Widmann Gastronomie Dresden: Seelenlose Systemgastronomie zur Massenabfertigung dummer Touristenströme

Summa summarum: Das, was wir an kulinarischen Leistungen der Widmann-Gruppe erleiden mussten, war belanglos bis schlecht, wohl zumeist industrielle Fertigware mit wenig Eigenkreation. Die Bedienungen scheinen durchweg völlig überfordert und oft chaotisch, das Interieur ist Disneyland für Anfänger, so wie sich Klein-Fritzchen zu Wirtschaftswunder-Zeiten wohl Italien, Spanien, Griechenland vorgestellt haben mag. Vor allem aber ist das völlig seelenlose Systemgastronomie, die weder etwas mit Dresden oder Sachsen zu tun hat, noch mit den vermeintlichen Herkunftsländern Griechenland, Spanien, Italien, Imperial-Amerika. Das ist eine Restaurant-Maschinerie, deren Value Preposition die Konzeptionierung, Finanzierung, Ausstattung und Ablauforganisation von Lebensmittel-Einkauf, Verzehrfertig machen und Servieren ist, das hat nichts mit Kochen, Kulinarik, Genießen, Entdecken, Liebe, … zu tun, das ist Abfütterung. Und das dumme Touristenvolk lässt sich abfüttern …

Ich stehe im Restaurant am Pissoir und tue das Nämliche. Über jedem der Pinkelbecken hängt ein Aluminiumrahmen mit einem bunten DIN-A4-Zettel darinnen, die werben für eine Burger-Braterei, ein Steakhaus, ein Italienisches Restaurant oder für Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Gastronomie. Das verwundert mich. Sonst wird an diesen Orten geworben für Sicherheitsfenster (mit dem stechenden Argument, dass osteuropäische Diebesbanden weniger Zeit zum Aufbrechen eines herkömmlichen Fensters brauchen als der geneigte Leser für das, was er gerade tut), sympathische, schnauzbärtige Handwerker versprechen, meine Bremsen zu einem Festpreis zu checken (bevor ich irgendwo irreparabel reinrassele), und über den Pissoires wird auch geworben für Pissoires, die angeblich ganz ohne Chemikalien und Wasser auskommen sollen, dafür aber seltsam riechen und mit einer komischen blauen Flüssigkeit gefüllt sind. Solche Absurditäten bin ich ja nun zwischenzeitlich bereits gewohnt von Männer-Klos (ich weiß nicht, ob es bei den Weibern ähnlich tollhäuslerisch zugeht, wohl anzunehmen). Aber in einem Restaurant beim Pinkeln Werbung für ein anderes Restaurant zu lesen (wo ich wieder pinkeln und die Werbung für noch ein weiteres Restaurant lesen kann, wo ich dann pinkeln werde und dabei die Werbung … ad infinitum), das ist wahrlich neu und hat mich neugierig gemacht.
Diese seltsame Szenerie spielt sich ab im El Español in Dresden, einem Tapas-Restaurant an der Dreikönigskirche, ganz nebenbei dem ersten Tagungsort des Sächsischen Landtages (die Dreikönigskirche, nicht das El Español). Es ist nahezu gemütlich hier im Barockviertel, ein Seitensträßchen zwischen Haupt- und Königsstraße, Engels & Völkers residieren nebenan (immer ein gutes Zeichen, dass es in einer Gegend geldelt), das Bülow Palais, teure Boutiquen, eine gewisse Petra Waldo hat ihren „Showroom“ (Do-Fr 12:00 – 18:30 Uhr, Sa 12:00 – 16:00 Uhr und nach Vereinbarung) ein paar Häuser weiter, das ist gewiss nicht die schlechteste Ecke Dresdens, gleichwohl ein paar Straßen entfernt in der Äußeren Neustadt oft die nackte Anarchie und – ungleich empörender – Lebensfreude zu regieren scheinen. Hier, in der Inneren Neustadt, ist das Publikum distinguierter. Von den Touristen-Strömen, die Dresden verschmutzen und nähren, kommt nur ein Bruchteil in die Neustadt, der Großteil rennt im Kreis um die gefälschte Frauenkirche wie um die Kaʿba in Mekka, isst schlecht und überteuert im „echt sächsischen“ Paulaner oder Maredo und geht dann in der Altmarkt-Galerie bei Saturn und H&M shoppen. Nichtsdestotrotz, auch in die Neustadt kommen genügend Melkkühe, die sich widerstandslos, lammfromm und unendlich dämlich in Etablissements wie Wenzel Prager Bierstuben, Watzke Brauereiausschank am Goldenen Reiter oder Winzerstube Zum Rebstock abfüttern und ausnehmen lassen. Touristenströme locken halt immer überteuerte Nepp-Gastronomie an. Das El Español soll – so unsere Gewährsfrau – anders sein, solide spanische Tapas-Küche, fast so wie in Spanien, kleine Portionen hochwertiger Gaumenschmeichler, zum endlosen Knabbern bei ordentlichen Spanischen Weinen.
Die Geschichte des El Español beginnt 1989 in München. Dort eröffnet der gerade mal 24jährige Thomas Widmann sein erstes El Español geheißenes Restaurant. Zehn Jahre später wagt er mit seiner Firma the food company GmbH den Schritt nach Dresden und legte zuerst einmal eine Pleite hin, nach der er dann in Widmann Gastronomie Dresden GmbH umfirmierte. Ich plaudere hier keine Geschäftsgeheimnisse aus, alles nachzulesen auf der Homepage der Widmann Gastronomie Dresden GmbH, dem Handelsregister und in einem „Artikel“ (eher ein Advertorial) der Dresdner MoPo vom September 2015. Heute zählen zu dem Restaurant-Imperiumchen der Familie Widmann (neben Thomas geistern noch eine Tanja, ein Nicolas und eine Isabell Widmann durch die Handelsregister-Einträge, allesamt wohnhaft in Radebeul) sieben Futterstätten in Dresden, neben dem El Español ein weiterer Tapas-Laden, zwei Italiener, eine Steak- und eine Burger-Braterei; bis Anfang des Jahres gehörte auch noch ein südafrikanisch genanntes Etablissement dazu, das hat wohl als zu exotisch für den gemeinen Massentouristen zu wenig Publikum angelockt und wurde daher schnurstracks in einen Mainstream-Griechen umgewandelt. Drollig dazu die Begründung des Restaurantleiters, Widmann Junior: „Die Idee ein griechisches Lokal zu eröffnen, kam unserer Familie durch meinen Onkel, also den Bruder meines Vaters. Er war mal mit einer Griechin verheiratet und verliebte sich in Land und Küche.“ (Zitat MoPo 04.03.16) Meine Großmutter war Badenserin, mache ich deswegen ein badisches Lokal auf? Aber irgendwie muss man ja Lokalkolorit herstellen, da muss halt die geschiedene Tante herhalten, als Kolorit-Geberin. Neben der Widmann Gastronomie GmbH halten Tanja und Thomas Widmann auch noch je 33,33% von einer Fortuna Gastro GmbH, die 2014 einen stattlichen Jahresfehlbetrag von über 100.000 € erwirtschaftete. Die Widmann Gastronomie GmbH hat seit 2011 keine Pflichtveröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse im Bundeanzeiger mehr vorgenommen, warum wohl? Aber darum geht es hier gar nicht.
Gemeinsam ist heute allen Widmann Lokalitäten, dass sie in absoluten 1a-Lagen liegen, wo die Touristen-Ströme quasi automatisch verbeigespült werden; was man hier an Miete bzw. Pacht mehr zahlen muss, kann man locker auf der Werbe-Seite einsparen, und es bleibt sogar noch ein wenige Geld für Eigenwerbung über den Pissoirs übrig. Weiter gemeinsam ist allen Widmann-Lokalitäten, dass die Speisekarten riesig sind und eigentlich jedes Klischee bedienen, das man von einer Länderküche nur haben kann (obwohl ich noch kein echtes griechisches Lokal gesehen hätte, das „Pfannen-Gyros“ anbietet; Gyros stammt von griechisch γύρος und bedeutet Kreisel, Runde; was ist dann ein Pfannen-Gyros: ein Pfannen-Kreisel? Gyros beschreibt die klassische griechische Fleischzubereitung am Dreh-Spieß; ein Pfannen-Gyros ist dann etwa der mysteriöse „Pfannen-Drehspieß? Mumpitz!). Nun gut, wir waren ja im El Español der Kette essen. Im Freien sitzt man sehr schön auf dem Platz hinter der Dreikönigskirche unter großen Sonnenschirmen. Idealer Weise bestellt man nicht bei der Bedienung, sondern schreibt auf einem bereit liegenden Zettelchen mit einem ebenfalls bereitliegenden Bleistiftchen auf, welche der nummerierten Speisen von der Speisekarte man in welcher Menge bestellen möchte; die Bedienung nimmt dieses Zettelchen (Ikea-Sierung des Restaurant-Betriebes warf man Vapiano weiland vor) sodann entgegen, verschwindet wortlos und kommt irgendwann mit irgendwelchem Futter zurück. Hört sich in der Theorie recht nett an, besonders für Kommunikations-Muffel unter den Gästen und für denjenigen, die die Bedienungen bezahlen müssen. Diese Zettelwirtschaft erleichtert auch kolossal die Verständigung mit dem Servicepersonal, zwei der drei Mitarbeiter, die uns bedienen, sind der Deutschen Sprache nur äußerst rudimentär mächtig, nicht etwa, weil hier echte Spanier ihre Landesküche präsentierten, die Bedienungen stammen alle aus den Tiefen Ost-Europas, und eine eigehende Kellner-Ausbildung scheinen sie offensichtlich auch nicht zu haben. Aber sie bemühen sich, freundlich zu sein. Auf meine Frage, ob die Albondigas (kleine Spanische Hackfleischbällchen) scharf seien, blickt mich der Kellner verständnislos an, holt eine des Deutschen halbwegs mächtige Kollegin herbei, ich wiederhole meine Frage, sie zuckt mit den Achseln und sagt sichtlich genervt „Keine Ahnung!“. Wir bestellen einmal quer durch die Speisekarte 10 Tapas, was kommt ist belanglos bis richtig schlecht. Der Ziegenfrischkäse ist Industrie-Qualität, ebenso der Honig darüber, richtig schlecht das grobe, fast fetzige Tatar vom fetten Lachs, und dass die ebenfalls fettigen Rösti dazu hausgemacht sind glaube ich erst, wenn ich dabei am Herd zusehe, die mit Frischkäse gefüllten Peperoni wieder Industrie, gebratene Champignons breiig, Gambas in Knoblauch-Chili-Öl von minderwertiger, zäh-harter, geschmackloser Qualität, die Kartoffel-Wedges aus dem großen Tiefkühl-Beutel, … es lohnt nicht, hier die Beschreibung fortzuführen, das ist allesamt lieb- und herzlos zusammengestoppelte Massenware, ohne Seele, ohne Verstand, ohne Herzblut. Auf der kleinen Weinkarte lacht uns eine Spanische Cuvée aus 85% Muskateller und 15% Traminer an, und der ist tatsächlich gut, wenngleich wir dreimal nachfragen müssen, bis wir in der prallen Sonne einen Weinkühler bekommen. Als zweiten Wein bestellen wir dann einen Spanischen Chardonnay, stattdessen bekommen wir nochmals die Muskateller-/Traminer-Cuvée, allerdings nicht kalt, alldieweil wohl nur eine Flasche in der Kühlung war. Beanstanden ist schwierig, der arme Kellner versteht ja kaum was, also trinken wir einen warmen Wein (dröhnt auch, sogar besser).
Aus reinem Interesse nehmen wir am nächsten Tag noch ein schnelles Mittagessen in einem anderen Restaurant der Kette, dem La Osteria, einem Pseudo-Italiener. Dafür wird wurde ja schließlich über dem Pissoir geworben. Wieder rustikales Ambiente, blanke – viel zu kleine, aber jeder Quadratmeter will umsatzträchtig genutzt sein – Tische, ein mühevoll ein wenig auf „Italienisch“ getrimmter Industrie-Zweckbau, beste Lauflage in der Kreuzstraße 1, viele Photos von Italienischen Schauspielern und Landschaften in den teilweise bereits speckigen Speisekarten. To make a long story short: überfüllt, Servicepersonal spricht hier besser Deutsch, ist aber hoffnungslos überfordert, Pizza ok, Spaghetti Carbonara in einer dünnen, gelblichen Sauce mit Sahne (die überhaupt nichts in einer Carbonara verloren hat, nur Eigelb, Parmesan, schwarzer Pfeffer und evtl. noch etwas Nudelkochwasser, aber niemals Sahne), Salat Katastrophe, nie wieder.

Teile diesen Beitrag:

One comment

  1. Uwe Ladewig

    Griechisch essen ja, aber nie wieder wenn es mit Wiedemann Gastro zu tun hat !! Das sogenannte Meet the Greek … eine Schande für Dresden. Das Essen unter aller Sau,Personal total überfordert, die Sauberkeit was für die Hygieneüberwachung. Leute, geht das nicht hin !!! Nichts aber auch gar nichts hat das mit Griechischer Gastlichkeit zu tun! Ich habe viele Jahre mit der der Dresdner Gastronomie zu tun gehabt, im Aussendienst, soetwas mieses aber noch nie erlebt, schade, daß man soetwas erleben muss.

Schreibe einen Kommentar zu Uwe Ladewig Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to Top