühren, aber auch nicht selber zu servieren. Aber, aber als sich Caro mit ihrem Schmuck im Gegenwert eines Mittelklassewagens und Designer-Kostümchen neben mich auf den Barhocker schwang, da war er sofort zur Stelle, der Herr Stöhr, reichte Karte und Nüsslein, und als Caro auch noch sagte, sie nähme das gleiche wie ich, da rührte er dann auch höchstpersönlich. Also, ich finde solches Verhalten nur schofel. Kein Problem, wenn der Laden brummt und jemand keine Zeit hat, aber so, nur weil er über Golf plaudern will … Und, ach ja, damit ich es nicht vergesse, zu erzählen: der Herr Stöhr hat einen Black Forest Martini höchsteigen kreiert: Nolly Prat, Monkey 47, Himbeergeist von Scheibl und Cocktail-Kirsche – diese bemühte Mixtur braucht kein Mensch, finde ich, aber nett, dass wir drüber geredet haben.
Das wahre Gesicht der Traube in Tonbach zeigt sich aber erst beim Frühstück, das – sofern man nicht auf dem Zimmer frühstückt – im Restaurant Silberberg gereicht wird. Bei aller Intimität der Bauern- und der Schwarzwaldstube, das Silberberg ist ein Moloch, eine riesige, sich tief und dann fensterlos in die Eingeweide des Gebäudekomplexes fressende höhlenartige Räumlichkeit, nobel möbliert zwar, aber riesig, von Ausmaßen, die jedem Bettenbunker auf dem Ballermann und jedem All-Inclusive-Club in Antalya zur Ehre gereichten. Hier sieht man erst, wie groß das Haus – trotz nur 153 Zimmern – tatsächlich ist. Hier geht es nicht mehr gediegen zu, hier herrscht eher die Stimmung der heißen Schlacht am kalten Buffet. Und die Buffets sind reichlich, mit allem, was man von einem Continental Breakfast nur erwarten kann. Und doch gibt es Gedränge und Schlangen. Warmgehaltenes gestocktes Ei neben fettriefenden, krossen, streng riechenden Speckscheiben sind dieses Hauses gewiss nicht würdig, selbst wenn die Bain Maries aus Silber sind. Fisch, Wurst, Käse, Cerealien, Säfte, Marmeladen, Honige, Obst (meist unreif), frische Backwaren, umfangreiche Tee-Bar, selbst Lactose-freie Butter und Gluten-freies Brot, alles da, aber weder die Qualität (Marmeladen von Staud’s mit falschem Apostroph), noch die Darbietung, noch das Nachfüllen, geschweige denn „Ambiente“ sind hier für mich 5 Sterne superior, das ist eher rustikal-gepflegter 4-Sterne-All-Inclusive-Strand-Standard. Da kenne ich weitaus bessere Frühstücke in weitaus weniger dekorierten Häusern, z.B. im Fürstenhof in Leipzig, der Villa Kennedy in Frankfurt, dem Excelsior Ernst in Köln, im Louis C. Jacob in Hamburg, natürlich dem Adlon in Berlin. So endet der Besuch in einem sehr schönen Haus mit sehr guter Küche und sehr guten Mitarbeitern vor der Abreise … mit einem recht traurigen Frühstück. Schade eigentlich.
Aber, enden wir versöhnlich: ein Hotel, das den Genitiv selbst auf einem Hinweisschild im Lift so richtig verwendet, kann das prinzipiell schlecht sein?
Hotel Traube Tonbach
Familie Finkbeiner KG
Geschäftsführender Gesellschafter: Heinrich Finkbeiner
Tonbachstraße 237
72270 Baiersbronn
Tel.: +49 (74 42) 49 20
Tel. Reservierung: +49 ( 74 42) 49 26 22
Fax: +49 (74 42) 49 26 92
Email: reservations@traube-tonbach.de
Internet: www.traube-tonbach.de
Hauptgerichte von 12,50€ (Saure Linsen mit Spätzle in der Bauernstube) bis 95 € (Medaillon von der Bretonischen Languste in der Schwarzwaldstube), Drei-Gänge-Menue von 35 € (in der Bauernstube) bis 225 € (in der Schwarzwaldstube)
DZ Ü/F € 250 bis 700 € (pro Zimmer, pro Nacht)
Das sagen die Anderen:
- Dehoga-Klassifizierung: 5 Sterne superior plus
- Guide Michelin Inspektoren: von 3 von 3 Sternen für die Schwarzwaldstube
- Guide Michelin (Booktable) Gästebewertungen: 5 von 5 Punkten (bei 21 Bewertungen)
- Gault Millau: Schwarzwaldstube: 19,5 von 20 Punkten,4 von 4 Mützen (Küchenleistung) 5 von 5 Bestecken (Service, Ambiente); Köhlerstube: 16 von 20 Punkten, 2 von 4 Mützen (Küchenleistung); 3 von 5 Bestecken (Service, Ambiente); Bauernstube: 16 von 20 Punkten, 2 von 4 Mützen (Küchenleistung); 2 von 5 Bestecken (Service, Ambiente)
- Gusto: Schwarzwaldstube: 10 von 10 Pfannen (Küchenleistung); 5 von 5 Bestecken (Service, Ambiente); Köhlerstube: 6 von 10 Pfannen (Küchenleistung); 3 von 5 Bestecken (Service, Ambiente);
- Schlemmer Atlas: Schwarzwaldstube: 5 von 5 Kochlöffeln; Köhlerstube: 3 von 5 Kochlöffeln; Bauernstube: 3 von 5 Kochlöffeln
- Varta: 5 von 5 Diamanten (Restaurant Schwarzwaldstube); 5 von 5 Diamanten (Übernachtung)
- HRS-Klassifizierung: weder HRS- noch Kundenbewertung liegen bisher vor, die Traube bucht man anscheinend nicht über HRS, obwohl sie dort gelistet ist
- Booking.com-Klassifizierung: von 5 5 Sternen; Booking.com-Kundenbewertung: 9,2 von 10 (bei 238 Bewertungen)
- Holidaycheck: 5,6 von 6 Sternen, 91% Weiterempfehlung (227 bei Bewertungen)
- Yelp: Hotel: 4,5 von 5 Sternen (19 Bewertungen); Schwarzwaldstube: 5 von 5 Sternen (48 Beiträge); Bauernstube: 5 von 5 Sternen (6 Beiträge); Köhlerstube: 5 von 5 Sternen (7 Beiträge)
- Tripadvisor: 4,5 von 5 Punkten (bei 548 Bewertungen)