The Grand Berlin: Landmaus erstarrt vor Bewunderung

Herzen von Ostberlin, nahe dem Alexanderplatz, um die Ecke von Volksbühne und Hackeschen Höfen, fußläufig vom Soho House (man gönnt sich ja sonst nichts), in einem unscheinbaren, grauen, klassizistischen Zweckbau in einer Seitenstraße, dort erwartet The Grand – Restaurant, Bar, Club seine Gäste. Von außen könnte man es Understatement nennen – oder Renovierungsstau. Ebenso innen: alles ist irgendwie hergerichtet, trotzdem sind die Ziegelwände nur halbverputzt und überall lugen die bloßen Ziegel heraus, die metallene Theke der Bar erinnert ein Wenig an einen Seziertisch, die Ledermöbel gewollt etwas abgewetzt – aber bequem -, Bistrotische und Stühle im Restaurant, affig eng gestellt, darauf Leinen und feines Porzellan. Alles geht sehr leger zu, man kennt sich offensichtlich, man ist hipp und man ist in, man gehört „dazu“, die Kellner überschreiten zuweilen die Lockerheit über die Keckheit bis hin zur Unverschämtheit. Der Service ist sicherlich bemüht, man kann Glück haben und eine flotte, kompetente Servicekraft erwischen, man kann Pech haben und einen arroganten, langsamen, inkompetenten Schnösel erwischen – letztere sind eindeutig in der Überzahl. Das Publikum ist jung, offen sichtlich wohlhabend, international – und sowas von cooooool und urban, da schämt sich die Landmaus ob ihrer Provinzialität. Und ohne Reservierung geht hier derzeit sowie nix.
Die Bar ist etwas unpersönlich, aber ok, der Barmixer versteht sein Handwerk, die Spritauswahl ist recht gut, es gibt kaltes Bareis, Cocktails von 10 bis 20 € sind Standard. Für einen Drink davor taugt die Bar, einen Abend möchte ich hier nicht verbringen. Danach geht’s in den affig eng bestuhlten Speiseraum. Eigentlich eine typisch us-amerikanische Speisekarte mit sehr viel Fleisch, etwas Fisch, vernachlässigten Beilagen, dazu – man gönnt sich ja sonst nichts – Hummer, Foie Gras, Imperial Kaviar, Austern, der übliche Luxus-Schnick-Schnack. Die Meeresfrüchte-Etagere für zwei Personen prall gefüllt, aber bei weitem ihr Geld nicht wert, das gibt’s in jedem (na-ja, vielleicht nicht jedem) Pariser Bistro besser, frischer, wohlfeiler, ebenso die Foie Gras. Und die Ketchup-Note in der Cocktail-Sauce für die Krabben war eine echte Show. Viel Aufhebens wird um das Rindfleisch gemacht, tote Kühe aus aller Herren Länder und aller Rassen warten hier offensichtlich darauf, ihr Bestimmung auf Grill und Teller zu vollenden. Simmertaler, Charolais, Pinzgauer, Irish Herford, sogar Wagyu und US Prime warten im Kühlhaus gut abgehangen auf den hungrigen Gast, der mit 20 bis 120 € allein für den Fleischfetzen dabei ist, Beilagen nochmals jeweils um die 5 €. To make a long story short: mein Entrecôte vom Irish Herford Prome medium (ja, ich essen mein Steak medium, ich hänge nicht diesem rear-and-blood-Kult an) eine zähe, well-done Angelegenheit, bei Beschweren sagt mir der Service-Lümmel, das verstehe man allhier unter medium, Speckbohnen eindeutig aus der Mikrowelle, Kartoffelgratin OK, Kartoffelpüree (ich liebe Kartoffeln in nahezu allen Formen – außer industrielle Kartoffelchips) ein klebriges Desaster, das Filet-Steak vom Charolais von Karo ganz ok. Weinkarte riesig und gut international bestückt, ab 30 € ist man mit einer kleinen, ordentlichen Flasche dabei, nach oben geht’s dann deutlich in den vierstelligen Preisbereich. Service schlecht, Atmosphäre laut und überheizt, schlechte Luft, internationales, schickes, sich furchtbar wichtig nehmendes Publikum.
Wie sang doch einst STS? „Ich brauch kei‘ große Wöld / I‘ will heim nach Fürstenfeld.“ Eben.

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