Meine erste Begegnung mit Trüffeln hatte ich – ausgerechnet – in der Freßgass in Frankfurt. Der italienische Taufpate eines Kollegen hatte dort ein italienisches Nobellokal, und eines Abends schlug der Kollege vor, wir sollten doch gemeinsam dort essen, nicht etwa, dass er uns alle eingeladen hätte – weshalb auch? –, aber er versicherte uns, sein Pate werde uns gewiss ein treffliches Mahl zu einem guten Preis servieren. Der Pate empfing uns mit viel Trari und Trara, ungespielte italienische Freundlichkeit, bevor wir überhaupt die Karten in Händen hielten, war der Tisch gefüllt von einer schier nicht enden wollenden Flut von Antipasti, die der Pate und die Kellner unter seiner Ägide unablässig heranschleppten. Ich mag italienische Gastfreundschaft. Nachdem wir irgendwann die Speisekarte studiert hatten, trug ein Kellner eine große, eng mit Kreise beschriebene Tafel mit der Tageskarte an unseren Tisch und der Pate begann in bester Manier, seine aktuellen Spezereien anzupreisen. Und es begab sich, dass unter dem Angepriesenen Trüffel waren, frische weiße Alba-Trüffel. Ich kannte keine Trüffel, aber als alle Kollegen Trüffel-Nudeln als Vorspeise bestellten, schloss ich mich halt neugierig an. Bald kamen Teller gefüllt mit dampfenden Spaghetti in einer Sahne-Parmesan-Buttersauce, ganz ein typisches Diätessen. Dann hatte der Pate seinen großen Auftritt mit einer Art Käseglocke, in der sich ein fast Faust-großer weißer Alba-Trüffel befand. Der Duft, den dieser Pilz beim Öffnen der Käseglocke sogleich verströmte, ist mehr als gewöhnungsbedürftig, und für jeden Trüffel-Eleven entscheidet sich in diesem Augenblick spontan seine künftige Einstellung zu Trüffeln für den Rest seines Lebens: entweder man hasst diesen Geruch oder man liebt ihn, tertium non datur. Nun gut, ich gehöre hier eindeutig zur liebenden Fraktion. Mit großer Geste griff der Pate zum Trüffel-Hobel, setzte den Trüffel darauf, hielt ihn über meinen Teller und begann, große Trüffelscheiben über meine Nudeln zu hobeln. Und just in diesem Moment fiel mir ein, dass ich nirgends einen Preis für dieses Gericht gesehen hatte, also frage ich vorsichtig bis misstrauisch, was dies denn kosten werde. „Ganz einfach“, entgegnete der Pate, fuhr einmal mit dem Trüffel über den Hobel, hobelte eine große Schreibe auf meine Nudeln und sagte „fünf Mark“, bei den nächsten Malen Hobeln „zehn Mark“, „fünfzehn Mark“, „zwanzig Mark“. Bei 35 hatte ich mich dann aus meiner Schockstarre befreit und sagte „Stopp!!!“ Teuer, aber köstlich.
Mein zweites Erlebnis mit Trüffeln hatte ich dann in Umbrien. Nicht, dass ich nicht mir zwischenzeitlich immer wieder mal diese Köstlichkeit geleistet hätte, aber dieses Erlebnis bleibt nichtsdestotrotz einzigartig und zählt zu meinen schönen Erinnerungen. Wir verbrachten den Sommer mit den Kindern in den Marken, zwischen Pesaro und Ancona, unweit des Meeres im einem alten Kloster in den Hügeln, Bus-Shuttle zum Hotel-eigenen Privatstrand für die Kinder (ungemein praktisch), riesige Zimmer, Pool in den Weinbergen, gemeinsames Dinner aller Hotelgäste – vorwiegend Italiener, kaum Besucher von Auswärts, ein echter Geheimtipp – im alten Refektorium, davor Drinks und Häppchen in der Abendsonne auf der Terrasse mit Blick über das Meer, im Ort zwei phantastische Fischrestaurants direkt am Hafen, Fettlebe vom Feinsten. Eines Tages unternahmen wir einen Ausflug ins Landesinnere nach Umbrien, besichtigten brav Perugia, fanden zum Mittagessen ein kleines Dorf mit Marktplatz und ein paar Restaurants drum herum, auch hier kaum Ausländer, Speisekarten nur in Italienisch, sehr schön. Die Kinder orderten Pizza und Nudeln, ich hatte auf einer handgeschriebenen Tafel die magischen Worte tartufi freschi entdeckt und bestellte mit Händen und Füßen Trüffel-Nudeln. Als sie kamen, reckte mein Großer seine Nase in den Wind, nahm kurz Witterung auf, schnappte sich sodann seine Pizza und setzte sich unter einem lauten „Bähhh! Igitt!“ demonstrativ ein paar Plätze weiter weg. Auch der Kleine witterte, ergriff jedoch nicht die Flucht, sondern meine Gabel und fraß mir quasi in einem Sitz meinen Teller Nudeln mit reichlich umbrischem schwarzem Trüffel auf. Dazwischen fragte er: „Du Papa, sind das echte Trüffel?“ „Ja“, entgegnete ich. „Sind die teuer?“ fragte er weiter. „Ja“, entgegnete ich nochmals. „Dann hast Du jetzt ein echtes Problem!“ kommentierte das Kind emotionslos und mampfte weiter. Wir machten an diesem Mittag – unter dem lauten Protest des Großen – vier Teller Nudeln mit schwarzen umbrischen Sommer-Trüffeln nieder, zum Glück zu einem fast lächerlich geringen Preis, mitten im Trüffel-Gebiet vor Ort. Wir kauften sodann auch noch reichlich Trüffel für daheim. So gut wir diese Dinger auch verpackten, zugeknotete Plastikbeutel, verschlossene Gläser, Tuppadosen, der Trüffelgeruch begleitete uns – und quälte meinen Großen – für den Rest des Sommers und die gesamte Heimfahrt. Aber Opfer müssen nun mal gebracht werden …
Zwischenzeitlich gibt es auch in Deutschland immer öfter Händler, die sich trauen, sich für ein paar hundert oder tausend EURO diese polarisierenden Pilze in den Laden zu legen. Vor allem aber gibt es Händler, die gute Lieferanten haben und die einen hervorragenden von einem miserablen Trüffel unterscheiden können. Frank Stormanns zum Beispiel in seiner Nudelmanufakur auf dem Augsburger Stadtmarkt hat zuweilen sehr formidable Trüffel zu einem sehr fairen Preis, und die passenden frisch gemachten Eierbandnudeln gleich dazu. Qualität hat halt auch ihren Preis, für einen Périgord Wintertrüffel (Tuber melanosporum) zahlt man schon mal 1.500 bis 2.500 EURO das Kilo, weiße Alba-Trüffel (Tuber magnatum) gibt’s ab 4.000 bis 8.000 EURO das Kilo. Umbrische oder Istrische Trüffel bekommt man zuweilen schon für 1.000 EURO das Kilo. Das klingt jetzt alles nach super-teuer und unerschwinglich, aber angesichts der Tatsache, dass man für eine Vorspeise mit Trüffel-Geschmacks-Explosion vielleicht 5 bis 10 g schwarzen Trüffel braucht, bei weißem Trüffel sogar noch weniger, relativiert sich das alles wieder. Mit einer Knolle für 60 bis 80 EURO für vier Vorspeisenportionen kommt man schon recht weit; deutlich teurer als ein Schmalzbrot als Vorspeise, aber auch nicht teurer als etwa Hummer, und signifikant preiswerter als echter Kaviar … Die Finger lassen sollte man allerdings von den berüchtigten Chinatrüffel (Tuber indicum), die für den Laien kaum vom Périgordtrüffel zu unterscheiden, aber geschmacklich wie kulinarisch weitgehend wertlos sind, dafür aber auch nur ein paar EURO kosten. Das sind meist auch die Trüffel-genannten schwarzen Punkte in industrieller Leberwurst, und es gibt zwischenzeitlich sogar den Beruf des Trüffelfälschers, die viele Chinatrüffel mit ganz wenig Périgordtrüffeln vermischen und dann alles zum Preis von Périgordtrüffel verkaufen. Noch schlimmer als Chinatrüffel ist Trüffelöl, das fast immer mit synthetischem Trüffelaroma hergestellt wird und das einfach nur penetrant schmeckt, widerlich ist und die Kapitulation jeder guten Küche.
Zutaten:
- 1 kleine Schalotte
- 2 gehäufter Essl. Butter
- 50 ml trockener Sherry
- 50 ml trockener Weißwein
- 400 ml Sahne
- 100 g alter Parmesan
- Weißer Pfeffer, Salz
- 20 – 50 g frischer Trüffel
- 500 g frische Eier-Nudeln
Zubereitung:
- Schalotte schälen, in winzige Würfelchen schneiden, kurz blanchieren
- Butter in einer Sauteuse schmelzen, blanchierte Schalottenwürfelchen anschwitzen, keinesfalls bräunen
- Wenn die Schalotten glasig sind, mit Sherry ablöschen, Sherry fast vollständig einkochen lasen, Wein dazu geben, ebenfalls fast vollständig einkochen lassen
- Sahne in den Topf gehen, köcheln lassen, Parmesan auf einer feinen Reibe in die köchelnde Sahne reiben, ständig rühren
- Sahne unter Rühren sämig einkochen lassen; wenn die gewünschte Konsistenz erreicht ist, mit weißem Pfeffer und vorsichtig mit Salz (Parmesan ist bereits salzig) würzen
- Nudeln al dente kochen, abgießen, einen Löffel Butter unterrühren
- Nudeln in die Sauteuse mit der Käse-Sahne-Sauce geben, gut durchmischen, sofort auf vorgewärmte Teller verteilen, zu Tisch geben
- Bei Tisch reichlich Trüffel über die Nudeln hobeln, genießen