Ich bin in der Pampa gelandet, nicht wortwörtlich im südamerikanischen Grasland, sondern in einem Kleinstädtchen in der tiefsten deutschen Provinz, sozusagen A… der Welt. Es ist idyllisch hier, viel Wald, Fluss- und Bachtäler, große satt gelbe oder grüne Felder im vollen Stand, darinnen tausende majestätische Windräder, die sich gänzlich stille stehend darauf vorbereiten, die anstehende Energiekrise mit einem Male davonzupusten, mit monotonem Gehacke bearbeiten Spechte alte Baumstämme, auf dem Komposthaufen döst die stattliche Ringelnatter auf ihren Eiern, am Himmel die Vöglein, zuweilen ganz weit oben der Kondensstreifen eines Fliegers aus der Ferne in die Ferne, zwischen Vöglein und Fliegern reger Flugverkehr von Bundeswehrhelikoptern, zwei lautstarke Hähne in der Nachbarschaft, die von Sonnenauf- bis -untergang unentwegt ihren Sängerstreit austragen (als nächstes gibt’s hier ein Rezept für Suppe von zwei Hähnen), ebenfalls von Sonnenauf- bis Untergang geht pro Stunde ein Zug nach Osten, einer nach Westen auf der einspurigen Bahnstrecke, das sonore Brummen der Dieseltriebwagen ist eine willkommene Abwechslung und strukturiert den Tag. So viel zum idyllischen Teil. Ansonsten viel Leerstand, spießige Einfamilienhäuser und heruntergekommene historische Bausubstanz, fast nur alte Leute, kaum Kinder, keine Jugendlichen, ein paar Sommerfrischler, die sich Mallorca nicht mehr leisten können und hier mit ihrer schwindsüchtigen Kaufkraft nur so um sich werfen, eine örtliche Gastronomie, die mit Convenience, Schabefleisch, Monsterportionen, Pommes rot-weiß und Bratwurst so ganz die Erwartungen dieser Klientel erfüllt, ein paar ärmliche Tinnefgeschäfte, im ganzen zähle ich noch sieben alteingesessene Läden, von früher vielleicht mal vier, fünf Dutzend. Lebensmittelgeschäfte gab es hier weiland sieben, vier Metzgereien, sechs Bäckereien, alles weg bis auf einen Metzger und eine Verkaufsfiliale einer Großbäckerei. Als der letzte Rewe vor Jahren schloss, war das Kaff für Jahre ohne eigenes Lebensmittelgeschäft, bis für viel gute Worte (ob auch Geld geflossen ist, vermag ich nicht zu sagen) einer dieser Mini-Discounter seine Pforten eröffnete, so kann man hier zumindest einen Liter Milch vor Ort kaufen, ohne 12 Kilometer in den nächsten großen Lebensmittel-Discounter zu fahren. Aber das Produktangebot dieser Mini-Discounter (so löblich ihre Rolle auf dem strukturschwachen platten Lande unzweifelbar ist) ist halt sehr, sehr beschränkt.
Dermaßen abgekoppelt von der kulinarischen Infrastruktur habe ich mich auf ein altes Vorhaben von mir besonnen, nämlich einmal die großen Pfannen mit Bohnen nachzukochen, die Bud Spencer und Terence Hill regelmäßig in ihren Italo-Western verdrücken und sich dabei streiten, anknurren, prügeln, schießen – ohne die Pfanne Bohnen aus den Augen zu lassen, meist auch ohne aufzuhören, daraus zu essen. Im Wilden Westen gab es gewiss keine kulinarisch anspruchsvollen Delikatessenläden, sondern eben nur das Nötigste, wohlfeil, nahrhaft, haltbar, leicht zu transportieren – fast genauso, wie im hiesigen Mini-Discounter. Bohnen sind gesetzt, dehydrierte Hülsenfrüchte, auf die alle vier der genannten Kriterien zutreffen: wohlfeil, nahrhaft, haltbar, leicht zu transportieren. Gehacktes in irgendeiner Form als Fleischeinlage verbietet sich, niemand, der bei halbwegs klarem Verstand (und ohne Mord- oder Selbstmordabsichten) ist, wird in den südlichen US-Staaten auf dem Lande ohne Kühlung Fleisch wolfen und weiterverarbeiten; aber geräucherter Speck und Dauerwurst dürften geeignete Fett- und Geschmackskomponenten sein. Die rote Farbe des Gerichts deutet auf Tomaten hin, klar, die kommen ja ursprünglich so ungefähr aus der Ecke, Zwiebel und Knoblauch ebenso. Schärfe = Chilis, selbsterklärend, auf orientalischen Pfeffer habe ich bewusst verzichtet. Um noch einen Geschmack außer scharf reinzubringen, bin ich auf mexikanischen Oregano (ein entfernter Verwandter des Mittelmeer-Oreganos) verfallen, Kurkuma wäre schon wieder zu standard-mäßig Tex-Mex. Tja, und außer Salz ist eigentlich nicht mehr drin in meinen Wildwest-Bohnen, kein Wein, kein Brühwürfel, keine Fleischbrühe: reduce to the max. Keine Ahnung, ob das Rezept, das ich mir hier in meiner tödlichen Idylle aus den Fingern gesogen habe, auch nur für’n Groschen authentisch ist, lecker, wohlfeil und vor allem sättigend ist es allemal, gleichwohl doch sehr, sehr robust bis primitiv, aber das sollte es ja auch sein.
Zutaten (für 2 bis 3 Portionen):
- 250 g geräucherter durchwachsener Speck*
- 100 g scharfe Dauerwurst
- 5 ml Sonnenblumenöl
- 100 g Zwiebel (ca. eine normale Speisezwiebel)
- 10 g Knoblauch (ca. 2 Zehen) (gerne auch mehr)
- 75 g Tomatenmark (dreifach konzentriert)
- 400 g geschälte Tomaten (1 Dose)
- 500 g weiße Bohnen aus der Dose** (Abtropfgewicht)
- 250 g Kidney-Bohen aus der Dose (Abtropfgewicht)
- Chilipulver, Oregano, Salz, 1 Prise Zucker
Zubereitung:
- Ggf. Schwarte vom Speck entfernen (möglichst am Stück), Speck in ca. 3 mm dicke Streifen und dann in ca. 3 mm starke Würfel schneiden
- Pelle von Dauerwurst entfernen, in ca. 3 mm große Würfel schneiden
- Öl in einer großen Pfanne mittelstark erhitzen, Speckwürfel und ggf. Speckschwarte dazugeben, unter Rühren langsam das Fett auslassen
- Kurz bevor die Speckwürfel anfangen zu bräunen, Dauerwurstwürfel dazu geben
- Zwiebeln grob und Knoblauch fein hacken
- Wenn die Speckwürfel ganz leicht gebräunt sind, Zwiebel- und Knoblauchwürfel dazu geben, glasig schwitzen
- Tomatenmark in die Pfanne geben, gut mit den Speck-, Wurst-, Zwiebel- und Knoblauchwürfeln verrühren und kurz anschwitzen lassen, mit 150 ml Wasser ablöschen und alles gut verrühren, kurz durchkochen lassen
- Dosentomaten dazu geben, alles gut verrühren, durchkochen lassen
- Beide Bohnensorten in ein Sieb geben, gut abspülen und abtropfen lassen, Bohen ebenfalls in die Pfanne geben und alles gut durchrühren
- Kräftig mit Chili, Oregano, Salz und 1 Prise Zucker abschmecken, nochmals ca. 250 ml Wasser dazugeben, gut durchrühren, auf kleiner Flamme wenigstens eine halbe Stunde blubbernd leicht köcheln lassen, gelegentlich umrühren, evtl. noch Wasser nachgießen
- Nach einer halben Stunde (eine Stunde schad‘t auch nix; erkalten lassen und wieder erwärmen ist auch kein Problem, sondern dem Geschmack eher zuträglich) die Bohnen unter akribischem Rühren (sonst brennt’s spätestens jetzt an) fast trocken kochen lassen, d.h., die Sauce soll nur noch breiig, aber nicht mehr flüssig sein, final abschmecken, Speckschwarte ggf. herausfischen und entsorgen, servieren
- Luxusgeschöpfe können jetzt noch einen Klecks Schmand auf das Bohnengericht geben (muss aber nicht), dazu schmecken Baguette und – Bud Spencer und Terence Hill würden das weit von sich weisen – ein bitterer Salat, z.B. Endivien, mit Essig-Öl-Dressing
* Wässriger Frühstücks-Bacon ist hier keine wirkliche Alternative, es sollte schon ein Kanten richtig geräucherten Bauernspecks sein.
** Mit getrockneten, über Nacht eingeweichten Bohnen wird das Gericht nicht nur preiswerter und besser, es braucht auch eine längere Garzeit.