Nach Catania ist es von Syrakus auf direktem Wege nur eine gute Stunde, aber wir haben ja Zeit und beschließen mal wieder, die Küste zu suchen. In Ermangelung von Alternativen fahren wir zuerst die Staatsstraße 114 durch halbwegs gepflegte Wohnbebauung nach Norden raus aus der Stadt. Je weiter man sich hier vom Stadtkern entfernt, desto moderner und gepflegter werden die meiste fünf- oder sechsgeschossigen ehrfamilien-Wohnhäuser, keine Klötze, sondern überschaubar, mit vielleicht zehn bis 30 Wohnungen pro Block, überall schmale Balkone (was will man mit den Dingern, außer vielleicht Wäsche aufhängen, frage ich mich immer), blühende Bäume und Büsche am Straßenrand, sauber gefegte Gehsteige, dann und wann eine Baubrache, am Horizont zuweilen das Meer, keine Industrie, hier scheinen die besseren Leute von Syrakus zu wohnen. Schließlich, bei Santa Panagia, man hat das Meer endlich unverbaut vor sich, führt die Straße über ein paar Kurven runter in die Ebene von Targia, hier nun linker Hand tatsächlich mal große, grüne Felder, rechts Wildwuchs, Bahnlinie, Gestrüpp Industriebauten und Industrieruinen, einfach so verfallend, dahinter das Meer. Wir fahren den Schlenker zur Halbinsel Thapos, plattes Marschland, Erdölindustrie, staubige Uferstraßen, dahinter Strände aus Sand, Gras, Geröll, Dreck, Lido geheißen, teilweise abgesperrt mit Zäunen, verkleidet mit zerrissenem grünem Stoff, verwaiste Buden, Umkleidekabinen und Klos, im Sommer ist hier wohl die Hölle los, der archäologische Park auf Thapsos ist nochmals deutlich langweiliger als in Akragas, ich weiß nicht, ob wir überhaupt mehr als eine Minute herumgeschaut haben, bevor wir weiterfahren, wieder Lido, wieder Marschland, wieder Erdölindustrie, zurück auf die 114, ins Meer ragen lange Molen für die Erdöltanker, große Raffinerien und Tanks, schließlich Augusta, trotz des hübschen Namens im Bundeswehr-Jargon nur „NATO-Tanke“ genannt, alldieweil hier die NATO-Schiffe, die im westlichen Mittelmeer operieren, aufgetankt werden, und jeder Matrose ist froh, wenn es gleich weitergeht und er nicht das Wochenende in Augusta verbringen muss. Wir fahren kurz in die Innenstadt – oder was man hier so Innenstadt nennt – und ich muss den Matrosen Recht geben: lieber eine Woche im Sturm auf See als ein Wochenende in Augusta, ich habe wirklich selten eine so hässliche Stadt gesehen, Augusta toppt selbst Bochum oder Detroit um Längen.
Hinter Augusta fahren wir auf einem winzigen einspurigen Sträßchen weiter nach Norden, eingewachsene Einfamilien- und Wochenendhäuser hinter dicken Mauern und Zäunen, grüne Felder, Wiesen, Gärten, fast schon lieblich, über eine Stichstraße kommt man zum Castello di Brucoli, eine winzige alte Festung am Meer, unspektakulär, über weitere Stichstraßen kommt man später zu zwei abgelegenen, wirklich recht hübschen, felsigen Badebuchten mit ein paar einfachen Wochenendhäusern, aber ohne diese ganze touristische Infrastruktur, hier könnt’s selbst mir gefallen. Irgendwann muss man dann wieder auf die Staatsstraße 114 schnurstracks nach Norden, parallel zur Küste, die hier meist aus Sandstrand besteht, touristisch aber offensichtlich trotzdem nicht voll erschlossen ist, kleine Orte, die Äcker und Wiesen gehen in verwuchertes Brachland über, das teilweise sogar eingefriedet, aber eben unbestellt ist, weiß der Geier, warum, irgendwann erscheint am Horizont der Ätna, ziemlich hoch, der Gipfel beruhigend mit Schnee bedeckt. Vor Catania macht die 114 nochmals einen Schlenker in’s Landesinnere, um das Naturreservat Oasi del Simeto zu umgehen, und hinter dem Flughafen von Catania, mitten an der vierspurigen Haupteinfallstraße, 2 Kilometer vor der Stadt, kommt es dann, das Romano Palace Luxury Hotel, das einzige Fünf-Sterne-Haus der ganzen Gegend: für mich ein Drecksloch, und Caro widerspricht mir peinlich berührt nicht. Die arme Sekretärin, wenn sie wieder heimkommt. Also: vierspurige Einfallstraße mit Palmen und durchgehend Parkreihen an beiden Seiten, die Seeseite Kilometerlang komplett und massiv mit wenigstens 2,5 Meter hohen Zäunen mit Sichtschutz eingezäunt, man erreich an keiner Stelle ohne zu zahlen das Wasser, weil alles zugepflastert ist mit privaten Beach-Clubs mit Clubhouse, Disco, Kiosken, einem Stück Privatstrand, Liegen, Pools, Spielplätzen, Beach-Volleyball-Plätzen, Restaurants, Bars, alles natürlich nur gegen Eintritt, und für die Besucher – im Sommer müssen es Heerscharen sein – gibt es eben diese ewig langen Parkmöglichkeiten. An der Landseite der Straße hingegen verfallende Industrieruinen, Sportstadien, zwei große Hotelanlagen, verwildertes Brachland, eine Kaserne, Industriebauten, streunende (aber friedliche) Hunde, zu Fuß eine gute halbe Stunde in die Stadt, alternativlos entlang dieser viel befahrenen, hässlichen, schatten- und ereignislosen Hauptstraße (keine Chance, eine Weg am – eingezäunten – Strand oder – mangels Masse – durch romantische Altstadtgässchen zu nehmen), mit dem Taxi – so man denn mal eines bekommt – irgendwas zwischen 10 und 30 EURO, je nach Laune des Fahrers, fast immer ohne eingeschaltetes Taxameter und immer ohne Beleg, das ist genau der Ort, wo man Urlaub machen möchte.
Hier an der Landseite also unser Hotel, das Romano Palce Luxury Hotel, „Fühlen Sie sich wie ein VIP mit dem Weltklasseservice der Unterkunft Romano Palace Luxury Hotel“ schwindelt ein Reiseveranstalter ganz massiv. Nach einigem Suchen und mehreren Ehrenrunden um die zahlreichen Kreisverkehre finden wir schließlich die Einfahrt in den kleinen Park / großen Garten, in dem das Hotel sich befindet. Das Gebäude selber ist ein großes zwei- bzw. dreistöckiges, ockerfarbiges U, links und rechts an den U-Enden befinden sich diverse Räume für Tagungen und Feierlichkeiten, für die das Haus wohl offensichtlich ausgelegt ist und die hier reichlich stattzufinden scheinen. Doorman, Page oder Wagenmeister sind Fehlanzeige, einsam stehen wir mit unserem Auto auf dem staubigen Platz vor dem U, in einen der Tagungsräume strömen gerade früh-mittelalterliche Damen, ich würde sagen, aufpolierte Dorfschranzen zwischen 30 und 40 in Zara-Klamotten mit besser verdienenden Ehemännern, tatsächlich – so werden wir später erfahren – sind es Inhaberinnen von Kosmetikgeschäften, die hier auf Einladung irgendeines Teuer-Schmiere-Konzerns dessen neue Schmiere-Kollektion vorgestellt bekommen, auf dass die Damen auf Lande auch in Zukunft ordentlich geschmiert sein mögen, oder, wie Yoda immer sagt „Möge die Schmiere mit Euch sein!“ Vorfahren zum Hoteleingang an der Kopfseite des Us ist auch nicht möglich, da führen nur zwei überdachte Fußwege hin, ansonsten gibt es den kleinen Hotelpool, Grünzeugs und einen verwaisten Freisitz mit Springbrunnen, aber keinen Fahrweg. Wir diskutieren kurz, ob wir den Großkotz raushängen lassen sollen, Karre hier stehen lassen, zur Rezeption gehen, Schlüssel auf den Tresen knallen und sagen „Ausräumen, parken, Gepäck auf’s Zimmer, aber zack-zack“ oder ob wir als liebe Gäste anfangen sollen. Wir entscheiden uns für Letzteres, fahren hinter das Haus auf den staubigen Hotelparkplatz, ziehen unsere Reisetaschen durch den Schotter zum Eingang und kommen ziemlich staubig in der Hotelhalle an, die bereits eine Monstrosität für sich ist: düster, zweigeschossig mit umlaufender Balustrade, rechts die Rezeption, links der verwaiste Concierge-Counter; die ganze Halle undezent dekoriert mit irgendwelchen nachgemachten, bedrohlichen, lebensgroßen Holzfiguren mit Säbeln, vielleicht Bali-Style, vielleicht Südsee, jedenfalls grässlich, manche mit gleich zwei Köpfen, dazu jede Menge Deko-Tinnef, auf alt getrimmt Möbel im rustikalen Kolonialstil, Sofas so niedrig wie in Shisha-Höllen, dann wieder ganz normale Hotelstühle., alles kunterbunt zusammengewürfelt, ein echtes Gruselszenario, hier könnte problemlos ein Horrorstreifen spielen „Die Mördernacht der lebenden Götzen“, „Concierge des Grauens“ oder so. Nun gut, wir checken ein, diesmal kein sich vordrängender Paketbote, gehen mit unserem Gepäck – kein Page weit und breit, es wird sich auch keiner in den nächsten drei Tagen blicken lassen – zu unserem Zimmer im ersten Stock mit Aussicht auf den Pool, auf den ersten Blick ein normales Zimmer halt mit Steinfußboden, fensterlosem Marmor-Bad, kleinem Balkon mit zwei mageren Stühlen, großem Bett, einer langen Platte als Schreibtisch, zu wenig Steckdosen, abgestoßenen Wänden und Möbeln, bröckelndem Putz am Türstock, Schimmel und Kalk in der Dusche, Wollmäusen unter’m Bett, flauschigen Bademänteln, zerschlissenen, an den Rändern ausgefransten Handtüchern, reichlich Pflegeprodukten, Schlieren an den Fenstern – wir lassen uns gar nicht erst häuslich nieder, wir betrachten nur dieses Hotel-Trauerspiel, und ich sehe, wie Caro zusehends der Kamm schwillt, in der Haut ihrer Sekretärin möchte ich wirklich nicht stecken – aber als Caro bei unserer „Inspektion“ auch noch sieht, dass der Zimmertresor offen und unbrauchbar ist, dort, wo in der Tür-Innenseite wohl eine Batterie sein sollte hängt nur ein Kabel aus dem Loch, da platzt ihr der Kragen endgültig. Sie greift zum Telephon und zitiert den Rezeptionisten zu uns, und dies in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Trotzdem dauert es wenigstens 10 Minuten, bis die Schnarchnase erscheint. In bösem – bitter-bösem, nicht aufgeregtem oder beleidigendem – Ton zeigt Caro dem Mann vom Hotel die inakzeptablen Unzulänglichkeiten der Behausung. Dieser hört völlig emotionslos zu und schaut artig, aber desinteressiert, wenn Caro auf einen Makel deutet. Ohne jede Regung, offensichtlich auch ohne jede Entschuldigung sagt der Mann was von „passare a una suite“ und Caro antwortet was von „ma voglio vederlo prima“. Dann erklärt sie mir, der Rezeptionist habe uns ein Upgrade in eine Suite auf Kosten des Hauses angeboten, aber die wolle sie sich erstmal ansehen, bevor wir umziehen, ich solle so lange hier warten und auf das Gepäck aufpassen – „Jawoll Cheffe!“ – sogar ihre absurd große Handtasche mit ihrem offensichtlich so wertvollen Inhalt überlässt sie meiner Obhut, welche Ehre. Ein paar Minuten später kommt Caro mit den Worten „Wir ziehen um!“ – „Jawoll Cheffe“ – zurück, schnappt sich ihre Reise- und ihre absurd große Handtasche, ich folge ihr brav und wir gehen in die nächste Scheußlichkeit, aber zumindest in Takt und sauber. In einer Art Vorraum mit fröhlich grauen Wänden stehen ein paar Sitzmöbel, Tisch und Sekretär im Bochumer Biedermeierstil, der mächtige Kleiderschrank scheint irgendwie mit Futter bezogen zu sein, wie das in den Fünfzigern wohl mal en vouge gewesen sein mag, dahinter von einer Tür-losen halben Wand abgetrennt ein großes Bett, wieder Bochumer Biedermeier, das Kopfteil des Bettes unter einer Art bedrückendem Rundbogen, filigrane Nachtischlein, geschmacklose, funzlige Lampen, wie fast immer für zwei Personen nur ein Kofferständer – ja reisen die denn alle mit einem einzigen gemeinsamen Familienkoffer? – hübsches Bad, und vor allem: sauber und der Safe funktioniert. Hier bleiben wir also. Doch noch etwas groggy vom vorigen Abend und seinen Folgen legen wir uns nochmals hin für einen Mittagsschlaf; ich werde geweckt von dem Geräusch der zufallenden Zimmertür, durch die Caro offensichtlich gerade unbemerkt entschwunden ist. Ich setzte mich erstmal ausgiebig in die Badewanne, um wach zu werden. Danach durchstreife ich lustlos desinteressiert die Hotelanlage. Die Zimmertüren sind bemalt mit irgendwelchen Osmanischen Reminiszenzen, dicke Männer mit Turbanen und junge Frauen mit Schleiern, Flamingos, Großkatzen, sowas halt, die Gänge sind lang und düster, immer wieder stehen Scheußlichkeiten rum, blättert Putz, sind die Wände abgeschabt, Flecken auf dem Boden, „deutlichen Renovierungsstau“ nennt man sowas, auf der Balustrade über der Halle kann ich auch den hinteren Ausblick des Hotels bewundern, es grenzt an einen öffentlichen Park, wobei mir noch nicht klar ist, ob hier tatsächlich Park oder aber Müllkippe gemeint ist, aber auch wenn alles zugemüllt ist, ist es für eine Müllkippe doch deutlich zu belebt und laut, jedenfalls wäre ein Zimmer nach hinten raus hier eine echte Strafe. Neben der Grusel-Hotelhalle gibt es eine akzeptabel aussehende, gut bestückte Bar mit langem Tresen und Sitzgruppen, dahinter dann wohl eines der Restaurants des Hauses, anscheinend soll es zwei geben, nur das andere finde ich irgendwie nicht. Sowohl der Freisitz als auch der Pool innerhalb des Gebäude-Us sind verwaist, ich finde den Pool auch ziemlich dämlich und schmucklos angelegt, und von den Balkonen aus kann man den Badenden und Sonnenden zuschauen. Der Hotelpark – von der Einfallstraße durch eine dicke Hecke und hohen Eisenzaun abgegrenzt – ist gepflegt, grün, blühend, nur Atmosphäre oder Lauschigkeit oder irgendein sonstiges positives Gefühl kann ich hier nicht entwickeln, Grünzeugs halt. Dieser Park wird hergenommen für Feierlichkeiten, bei Bedarf werden auch zusätzliche Partyzelte aufgebaut, das ist halt eine Event Location, wie man so schön sagt. Wenn man durch das große schmiedeeiserne Tor das Anwesen verlässt steht man auf der hier fünf-spurigen, staubigen, viel befahrenen Einfallstraße nach Catania, vis-à-vis hohe Zäune der Beach-Clubs dicht an dicht, das Meer sieht man nicht, geschweige denn, dass man mal eben so an der Strand gehen könnte, links und rechts Industrie, Stadien, ein noch hässlicheres NH Hotel, Kaserne, Ruinen, verwildertes Brachland, schräg über die Straße gibt es tatsächlich ein Fischrestaurant, für mich sieht es so aus, als ob man Erbschaftsfragen oder Eheprobleme mit einer Einladung in dieses Etablissement ein für alle Mal lösen könnte – sofern man selber nichts konsumiert. Ein paar Blocks weiter, sagt Google Maps, soll es noch ein All-You-Can-Eat China-Restaurant geben, ansonsten ist hier tote Hose, alle Beach-Clubs – wo sonst wahrscheinlich das pralle Leben tobt – zu, im Hochsommer kann die Lage des Romano Palce Luxury Hotels für Party People ja genial sein, aber jetzt … Ist tötere Hose die Steigerungsform von tote Hose? Es ist höchste Zeit für Bar. Nachdem ich den an Hässlichkeit schwer zu übertreffenden, wohl geschnitzten – wieder Bali- oder Südsee-Style – – vermute ich – Türstock unbeschadet durchschritten habe bin ich einem durch und durch ocker-farbenen Raum, ockerer Steinfußboden, ockere Wände, selbst die Oberfläche des Bartresens scheint aus ockernem Marmor, dazu gedämpftes, ockerns Licht, es ist eine Ocker-Orgie, Baby-Dünnschiss würde hier farblich gar nicht auffallen. Niedrige Sitzgruppen aus Sofas und Sesseln, Licht von zwei Seiten – es ist viel zu hell hier für eine Bar, zefix, aber der Abend wird’s schon richten, ein Piano, ein langer, an der Frontseite mit Mosaiken verzierter Bartresen, mit zwei beachtlichen, ebenfalls mit Mosaiken verkleideten viereckigen Säulen, wozu auch immer, Barhocker mit Zebra-Muster-Bezug. Die Bar ist fast leer, nur ein paar ältere Damen lauschen verteilt auf eine der Sitzgruppen einem nicht ganz so alten Herren, der salbungsvoll und eindringlich, aber nicht laut, sondern sonor, allerdings begleitet von nicht enden wollenden ausladenden Hand- und Armbewegungen, die wohl seine Ausführungen – worüber auch immer – unterstreichen sollen. Ich fleze mich auf eine der Zebra-Hocker, der Keeper ist jung, freundlich, zuvorkommend, weißes Hemd, akkurat gebundene schwarze Krawatte, schwarze Schürze mit dem Logo des Hotel, und – das Wichtigste – er versteht sein Handwerk. Ich frage nach einem Sizilianischen Gin, nein, den gäbe es nicht, antwortet der junge Mann – er hat wohl Recht, bis heute habe ich keinen Sizilianischen Gin gefunden, nur den Malfy vom Festland halt, neuerdings auch mit Sizilianischer Blutorange erhältlich, wieder so eine Sache, die kein Mensch braucht – aber es gebe einen heimischen Gin von einer winzigen Insel nördlich von Sizilien, Panarea geheißen, und die Kräutlein dieses Eilands sollen ihm seine unverwechselbare Note verleihen, angeblich nach einem Familienrezept von 1832. Ja, ja, all die Sizilianischen Gin-Benner im Jahre 1832, man kennt sie ja, diese große, ungebrochene Tradition …, denke ich mir. Der Panarea ist kein London Dry, sondern nur ein Dry Gin, mit 44 Umdrehungen, im Geschmack nicht komplex, sondern einfach nur vermurxt, zu viel von Vielem, für meinen Geschmack hat da jemand eine komplette Wiese auf Panarea abgemäht, alles in einen Bottich mit Getreideschnaps geworfen, abgesiebt, nachgesüßt, Guru-Guru gerufen, auf Flaschen abgefüllt und gut 40 EURO für den Liter verlangt. Aber der junge Mann macht mir daraus fehlerlos – er weiß sogar, was washed bar ice bedeutet, nur hat er leider kein Bar-Eis, dafür aber gefrostete Gläser – einen Martini Cocktail. Auch als Martini wird der Panarea nicht besser.
Der junge Mann stellt Stifte von Möhren und Stangensellerie in einem kleinen Glas neben meinen Drink, dazu noch Schälchen mit gesalzenen Erdnüssen, obskuren Kräckern und Kapernäpfeln. Ich habe selten so intensiv und gut schmeckende Möhren und Sellerie gegessen, für diesen Geschmack braucht man halt einfach die Sonne des Südens, und nicht die Nährlösungen Holländischer Treibhäuser. Ich beschließe, mich bis zu Caros Rückkehr hier einzurichten. Um nicht vor der Zeit vom Barhocker zu fallen ordere ich – aus der ausgesprochen kurzen Barkarte – ein Croque Monsieur, wie erwartet nicht aus der Pfanne, sondern zwei industrielle Weißbrotscheiben, eine Scheibe Kochschinken und eine Scheibe Käse, alles kurz im Sandwichmaker erhitzt, gebräunt, geschmolzen, verschmolzen, quer halbiert und serviert, aber was soll’s, es sättigt, und ich muss zugeben, guter Schinken, guter Käse. Ich lasse die Finger vom Panarea und steige auf Tanqueray No. Ten um, da weiß ich, was ich habe, und schreibe weiter an einem Bericht über sizilianische Stadthotels. Ein paar Martini Cocktails und viele Gläschen mit Möhren- und Sellerie-Sticks später, so gegen 20:00 Uhr SMSst Caro „Sitze im Taxi“, „Sitze in der Bar, von der Halle rechts neben der Rezeption“ schreibe ich zurück. „Dachte ich mir. Aperol Spritz und Rum, 10 min max“ antwortet sie. Ich bestelle den Aperol Spritz und ganz einfach 100 ml Zacapa XO, was den jungen Mann jetzt aber doch überfordert. Er erklärt mir, Rum werde hier in 20 und 40 ml serviert. Ich erkläre ihm, das sei mir schon klar, schließlich könne ich ja die Karte lesen. Wenn es 100 ml Rum nicht gebe, erkläre ich ihm weiter, dann hätte ich jetzt gerne zweimal 40 ml Rum und einmal 20 ml Rum, von mir aus auch fünf mal 20 ml, und das alles in einem Glas. Er schaut mich an wie ein Auto und sagt nur fassungslos, dass das aber mehr koste als ein normaler Rum, vielleicht denkt er, ich wolle am Preis feilschen oder so, zweieinhalbfache Menge, gleicher Preis oder so. Kein Problem, entgegne ich, er solle nur berechnen, was er berechnen müsse, und für mich nutze ich die Gelegenheit auch noch und bestelle mir gleich noch einen Martini. Sichtlich kopfschüttelnd macht sich der junge Mann auf die Suche nach einem passenden Glas für den Rum und verfällt schließlich auf eines dieser dickwandigen, leicht konischen Averna-Gläser mit dickem Boden, das mit 100 ml Rum tatsächlich zu dreiviertel gefüllt ist. „Ice?“ fragt er mich, als er das Averna-Glas mit Rum auf die Theke stellt. „No thank you.“ antworte ich und denke mir zugleich, dass Caro ihm im besten Falle den Arm brechen, wahrscheinlich aber – ungleich schlimmer – verklagen würde, sollte er mit einem Eiswürfel auch nur in die Nähe ihres Rums kommen. Grade steht alles auf der Theke – Martini, Rum, Aperol Spritz, neue Gemüsesticks –, da schneit auch schon Caro rein, schmeißt ihre absurd große Handtasche und ihre Jacke auf einen der Zebra-Barhocker, Kuss auf die Wange, sie setzt sich auf den Hocker neben mich, ich schiebe ihre Drinks rüber und die Gemüsesticks, den Rum trinkt sie in zwei Schlucken. Kann es sein, dass die Frau ein Alkoholproblem hat? „Was ist das?“ fragt sie. „Keine Ahnung.“ antworte ich und zeige auf die Flasche im Regal. „Nicht schlecht“. „Probier‘ mal die Gemüsesticks.“ „Iiiiii – Vitamine.“ quiekt Caro spaßhaft, knabbert dann aber doch tapfer und nuckelt dazu an ihrem Aperol Spritz. Caro erzählt mir von ihrem ersten Termin heute. Einer der größten und wichtigsten Syndikalen wollte sie vorab unter vier Augen sprechen. „Was für ein Arschloch. Was für ein Quadrat-Arschloch.“ kommentiert sie das Gespräch. „Was ist denn los, was hat der Kerl denn angestellt, dass Du so sauer bist?“ „Frag besser nicht, erstens darfst Du’s gar nicht wissen, zweitens willst Du’s wahrscheinlich auch gar nicht wissen. Wenn ich mache, was der Kerl von mir will, riskiere ich mein Notariat und meine Anwaltszulassung schneller als ich ‚Ich war’s nicht.‘ sagen kann, und außerdem würde ich mit ziemlicher Sicherheit auch noch in den Knast gehen und hätte wahrscheinlich zu allem Überfluss die wütende Cosa Nostra am Hals.“ „Das ist echt starker Tobak.“ versuche ich das ganze irgendwie interessiert-mitfühlend zu kommentieren, und es würde mich schon brennend interessieren, was für eine Schweinerei er von Caro verlangt hat, aber da ist Caro eisern und professionell, was ihre Schweigepflicht anbelangt, selbst im Bett. „Das ist nicht der wirklich starke Tobak an der Geschichte,“ schimpft Caro weiter, „weißt Du, was der wirklich starke Tobak an der Geschichte ist?“ Dramaturgische Sprechpause, ich blicke sie über den Rand meines Glases fragend an, während ich von meinem Martini trinke. „Die eigentliche Schweinerei an der ganzen Geschichte ist es, dass der Kerl mir für die ganze Sache einen lachhaften Betrag an Bestechungsgeld – ‚ulteriore indennità esente da imposte‘ hat er‘s genannt …“ „Sorry, Du weißt doch, dass ich kein Italienisch spreche, was heißt das?“ „Ungefähr sowas wie ‚ zusätzliche steuerfreie Aufwandsentschädigung‘. Jedenfalls hat er mir einen lachhaften Betrag dafür geboten, dass ich meine kleine Goldgrube“ – so nennt Caro ihr Notariat, wenn keine Mandanten in der Nähe sind – „verlieren könnte, meine Job, meine Freiheit und am Ende auch noch mein Leben. Für was hält mich dieser arrogante Dreckskerl? Für eine billige Straßennutte, die man mit nem Fuffi abspeist und dann in den Arsch ficken kann? Dem habe ich aber was erzählt!“ „Was denn?“ frage ich nur halb interessiert, während griechische Phantasien aus dem Unterbewusstsein in meinen Kopf steigen. „Dass er sich nen Schuh aufblasen soll und dass er sich das abschminken kann, habe ich ihm erzählt, und wenn er nur noch ein Wort sagt, werde ich es den anderen Syndikalen erzählen. Ich sah mich schon tot einbetoniert im nächsten Brückenpfeiler-Fundament, aber in dem Augenblick konnte ich mich nicht zurück halten, so wütend war ich.“ Ok, denke ich mir, das erklärt und rechtfertigt die 100 ml Rum. „Sag mal,“ frage ich nach, „bist Du jetzt so sauer, weil er Dich zu einer Sauerei verleiten wollte, oder wegen des Preises?“ „Du kannst Fragen stellen, Du Dummerchen. Mit Sauereien werde ich andauern konfrontiert, das ist ja schließlich mein Job, und mal heult man mit den Wölfen, mal trollt man sich ganz einfach, manchmal holt man auch die Schäfer, mehr, um den eigenen Pelz zu schützen als aus moralischen Gründen. Aber wenn ich mit Sauereien konfrontiert werde, dann stimmt in der Regel der Preis, so dass man einen trade off machen kann. Aber wer denkt der Kerl, dass ich bin, dass er mir nen Appel und nen Ei anbieten kann?“ Wie vermutet, Caro ist nicht sauer ob des intendierten Betrugs und Rechtsbruchs, Caro ist sauer, weil ihr so ein niedriger Preis dafür auch nur angeboten wurde. Der junge Mann, der sich – wie es sich für gute Keeper gehört – wenn möglich außerhalb der unmittelbaren Hörweite aufhält – aber wahrscheinlich ist auf Sizilien sowieso alles verwanzt, und da ist es gut, dass Caro keine Namen oder Details nennt – verschwindet nach hinten, denn während dieses kurzen, erregten Berichts ist auch die Rumflasche auf geradezu mystische Weise leer geworden, und er besorgt Nachschub. Ich gebe Caro erstmal Gelegenheit, sich zu beruhigen. „Essen?“ frage ich irgendwann dann. „Duschen.“ ist die Antwort, ich muss erstmal den ganzen Dreck von vorhin wegbekommen. Caro verschwindet nach oben, ich bestelle mir noch einen Martini – jetzt ist auch die Flasche Tanqueray No. Ten auf mystische Weise leer geworden – und schreibe weiter. Bald erscheint Caro wieder – sie ist normalerweise keine dieser Zwei-Stunden-Badezimmer-Frauen, und trotzdem sieht sie immer top aus – in Jeans, Polo, Sandalen, ganz Räuber-Zivil und flezt sich erneut neben mich, bestellt die nächste Runde und fragt „Wie sieht’s bei Dir mit Essen aus?“ „Weiß nicht. Eine Kleinigkeit habe ich schon gegessen, Schinken-Käse-Toast, gar nicht so schlecht. Es gib ein paar Sachen hier in der Bar, eins weiter ist noch das Hotelrestaurant, sieht jetzt nicht überwältigend aus. Oder wir fahren mit dem Taxi in die Stadt, hier draußen gibt es fußläufig sonst nichts.“ „Meiner Sekki werd‘ ich was erzählen!“ seufzt Caro und bittet den jungen Mann, uns die Speisekarte aus dem Hotelrestaurant zu besorgen.“ Nun gut, die reißt uns nun nicht vom Hocker, Risotti, Nudeln, Catch of the Day, Lamm, Meeresfrüchte, Steak, Salat, das übliche Touristen-Hotel-Restaurant-Einerlei halt, um ethno food versessene Gattinen einerseits und Steak süchtige Gatten andererseits gleichermaßen kulinarisch ruhig stellen zu können. Wir beschließen, in der Bar zu bleiben und uns mit Schinken-Käse-Toasts, Nudeln, Gemüsesticks, Erdnüssen und Drinks über den Abend zu retten. Ach, hatte ich schon erwähnt, zwar mieses Brot, aber guter Käse, guter Schinken, da beißt die Maus keinen Faden ab?
Überraschend gut am nächsten Morgen nach ruhigem, tiefem Schlaf das Frühstück, im Dachrestaurant mit Ätna-Blick auf der einen und Meer-Blick auf der anderen Seite, so eine Lage muss man erstmal finden, sehr hübsch, nur die Dachterrasse ist leider geschlossen, auch auf Nachfrage öffnet das Personal die Terrasse nicht. Der Frühstücksraum selber ist ein großer multifunktionaler Veranstaltungsraum, von der Familienfeier und Tanzabend über Firmenevent und Verkaufsveranstaltung bis hin zu Kongress und Seminar kann man in diesem absolut gesichts- und Ambiente-losen Raum – aber, zugegeben, mit beiderseits hübscher Aussicht – alles, aber auch wirklich alles veranstalten, auch des Morgens das Hotelfrühstück, und das ist für Italienische Verhältnisse ziemlich gut. Am besten an dem ganzen Frühstück ist freilich der frisch gepresste Saft von Sizilianischen Blutorangen, eigentlich soll man sich hier selber an einer dieser eigentümlichen automatischen Orangensaft-Press-Maschinen bedienen, die die Früchte halbieren, sodann die Fruchthälften über zwei Räder zur Presse befördern und die ausgepressten Schalen schließlich entsorgen, während unten der frische O-Saft herausfließt, soweit die Theorie, nur das Exemplar im Romano Palce Luxury Hotel (zur Erinnerung: „Fühlen Sie sich wie ein VIP mit dem Weltklasseservice der Unterkunft Romano Palace Luxury Hotel“) spackt ständig irgendwie, mal bleibt eine Orange im Zuführungsschacht stecken, mal vermag das Messer die Frucht nicht zu zerteilen, mal verkeilt sich eine halbe Orange an der Presse oder im Auswurfschacht, mal ist der Saftausfluss von Flusen verstopft, jedenfalls presst das Personal lieber selber den Saft und bringt ihn an den Tisch, bevor sie ständig die Maschine wieder richten müssen, während sich hinter ihnen Schlangen saftdurstiger Gäste bilden, der Saft selber allerdings köstlich, absolut köstlich, nicht mit anderem frisch gepressten O-Saft und schon gar nicht mit der Ware aus Flaschen und Tüten vergleichbar, dieser Saft definiert für mich Orangensaft neu. Ansonsten naja, mäßiges Brot und Brötchen, unmäßiges Süßbackzeugs, akzeptable Wurst, Schinken, Käse, Cerealien, abgepackte Marmeladen, wenig, aber gutes geschnittenes Obst, Eierspeisen am Tisch à la minute serviert, sehr guter Kaffee, alles in allem sicherlich kein sehr gutes Hotelfrühstück, wahrscheinlich noch nicht einmal ein gutes, aber das Beste, das wir auf unserer ganzen Sizilien-Rundreise bekommen. Am Ende hat Caro Magenschmerzen, weil sie zu viel von dem köstlichen Orangensaft getrunken hat, wenigstens ein Dutzend Gläser. Caro muss zu ihrem ersten Meeting an dem Tag, ich fahre mit ihr im Taxi in die Stadt, beim Park Villa Bellini hüpft sie in ihrer unnachahmlichen Art aus dem Wagen und lässt mich mit der Rechnung zurück, das Taxameter läuft sowieso nicht, und ich darf jetzt einem Italienischen Taxifahrer erklären, dass ich gerne eine Quittung mit Unterschrift für’s Deutsche Finanzamt hätte, denn die Rechnung kriegt Caro zurück, ich sehe doch nicht ein, dass ich ihre Dienstfahrten bezahle. Über Catania zu schreiben habe ich keine Lust, die Stadt ist einfach nur hässlich. Ich gehe erstmal Richtung Hafen, an der Piazza Carlo Alberto laufe ich durch die Stände der Fera ‘o luni – der entgegen seines Namens täglich stattfindet -, Tand und Ramsch wie überall, von dem viel gepriesenem orientalischen Flair spüre ich jedenfalls nichts.
Während ich Richtung Hafen streife, merke ich mal wieder, wie schizophren ich zuweilen bin. Catania: Straßenzüge voller drei- und viergeschossiger Wohngebäude aus dem vorletzten Jahrhundert, weiter nördlich dann auch modernere, höhere Gebäude, aber beileibe keine Wolkenkratzer, manchmal gepflegt, meist heruntergekommen, Baubrachen voller Müll, zugeparkte Bürgersteige, beschmierte Wände, bröckelnder Putz, Straßen mal mehr, mal weniger sauber, einzelne Geschäfte, noch viel Einzelhandel, kleine Handwerker, fliegende Gemüse- und Fischhändler, wenig Grün, hin und wieder eine verkehrsberuhigte Straße, von Carabinieri bewachte Ämter, kleine Kneipen und Restaurants, Mopeds knattern, Autos hupen, schreiende Kinder, einkaufende Muttis, rauchende Männer, stumm aus den Fenstern blickende Alte, lungernde Halbstarke, Fellini könnte hier und jetzt seine Kamera auspacken und sofort mit dem Drehen beginnen, das ist Italien wie es leibt und lebt, hier verbiegt sich niemand, um sich und seine Stadt für Touristen hübsch zu machen.
Die paar Palazzi, Kirchen, der Dom, das verstümmelte Castello Ursino und der Elephantenbrunnen sind jetzt sightseeing-technisch nicht so die Bringer, als dass deswegen eine Kreuzfahrtschiff hier anlegen würde, ganz interessant ist sicherlich noch das teilweise überbaute Amphitheater. Hier findet man keine McDonalds, keine Touristenhotels, keine Andenkenshops, keine zwei-, drei-, vier-sprachigen Speisekarten, keine aggressiven Touristen-Fänger vor den Restaurants, keine Swarovsky- und Benetton-Filialen, keine Hop-on-hop-off-Busse, überhaupt keine touristische Infra- und Melk-Strukturen für die paar verirrten Ätna-Touristen und die Seeleute, die wohl die einzigen Fremden hier sind. Das ist eine ganz ungeschminkte, authentische, unaufgeregte Italienische Stadt, die nicht von Touristen lebt, sondern von Industrie, Seefahrt, Landwirtschaft … Und das passt mit jetzt auch wieder nicht. Genua ist auch so eine ungeschminkte, authentische, unaufgeregte Italienische Stadt, und ich mag Genua sehr, denn Genua hat Flair, Catania hat kein Flair. Ich kann’s auch nicht weiter erklären: Genua ja, Catania nein, Mailand ja, Venedig nein, Rom ja, Florenz nein, … tja, vielleicht rein subjektive Meinung. Auch das Hafengelände von Catania ist unspektakulär. Obwohl große Schilder das Betreten verbieten, laufe ich unbehelligt durch das große Tor, ein paar Fähren und Frachtschiffe dümpeln an den Kais, viele klein Boote, irgendwo ein Kriegsschiff, mittagsträge Agonie, noch nicht einmal eine kühle Brise geht hier am Wasser. Im Hafencafé, es nennt sich Port Winter Coffee, trinke ich Espresso und Campari Soda, wild entschlossen, dem bunten Hafentreiben zuzuschauen, nur es treibt rein gar nichts hier am Hafen, weder bunt noch schwarz-weiß, außer dann und wann mal ein Container-Laster, der langsam auf das oder von dem Hafengelände fährt, ansonsten ist in Posemuckel auf dem Dorfplatz wahrscheinlich mehr los.
Ich streife noch etwas durch die Stadt, hole mir irgendwo eine Sfincione auf die Hand und fahren gegen Mittag missgelaunt in’s Hotel zurück. Die Hinfahrt hat 25 EURO gekostet, die Rückfahrt jetzt 35 EURO, fast die selber Strecke, beides ohne Taxameter, Caro kriegt die Quittung über 35 EURO. Für die Bar ist es eindeutig noch zu früh, also setze ich mich auf den Balkon vor’s Zimmer und schreibe so vor mich hin, immer den Ätna im Blick. Gegen 16:00 Uhr lasse ich mir eine Flasche Wein bringen, wieder einen leichten Grillo, um kurz nach Fünf zieht’s mich dann halt doch in die Bar, es ist der selbe Keeper wie am Vortag, und er sagt den magischen Satz, mit dem man weiß, dass man in einer Bar heimisch ist, und sei’s bereits am zweiten Tag: „As usual, Sir?“, ich nicke und bekomme ohne weitere Worte meinen fast perfekten (Bareis fehlt halt) Martini Cocktail mit Tanqueray No. Ten. Gegen sieben schreibt Caro: „What’s up?“ – eine Anspielung auf Bugs Bunny, aber das ist eine andere Geschichte -, ich antworte „Hotelbar. Soll ich in die Stadt kommen?“ „Nein, bin fertig, komme ins Hotel, nur noch Dusche, Ruhe, Drinks“ Wie am Vortag erscheint Caro bald in der Hotelbar, nimmt einen großen Rum und stilles Wasser, verschwindet kurz auf dem Zimmer und kommt alsbald frisch geduscht und umgezogen zurück. „Wie war Dein Tag?“, fragt sie mich, „Scheiße!“, antworte ich, „Willkommen im Club!“, antwortet sie. „Was war bei Dir?“, fragt sie. „Ich mag diese Stadt einfach nicht. Nicht, dass ich was gegen Touristen-freie Städte hätte, aber Catania ist irgendwie so gar nicht meins.“ „Kann ich gut nachvollziehen, zumindest was ich so vom Taxi aus sehen konnte, schön geht anders.“ „Aber wenn’s schön wär, wären auch die Touristen hier, und dann wär’s nicht mehr schön, das ist ja das Paradoxon. Was war bei Dir los?“ „Ach, bisher haben alle unterschrieben, aber hier in Catania sitzen jetzt die richtigen Groß-Agrarier, und die zicken rum, wollen Sonderkonditionen, Mitsprache-Rechte nach Umsatzgröße, aber Kosten-Umlage für alle gleich, sowas kann nicht gehen. Die ersten Kleinen haben schon gedroht, ihre Unterschriften zu widerrufen, wenn die Großen sich durchsetzen. Es ist zum kotzen.“ Einige Drinks lang kotzen wir uns gegenseitig aus – zum Glück nicht an –, ich über die scheiß Stadt, Caro über ihre scheiß Groß-Agrarier, eine verbale Schmutzorgie über nicht Anwesende sondergleichen, kein guter Stil, aber sowas hilft zuweilen ungemein. Irgendwann wechseln wir das Thema: „Essen?“ „Gerne!“ „Wo?“ „Wo’s gut ist.“ „Also Taxi und Stadt.“ „Ne, nicht mehr raus.“ „Also hier.“ „Wenn’s gut ist.“ „Und wenn’s nicht gut ist?“ „Dann töte ich den Koch.“ Caro ist zuzutrauen, dass sie Wort halten würde. Der Küchenchef im Romano Palace Luxury Hotels heißt Giuseppe Fucile. Hätte Caro Wort gehalten, wäre er einige Zeit später mause-tot gewesen. Das Hauptrestaurant des Romano Palace Luxury Hotels heißt Coriandolo, zu Deutsch Koriander. Es liegt direkt hinter der Bar im Erdgeschoß in einer – man kann es nicht anders nennen – Nische an dem Durchgang von der Hotelhalle zu den hinteren Zimmern. Die eine Seite des Restaurants geht zu besagtem, verdrecktem, lautem, öffentlichem Park hinter dem Haus, entsprechend verhangen sind die Fenster zu dieser Seite, die andere Seite geht zum offenen Durchgang Richtung Zimmer und zu einer – jetzt geschlossenen – Terrasse innerhalb des Gebäude-Us des Hotels, eine Seitenwand ist variabel beweglich, um den Raum bei Bedarf vergrößern zu können, funktionale Veranstaltungs-Architektur halt. In der Nische selber stehen vielleicht 12 Tische mit schweren, weiß bezogenen Stühlen, groß mit weißer Leinentischwäsche eingedeckt, darauf Wassergläser aus buntem Murano-Glas, eine Anrichte und ein Tisch mit offenen Weinflaschen, ein großer Weinkühlschrank, ein wenig mehr überflüssig denn künstlerisch anmutender Zierrat, das war’s mit dem Interieur des Hauptrestaurants des Romano Palace Luxury Hotels: ein paar Tische in einer Nische an einem Durchgang, gemütlich, gar luxuriös geht völlig anders. Aber wir hoffen ja immer noch, dass dieser innenarchitektonische Purismus der gewollte Kontrapunkt zu den kulinarischen Höhenflügen dieses Etablissements sein könnte. Pustekuchen. Nach einem scheiß Tag jetzt auch noch scheiß Essen. Die Bedienungen – unser Barkeeper und ein weiterer junger Mann, mehr braucht’s eh nicht, die meisten Tische sind unbesetzt – sind flott, freundlich, nicht wirklich für die Hochgastronomie ausgebildet, aber bemüht. Italiener sehe ich keine unter den Gästen, nur Ausländer wie wir. Die Einheimischen wissen’s halt besser. Amuse geul gibt’s keines, die Küche grüßt nicht, und erfreut auch ansonsten nicht. Auch die Weinkarte entzückt irgendwie nicht, kein Sizilianischer Wein, den wir die letzten Tage nicht wenigstens einmal schon auf einer anderen Karte gesehen hätten; da uns – wie praktisch – der Barkeeper ohnehin bedient beschließen wir, bei unseren Drinks zu bleiben, Caro Rum., ich Martini, dazu mangels Alternative stilles Wasser Aqua Panna, so sehr wir es auch hassen, den Wasser- und Lebensmittel-Kraken Nestlé zu unterstützen. Nachdem wir uns einen absolut belanglosen gemischten Salat geteilt haben – geschnippeltes, unspektakuläres, unangemachtes Grünzeugs in einer Schüssel, daneben Pfeffer, Salz, mäßiger Essig, mäßiges Öl – nehmen wir als Vorspeise Nudeln, Caro Linguine mit Hummer und Tomatenfilets, ich eine Art Hörnchennudeln mit Wildschwein-Ragout. Die Linguine matschig-verkocht (eine Schande, wirklich eine Schande für jeden Koch im Heiligen al dente Land), der Hummer hart-zäh, bereits leicht nach Amin riechend, dazu fast kalt (wahrscheinlich vorbereitete Hummer-Stücke, die nur noch rasch auf die warmen Nudeln geworfen wurden), fette Sauce aus geschmacklosen Kirschtomatenstücklein – nix von wegen Filets – , Öl und glatter Petersilie, drum herum braune Tellerschmierereien aus dieser verfluchten industriellen Balsamico Creme. Meine Nudeln ok gekocht, darauf ein breiiges, undefinierbares Etwas von schwach gewürztem zerkochtem Fleisch. Vielleicht ist Töten des Koches noch zu viel, aber massive körperliche Züchtigung hätte er sich zu früheren Zeiten mit diesen Küchenleistungen bereits eingefangen. Ich schlage mich hernach mit ein paar gebratenen Langustinos mit Brot dazu durch, gar nicht mal so schlimm, derweil Caro an zwei Stücklein verhundstem, grau gebratenem Schaf herumsäbelt, dazu aufgewärmte Kartoffel- und Artischockenbröcklein und eine dünne braune Flüssigkeit, soll wohl eine Art Sauce darstellen. Diese Küchenleistung erklärt allerspätestens, warum dieses Restaurant so leer ist, das ist schlichtweg unter aller Kanone, da esse ich bei jedem Italiener in Wanne-Eickel deutlich besser. Wir vermuten, dass hier das meiste längst vorbereitet ist und die Küche angesichts der Nachfrage auf Minimal-Besetzung läuft, das zumindest könnte jeder Lehrling im ersten Lehrjahr, wenn da ein ausgebildeter Koch gekocht hat, dann hat der den Beruf um Längen verfehlt. Wir fragen uns, wer sich solch ein grottiges Haus antut, scheiß Lage, gruslige Inneneinrichtung, verwohnte Zimmer, Küche unterirdisch, … und dabei noch nicht mal billig.
Mit den Beach-Clubs vis-à-vis ist die Unterkunft im Hochsommer wahrscheinlich eine geniale Location für Party People, die eh im Dauer-Öl stehen und den Schmutz nicht sehen, sondern die nur kurz duschen, bumsen und pennen wollen, bevor’s zurück an den Beach geht. Ansonsten scheint das Haus genutzt zu werden für Kosmetikerinnen-Schulungen, Hochzeiten (anscheinend viele Schwule, aber auch richtige Hochzeiten), Verkaufsveranstaltungen, Firmenfeiern: alles mit viel Show und wenig dahinter, solchen Leuten kann man auch diesen Fraß vorsetzen, solange alles nur irgendwie nobel scheint. Sollte ich jemals eine Abteilung leiten, die durch die Bank weg absolut under-performt, für diese Kollegen würde ich genau hier eine einwöchige Schulung ansetzen, zur Strafe. Und Caro sagt, sie überlegt ernsthaft, ob sie ihrer Sekki, die uns das gebucht hat, statt Bonus in diesem Jahr ein verlängertes Wochenende in diesem Haus zukommen lässt, natürlich außerhalb der Badesaison. Frustriert gehen wir zurück an die Bar, die ist wenigstens in Ordnung. Und zum wirklichen Erstaunen des Keepers bestellen wir nochmals Schinken-Käse-Toast, nach dem Dinner.
Das gute am Romano Placa Luxury Hotel ist, dass man sich hier alsbald auf das Ende der Reise freut. Am nächsten Morgen bringe ich Caro mit dem Wagen wieder zu ihrem Notaio Kollegen in der Stadt, sie hat Bauchweh, weil sie schon wieder zu viel von dem köstlichen, frisch gepressten Blutorangen-Saft getrunken hat, ich will mit dem Wagen rauf auf den Ätna fahren. Felder, kleine Gehöfte, Dörfchen, Landschaft, ganz viel platte Landschaft, dann geht’s bergauf – was angeblich bei vielen Vulkanen der Fall sein soll –, es wird zuerst buschig, dann waldig, in den Wäldern meist gut verborgen offensichtlich nicht vollends ärmliche Wochenendhäuser, viele Kurven, je höher ich komme werden die schmalen Straßen noch schmaler, Regen, Schneegestöber, Schnee, Schneematsch auf der Straße, Schnee auf der Straße, die Sommerreifen der mediterranen Karre drehen durch, klar, auf Schnee ist hier rein gar nichts ausgelegt, das war’s, ich wende vorsichtig und fahre eine anderes Mal missmutig zurück in’s Hotel, lege mich in’s Bett, ziehe mir die Decke über den Kopf und warte, dass Sizilien vorbei geht. Kurz nach sechs schreibt Caro: „Fertig. What’s up, Doc?“ „Nicht schon wieder Hotel.“ Caro ruft an: „Ich habe heute mal die junge Assessorin des Notars ausgequetscht, wo man hingehen kann. Ich habe zwei Adressen hier ganz in der Nähe, um halb neun haben wir einen Tisch zum Abendessen in der angeblich legendärsten slow food Pizzeria ganz Catanias, und vorher eine Inn-Bar. Sag‘ dem Taxifahrer, Du willst in die First Lounge Bar in der Via Martinez 13. Ich warte da auf Dich.“ „Schreib‘ mir die Adresse bitte nochmals.“ Sage ich, lege auf, bestelle mir bei der Rezeption ein Taxi, was hier draußen eh immer länger dauert, dusche, kleide mich an, gehe runter, tatsächlich wartet am Ende des Gebäude-Us auf dem Kies bereits ein Wagen, ich wuchte mich auf den Rücksitz, zeige dem Taxler Caros SMS mit der Adresse und überlege mir während der Wagen losfährt, was es wohl diesmal kosten wird. Nach einer viertel Stunde Fahrt hält der Fahrer auf der Via Coppola, an der Ecke, wo das Gässchen – Via ist hier hoffnungslos übertrieben – Via Martinez anfängt. Er sagt „Twentyfive“, ich sage „Via Martinez tredici!“ – so viel Italienisch kann ich gerade noch –, er antwortet „Nessuno guida fino a San Berillo.“ was wohl so viel heißt, dass kein Taxler jemals freiwillig nach San Berillo reinfahren würde. Ich zahle und stapfe mit leicht mulmigem Gefühl durch die enge, schmuddelige Gasse, wenn sich jetzt ein Typ vor und einer hinter mir aufbaut, keinerlei Chance durch Ausweichen oder Flucht zu entkommen, da hülfen nur noch Kampf oder Kapitulation. Aber schon nach wenigen Schritten öffnet sich die Gasse zu einem kleinen Platz mit bunten Bänken, Tischen, Stühlen, Sonnenschirmen und vor allem vielen Blumenkästen, nicht nur auf dem Boden, sondern reichlich übereinander an den Wänden, das gibt dem ganzen Ensemble einen sehr freundlichen Touch. Caro sitzt vor dem Lokal First Lounge Bar bei einem – was wohl – Rum und winkt mir zu, ich geselle mich zu ihr. „Wie war Dein Tag?“, frage ich sie, „Scheiße!“, antwortet sie, „Willkommen im Club!“, antwortete ich. Nachdem wir das gegenseitige Gejammer von gestern Abend nicht nochmals wiederholen wollen, belassen wir’s dabei. Obwohl es ein lauschiger Abend ist, sind erst wenige Plätze besetzt, meist junge Leute, eher studentisch bis alternativ als Notars-Assessorinnen. Die Bezeichnung „Bar“ ist hier irreführend, es ist weniger eine klassische Cocktailbar als vielmehr ein sehr legeres Lokal, in Frankreich würde man es vielleicht Bistro nennen. Es gibt einfache offene Weine für kleines Geld, große Platten mit Wurst, Schinken, Käse, Oliven usw., ebenfalls für kleines Geld, und rein theoretisch könnte man wohl auch Mixgetränke bestellen, aber ein Gin Tonic wäre das Höchste, was ich mich hier trauen würde. Also verfalle ich auf Jonny Walker, der Black Label ist hier spottbillig, falsch ausgezeichnet oder Schmuggelware, denke ich mir. Caro und ich plaudern, jammern doch wieder über unsere Tageserlebnisse, da spricht uns eine junge Frau vom Nachbartisch in gebrochenem Deutsch an, wo wir denn herkämen. Ein Wort ergibt das andere, alsbald sitzen wir zusammen an einem Tisch, die junge Frau und ihre Begleiterin sind Jura-Studentinnen in Catania und entsprechend begeistert, eine waschechte Deutsche Anwältin und Notarin kennenzulernen. Vor allem aber lernen wir viel über das Viertel San Berillo, in dem wir gerade sitzen. Dieses enge Gewirr von Gassen mitten in der Altstadt galt vom Mittelalter bis nach dem Zweiten Weltkrieg als das größte Puff des Mittelmeeres. In den sechziger Jahren muss hier alles verkommen, verrotte, verroht, verdreckt gewesen sein, in das Viertel gingen nur Nutten, Luden, die Cosa Nostra und die Seeleute, die das Geld brachten. Irgendwann fing wohl die Stadtverwaltung an, aufzuräumen, zumindest was die Kriminalität und den Dreck anbelangte. Und seit ein paar Jahren haben Künstler, Feministinnen, Linke und vor allem die Generation Spaß das Viertel für sich entdeckt, es gibt ständig irgendwelche Performances, Straßenkunst, die Blumenkästen an den Wänden gehören auch dazu, wird uns gesagt, dazu Feste, Demos, Bildbände, Diskussionsrunden, Romane, Vernissagen, der ganze übliche Kulturschrott. Prostitution, Peformance und Party People, das seien heute die vier großen P von San Berillo, sagen die jungen Damen nicht ohne Enthusiasmus. Wir müssen beide zugeben, jetzt ist es angenehm auf diesem Platz in dieser Atmosphäre. Später werden Caro und ich durch die Gassen Richtung Restaurant gehen, und wir werden – keine 100 Meter von der Bar entfernt – erbärmliche, billig hergemachte Frauen auf Stühlen vor verdreckten Hauseingängen sitzen sehen, manche vielleicht erst 16, manche weit über 60, und alles dazwischen, von Rassismus keine Spur, Frauen aus aller Herren Ländern, manche offensichtlich noch nicht einmal eine Frau, in ihren traurigen, müden Gesichtern werden wir keinen Enthusiasmus für den Dreiklang von Prostitution, Peformance und Party People wahrnehmen. Aber den Studentinnen bei uns am Tisch gefällt’s, „È abbastanza bello.“ sagt die eine. Irgendwann verabschieden wir uns, um zum Abendessen zu gehen, wir beide sind dieses späte Essen nicht unbedingt gewohnt, besonders bei dem Alkoholkonsum. Aber neugierig geworden von den Erzählungen der Studentinnen, und zum Restaurant sind es eh keine zehn Minuten zu Fuß, laufen wir noch eine Runde durch die engen, schmuddeligen, nur manchmal bunten, meist aber grau-tristen Gässchen des Viertels, und da sitzen sie dann auch, die traurigen Frauen von San Berillo. In Amsterdam sind es die Roten Lampen, die die einschlägigen Hauseingänge kennzeichnen, hier sind es Stühle auf der Gasse, und ist ein Stuhl vor einer Türe leer, so bedeutet dies so viel wie „Woman at work.“ Mich würdigen die Frauen auf ihren Stühlen keines Blickes, da ich in weiblicher Begleitung unterwegs bin, aber sobald ein einzelner Mann oder eine Gruppe von Männern vorbei gehen, kommt Leben in sie, mache stehe auf, recken Brüste, Schenkel, Gesäß heraus, dazu rufen sie „Ciao mio dolce!“, „Hello sweethart!“, „Ficki-Ficki!“, zumindest in der Kommunikation lassen sie keine Zweifel über ihre Absichten aufkommen. „Na, willst‘e mal, ich bin Dir auch nicht böse, die da hinten sieht doch ganz süß aus, ich warte, lange wird’s ja nicht dauern.“ Caro kann so ein Arsch sein, und manchmal hat sie das Feingefühl eines Mähdreschers. Ich habe die Falklandroad in Bombay gesehen, und doch weiß ich auch hier nicht, welches Gefühl bei mir derzeit überwiegt, Mitleid oder Ekel, und so flüchte ich mich in die bequeme, schützende Gleichgültigkeit, einerseits ist das sicherlich nicht richtig, andererseits, was könnte ich tun? Solche Spaziergänge tun meinem inneren Gleichgewicht nicht gut.
Eine viertel Stunde später sind wir bei dem empfohlenen Lokal, fast wieder um die Ecke vom Park Villa Bellini. Auch hier ist alles unscheinbar, alte, beschmierte, meist ungepflegte, dreigeschossige Wohnhäuser mit kleinen Geschäften im Parterre, enge Einbahnstraßen und Gassen, urbanes Treiben, an der Ecke Via Alessandro Manzoni / Via del Colosseo liegt das Al Vicolo, zwei Tischreihen mit dicken Heizstrahlern dazwischen vor dem Haus einfach auf dem ohnehin schon schmalen Bürgersteig, Fußgänger müssen halt auf die Fahrbahn ausweichen, innendrin etwas verwinkelt, gemütlich, stickig, einfach, kein Deko-Tinnef, modernes, helles Ambiente, Holzfußboden, Holztische, Stühle mit Korbgeflecht, teilweise Holzverkleidung an den sonst verputzten Wänden, Tischsets aus Papier, auf die auch gleich die Speisekarte gedruckt ist, das alles ist einfacher, unverschnörkelter Trattoria-Stil, dazu eine prächtige, mächtige, beleuchtete Kühltheke mit Schätzen von Wurst, Schinken, Käse, eine weitere, weniger prominente und mächtige Kühltheke mir frischen, bunten Torten und Nachspeisen, ein vertrauenserweckender Bartresen, ein mächtiger, gemauerter Pizzaofen., ein mindest ebenso mächtiger Weinkühlschrank, dazu ein Regal für Rotwein, alles sehr hübsch, nur das Schild „Steakhouse“ neben dem Eingang verwirrt etwas. Zahlreiche – teilweise etwas unkoordiniert aktionistisch – unherwuselnde junge, flotte, angelernte schwarzgewandete Bedienungen mit Firmenlogo auf dem Hemd, ich tippe auf Studenten, dazwischen zwei um Koordination und Repräsentation bemühte, dabei nicht immer erfolgreiche Chefs. Dank unserer Reservierung durch den „venerato signor notaio“ – Beziehungen schaden nur dem, der keine hat, bewahrheitet sich mal wieder – bekommen wir problemlos einen schönen Ecktisch. Nach einer Woche Sizilianischer Weine fallen uns als erstes die Sizilianischen Craft Biere auf der Karte auf, einmal aus der Brauerei Rocca Dei Conti aus Modica bei Ragusa, und einmal aus der Brauerei Faro aus Catania selber. Nun gut, wir probieren im Laufe des Abends fast alle durch, Helles, Pilsener, English Pale, Brown Ale, Dark Lager, nur das Weizen lassen wir aus … man kann alle trinken, aber ohne Not muss man das nicht, Wein können die Sizilianer besser, das wissen wir jetzt, aber an der Bar haben wir – neben der durchaus beachtlichen Gin-Auswahl, mit wieder dem wohl zwischenzeitlich unvermeidlichen Monkey 47 –Zapaca Centraio aus Guatemala für Caro und Scapa Glansa von den Orkneys für mich gefunden, damit kommen wir über den Abend, und der hat’s in sich, kulinarisch. Die Macher vom Al Vicolo, Angelo Scaringi und Lucio Ferlito sind 2013 mit dem Anspruch gestartet, nur beste sizilianische Produkte von besten heimischen Erzeugern zu verwenden, und wo das nicht geht, zum Beispiel beim Burrata pugliese aus Apulien, beanspruchen sie für sich, sowohl die Produzenten als auch die Lieferkette durchgängig zu kennen. Aber das ist bestimmt nicht der zentrale USP, der für den Erfolg dieses Konzepts steht. Die beiden zentralen USPs sind aus meiner Sicht zum einen eine extrem ungezwungene, lockere, jugendliche, fast schon hippe Atmosphäre – stile di vita italiano al suo meglio –, zum anderen aber – und das ist leider der wohl wichtigste Punkt – riesige Portionen, in ordentlicher, teilweiser sogar in guter Qualität zu halbwegs moderaten Preisen, aber eben riesig, und das ist es immer noch, was das dumme kulinarische Fußvolk bis heute in Scharen anlockt. „Klein“ können die einfach nicht im Al Vicolo, alles, wirklich alles ist riesig, das fängt mit einem kleinen Brett mit – wirklich durchweg guten, qualitativ und geschmacklich hochwertigen, das muss man neidlos zugestehen – Salumeria für 16 EURO an, das zwei Personen nur schwerlich als Vorspeise schaffen, das geht weiter zu einem großen Brett für 25 EURO, einer hungrigen Großfamilie würdig, bis hin zu einem Kilo Salumeria auf einem Haufen für 35 EURO, damit kann man eine mittlere Firma versorgen. Eine kleine Portion, ein Scheibchen hiervon, ein Scheibchen davon, vielleicht auch noch selber an der beeindruckenden Theke ausgesucht, das kennen die hier nicht, es gibt genormte Portionen, und die sind durchweg riesig, weil … am Ende des Tages ist das Al Vicolo Systemgastronomie, und da gibt es keine Sonderwünsche, sondern nur genormte Produkte. Aber, die Salumria sind lecker, die Pizza Pane dazu ebenfalls frisch, riesig, fett. Besagter apulischer Burrata pugliese wird uns als Spezialität des Hauses angepriesen, Pizzabrot ist auch noch übrig, also trauen wir und bestellen die kleinst mögliche Portion, die dann serviert wird als fast Katzenkopf-große frischkäse-Kugel mit dem typischen Knubbelchen oben drauf, auf ein paar Salatblättern. Der Käse ist geschmackvoll, der Kern läuft uns fast cremig-aromatisch beim Zerteilen der Kugel entgegen, alles sehr lecker, aber für zwei Personen, da droht irgendwann der Darmverschluss, also lassen wir die angefressene Käsekugel schlechten Gewissens irgendwann zurückgehen, und das in dem Wissen, dass es ein großer Fehler war auch noch zwei Hauptgerichte zu bestellen.
Diese Bestellung lässt sich – obwohl Caro mit Händen und Füßen und Brüsten Italienisch mit dem Kellner parliert – auch nicht mehr rückgängig machen. Ich bekomme eine frittierte Monster-Calzone, angeblich eine Catanische Spezialität, wenn der Burrata die Größe eines Katzenkopfes hatte, so hat die Calzone jetzt die Größe des dazu gehörigen Katzenkörpers, die Fritteuse dafür muss riesig sein, deshalb gibt’s den Oschi auch nicht immer, wie mir der Kellner erklärt hatte, und was es nicht immer gibt, hatte bei der Bestellung natürlich sofort meine Idioten-Begehrlichkeit geweckt. Der Teig außen und an den Ecken knusprig, gutes Fett, aber viel davon in den Teig gesogen, der Teig innendrin matschig, Ströme von zäh aus der angeschnittenen Calzone fließenden Käse, darinnen Schinken und Champignons. Vier, fünf Bissen sind ganz nett und lecker, aber dann wird’s geschmacklich langweilig und satt ist man auch alsbald. Noch besser hat’s Caro getroffen, die unbedingt ein Costoletta alla milanese ausprobieren musste: drei Handteller-große Kalbsschnitzel in fetter, dicker Panade, überbacken mit viel Mozzarella, dazu fettige Bratkartoffeln und ein paar Fitzelchen Eisbergsalat mit Reibekäse drauf.
Auf den Nachbartischen sehen wir aber noch grausamere Dinge, zum Beispiel eine Pizza mit Pommes Frites und industriellen Röstichen (aus welchem Teil Siziliens die wohl kommen?) obendrauf, Platten mit Bergen von gegrilltem Fleisch, Pizzen groß wie Lasterreifen, wenn das die echte, authentische Sizilianische Pizza ist, mag ich keine Sizilianische Pizza. Hätten wir es bei der Vorspeisenplatte belassen, ich hätte vielleicht gutes über den Laden geschrieben. Obwohl der Schuppen proppevoll ist, um uns herum fast nur Einheimische und ein paar Seeleute, alle Essen, Trinken, Schwatzen, Lachen, Genießen und Amüsieren sich als würde es kein Morgen geben, uns hat es insgesamt nicht gemundet, aber das mag ja auch an uns liegen. Jedenfalls ist der Erfolg des Konzeptes so groß, dass die Macher Angelo Scaringi und Lucio Ferlito keine fünf Jahre nach dem Start daran gehen, Filialen zu eröffnen und Franchise anzubieten. Danke, nicht für uns. „Zahlen, gehen?“, frage ich Caro. „Zahlen, gehen, noch irgendwo Nettes was trinken!“ ergänzt mich Caro. Die Rechnung überlasse ich Caro, sie spricht schließlich die Landessprache, „il conto per favore.“ wäre viel zu kompliziert für einen wie mich. Während sie sich um die Rechnung kümmert, googele ich ein wenig, „22 Lounge Gin Bar, das hört sich doch gut an.“ „Wenn Du das sagst, dann gehen wir dahin.“ Nachdem die Empfehlung ihres Notaio Kollegen so in die Hose gegangen ist, ist Caro gerade eine Mischung aus deprimiert und kleinlaut, sonst vertraut sie mir selten so unbesehen. „Gehen wird ein bisschen lang, das ist ganz oben im Norden der Stadt, bei einem kleinen Hafen namens Ognina oder in Ognina, keine Ahnung, direkt an unserer alten, lieben SS 114 am Wasser.“ Caro zahlt und ordert gleich ein Taxi, einen Vecchia auf’s Haus später kommt der Kellner und sagt wohl, unser Taxi sei da. Wir fahren durch die nächtliche Stadt nach Norden, bis in den Stadtteil Ognina, dort macht der Fahrer einen ziemlich atemberaubenden U-Turn und setzt uns dann zwischen der SS 114 und einem kleinen Hafenbecken ab, hier scheinen sogar noch richtige Fischerboote zu liegen, am Horizont im fahlen Mondenschein die Silhouette des schneebedeckten Ätnas, über uns der brausende Verkehr, der auch des Nachts nicht zum Erliegen kommt, wäre ich ein Dichter, ich würde jetzt angesichts dieses Ensembles sofort sowas von das Dichten anfangen … bin ich aber nicht … und das ist wahrscheinlich gut so. Direkt an die Böschung der Staatsstraße ist die 22 Lounge Gin Bar an und in den Hügel gebaut, nach vorne ein paar bodentiefe Fenster, vor dem Eingang links und rechts zwei beachtliche Palmen, an der Wand geborstene kunterbunte Bootsplanken (eine Art ‚Memento mori‘ für die eintretenden Gäste, frage ich mich), ein paar aus einfachem Holz gezimmerte Bänke, Tische und Stühle samt Heizpilz stehen auch schon vor der Türe mit einigen unverbesserlichen, frierenden, harten Rauchern mit Drinks in der Hand und streunenden Katzen um ihre Beine schmeichelnd, das wahre Leben spielt sich aber drinnen ab, in der für eine Wochentag ziemlich gut gefüllten Bar, vom ganzen Ambiente her eher schon Club als Bar, Dielenboden mit alten Teppichen, sehr ungewöhnlich, stolper- und Schmutz-anfällig in einem, an den Wänden Rahmen mit alten schwarz-weiß Bildern kreuz und quer, ich erkenne die Erste Mondlandung, Clark Gable, Marilyn Monroe, so’n Zeugs halt, das sonstige Mobiliar besteht aus einfachen Holzstühlen, grob gezimmerten Tischen, kunstlederbezogene Barhockern und Loungesesseln, einer verwirrend karmesinrot-weiß-gestreiften Wand und einem sehr vertrauenserweckenden, belagerten Bartresen. Das Publikum ist jung, zwischen 20 und 35 vielleicht, sehr gepflegt, urban, ausgelassen, aber nicht enthemmt, eher gediegene, lockere Clubatmosphäre würde ich sagen. Es kränkt Caro und mich sehr, dass wir uns nicht zum Tresen durchkämpfen müssen, wohl angesichts unseres Alters – wir heben den Altersdurchschnitt signifikant an! – macht man uns höflich Platz und lässt und durch, als könnte bei einem leichten Rempler unser künstliches Hüftgelenk Schaden nehmen: beschämend, für uns alte Knacker/in, nicht für die jungen höflichen Italiener. Auch am Tresen rückt man zusammen und macht und Platz, fehlt nur noch, dass man uns Hocker anbietet, wir beobachten den Keeper, er versteht sein Handwerk und weiß, was er tut. Teilweise sind seine Cocktails richtige kleine Kunstwerke, gekrönt von kunstvoll drapierten, gerollten Gurkenscheiben mit Basilikumblättern in der Mitte, Eiskugeln mit Wachholderbeeren innendrinnen, winzigen aufgespießten Gugelhupfen filigran auf dem Drink platziert, aber auch gradlinige, ungekünstelte straight Drinks, der Mann kann was, und ich traue mich, obwohl es nur normalen Tanqueray gibt, einen Martini Cocktail zu bestellen, als Caro sieht, dass dies problemlos über die Bühne bzw. über den Tresen geht, schließt sie sich mir an und bestellt – in Ermangelung eines für sie akzeptablen Rums – ebenfalls einen. Jetzt stehen wir jeder mit einem Cocktail in der Hand an der Theke, der Keeper hat uns Schälchen mit salzigen Chips und salzigen Nüsse hingestellt (warum wohl nur?), und wir beobachten das Geschehen, zum wirklichen Reden ist es zu laut, entweder, man geht vor die Türe in die Kühle der Nacht zu den Rauchern und streunenden Katzen, innen drinnen kann man sich höchstens mal Wortfetzen ins Ohr rufen, wie „Geiler Laden!“, „Wo komm‘sten her?“, „Darf ich Dir nen Drink spendieren?“ oder „Will’ste Ficken?“, so ganz normale Club-Kommunikation halt, ausführlichere und differenziertere Gespräche würden die Stimmbändern auf Dauer über Gebühr beanspruchen. Daher kommt auch kein gepflegtes Bargeplauder mit den Einheimischen wie in Syrakus zustande. Abe es ist nett, diesem sympathischen, durchweg sehr gepflegten, ausgelassenen, aber nicht übermütigen Partyvolk zuzusehen. In Gedanken rezitiere ich Murray Head: „It’s Iceland or the Philippines or Hastings or / Or this place! // One night in Bangkok and the world’s your oyster / The bars are temples but the pearls ain’t free / …/ And thank God I’m only watching the game controlling it” Ja, genau das wäre meine Lieblingsrolle „I’m only watching the game, controlling it”, ich muss doch noch einen Club aufmachen und, das Ganze überschauend und regelnd, in einer Ecke sitzen. Dann blicke ich auf Caro und rezitiere in Gedanken weiter „Can’t be too careful with your company / I can feel the devil walking next to me” Gut, dass Caro keine Gedanken lesen kann.
Ein paar Drinks später sind wir auch des Zuschauens und Wortfetzen brüllens überdrüssig, Caro erklärt dem Keeper, dass wir ein Taxi brauchen und zahlen wollen, wohl angesichts der zu erwartenden Wartezeit ordert Caro noch zwei Martini, zahlt die Rechnung, kommt mit den Drinks zurück und schreit mir in’s Ohr, es werde noch etwas dauern, der Keeper werde uns Bescheid geben, wenn das Taxi da sei. Tatsächlich haben wir gerade mal halb leer getrunken, da gibt der Keeper Caro Handzeichen und deutet zur Tür, da steht ein Mann, der so ganz und gar nicht Partyvolk-mäßig aussieht, wohl unser Fahrer, wir exen die Drinks, schreiten – wieder macht man uns Platz –durch die Massen, flezen uns in’s wartende Taxi und sagen, dass wir in’s Romano Palace, Viale Presidente Kennedy 28 wollen. Der Taxler hebt an, auf die SS 114 Richtung Norden aufzufahren, um dann wahrscheinlich irgendwo den U-Turn in die Altstadt zu machen und in einem großen Schlenker zum Hotel zu fahren. Caro protestiert lautstark, so gut kennen wir die Stadt nun mittlerweile, und so trunken sind wir auch nicht, als dass wir nicht wüssten, dass unser Hotel just an dieser SS 114, 20 oder 30 Minuten Richtung Süden liegt. Während er Worte murmelt, die sich nicht wirklich freundlich anhören, biegt der Fahrer Richtung Süden in die Straße ein. Als Caro kurz darauf gewahr wird, dass das Taxameter – natürlich, was hattest Du denn erwartet, gesetztesergebenes Mädel aus Germanien – nicht an ist, erhebt sie erneut lautstarken Protest, irgendwie ist sie gerade auf Krawall gebürstet. Sie hat vielleicht drei, vier Sätze gezetert, da fährt der Fahrer rechts ran und sagt ziemlich böse: „Il Mio taxi, le mie regole. Nessun tassametro o fuori!“ Fragend blicke ich die vor Wut förmlich bebende Caro an: “Was’sn los?” „Das Sizilianische Schlitzohr, das verbrecherische, hat mir gerade gesagt, entweder wir fahren ohne Taxameter oder wir können zu Fuß gehen. Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit. Der Kerl hat eine Beförderungspflicht, Paragraph 22 Personenbeförderungsgesetz, den verklag‘ ich …“ Ungeduldig blickt der Fahrer über seine Schulter zu uns. „Komm mal runter, weißt Du, wie spät es ist. Und Du willst jetzt noch ein paar Tage hier verbringen, um eine Anzeige auf den Weg zu bringen, wobei Du noch nicht einmal weißt, ob die auf Sizilien überhaupt ein Personenbeförderungsdingsbums haben. Was meinst Du, wie lange wir von hier laufen oder warten, bis ein Taxi vorbei kommt.“ Caro schnaubt einfach nur wütend. „Go on, to the hotel.“, sage ich zum Fahrer, der grinst sichtlich zufrieden ob seines Sieges und fährt weiter. Caro ist einfach nur außer sich. Diese resolute Frau, brillante Juristin, kampfeserprobte und siegesgewohnte Anwältin muss sich um zwei Uhr morgens einem betrügerischem bis kriminellen Taxifahrer geschlagen geben, und das wahrscheinlich ohne Aussicht auf Revanche. Einerseits. Andererseits hat sie gerade um 10, vielleicht 20 EURO gekämpft und um’s Prinzip, um’s Deutsche Prinzip der Steuerehrlichkeit, das hier wahrscheinlich nicht allzu viel gilt. Ich habe mir im Laufe der Jahre abgewöhnt, mich in Frankreich, Süditalien, Spanien (außerhalb Kataloniens und des Baskenlandes), dem Balkan, der Türkei, China, dem Maghreb und anderen steuerlichen Entwicklungsländern über so etwas aufzuregen, sollen die doch ihre Betrüger selber einnorden, ich halte mich da raus. Am Hotel angekommen sagt der Fahrer noch immer triumphierend „Fifty“. Gefühlt hätte ich mit Dreißig gerechnet, aber da ist wohl der Aufregungs-Straf-Malus oben drauf. Kurze Zeit überlege ich, was wohl passiert, wenn ich im dreißig EURO in die Hand drücke und wir einfach gehen. Die Polizei holen kann er ja schlecht, aber mich auf die Nase boxen oder mit einem Messer piksen, das könnte und würde er ganz gewiss, also verwerfe ich diese Idee ganz schnell wieder, gebe ihm wort- und dankeslos einen Fuffi und sehe zu, dass ich mit Caro aus der Karre komme. Die Hotelrezeption ist offiziell zwar 24/7 besetzt, wie es sich für ein 5 Sterne Luxury Hotel gehört, tatsächlich aber ist sie verwaist, nur aus dem Büro hinter der Rezeption dringt Licht und leichtes Schnarchen. Warum, so denke ich mir, nutzt niemand diese Situation und klaut all diese grässlichen „Kunst“-Gegenstände aus dem Hotel, vielleicht weil sie nicht nur hässlich, sondern auch noch wertlos sind, wahrscheinlich. Caro tut, was sie bei solcherlei emotionalen Affektationen oft tut, sie zieht sich auf dem Zimmer in die Badewanne zurück. Ich lasse ihr eine viertel Stunde zum Beruhigen, dann bringe ich ihr einen großen Scotch. Sie trinkt bedächtig in kleinen, aber stetigen Schlucken. „Diese Ohnmacht …“ sagt sie. „Mach‘ aus einer Mücke keinen Elephanten.“ „Aber es geht um’s Prinzip.“ „Für 20 EURO mehr oder weniger reitet man keine Prinzipien, zumindest nicht in unserer Gehaltsklasse und nicht um diese Uhrzeit und nicht an diesem Ort. Außerdem hab‘ ich die Taxirechnung gezahlt.“ „Wahrscheinlich hast Du Recht.“, sagt sie ein einem Ton aus Resignation und Einsicht und ext ihren Scotch. „Nochmaaa!“ macht sie ein Mainzelmännchen nach und reicht mir ihr Glas. Ich gehe, es aufzufüllen, gieße mir auch noch einen ein und bringe Caro ihr Glas an die Badewanne. „Willst Du nicht reinkommen?“, fragt sie.
Am nächsten Morgen sind wir spät dran, lassen das Frühstück ausfallen, checken aus, schleppen – wir sind es ja zwischenzeitlich gewohnt – unsere Taschen selber zum Wagen, zum Flughafen von Catania sind es vom Romano Palace Luxury Hotel gerade mal zehn Minuten, geben den Wagen nach einer kurzen, aber abenteuerlichen Baustellenirrfahrt zurück, hasten zu Counter und erwischen gerade noch die 10:30-Maschine, der einzige Direktflug von Catania nach Rhein-Main, ereignisloser, verkaterter Flug, kurze, kühle Verabschiedung von Caro im Terminal, ich fliege noch mit der 14:15-Maschine weiter heim, alles ereignislos an diesem Tage. Und, ach ja, bevor ich vergesse, Euch zu erzählen, das Syndikat, das kam nicht zustande, und ihr vereinbartes Honorar sah Caro auch nur teilweise, aber die Reisespesen, die waren zumindest dicke damit abgedeckt … und ich durfte wochenlang eine schlecht gelaunte Caro ertragen.
Hotels:
Grand Hotel Wagner
Via R. Wagner, 2
90139 Palermo PA
Italien
Tel.: +39 (91) 33 65 72
Fax: +39 (91) 33 56 27
E-Mail: info@grandhotelwagner.it
Online: www.grandhotelwagner.it
Stella d’Italia Marsala
Via Mario Rapisardi, 7
91025 Marsala TP
Italien
Tel.: +39 (9 23) 76 18 89
Fax: +39 (9 23) 71 81 57
E-Mail: stelladitalia.tp@bestwestern.it
Online: www.hotelstelladitalia.it
San Giorgio Palace Hotel
Via Avvocato Giovanni Ottaviano
97100 Ragusa RG
Italien
Tel.: +39 (9 32) 68 69 83
E-Mail: info@sangiorgiopalacehotel.it
Online: www.sangiorgiopalacehotel.it
Grand Hotel Ortigia
Viale Giuseppe Mazzini, 12
96100 Siracusa SR
Italien
Tel.: +39 (9 31) 46 46 00
Fax: +39 (9 31) 46 46 11
E-Mail: info@grandhotelortigia.com
Online: www.grandhotelortigia.it
Romano Palace Luxury Hotel
Viale Presidente Kennedy, 28
95121 Catania CT
Italien
Tel.: +39 (95) 5 96 71 11
Fax: +39 (95) 5 96 73 33
E-Mail: info@romanopalace.it
Online: www.romanopalace.it
Restaurants:
Sud Antica Forneria Siciliana
Via Maqueda, 278
90133 Palermo PA
Italien
Tel.: +39 091 588178
Online: www.sudanticaforneriasiciliana.it/bistrot
Osteria Ballarò
Via Calascibetta, 25
90133 Palermo PA
Italien
Tel.: +39 (91) 32 64 88
Online http://osteriaballaro.it
Bottiglieria Massimo
Via Salvatore Spinuzza, 59
90133 Palermo PA
Italien
Tel.: +39 (91) 33 57 30
Online: www.bottiglieriadelmassimo.it
Trattoria Ai Cascinari
Via D’Ossuna, 43/45
90138 Palermo PA
Italien
Tel.: +39 (91) 6 51 98 04
Keine Webpage
La Sirena Ubriaca
Via Giuseppe Garibaldi, 39
91025 Marsala TP
IItalien
Tel.: +39 (9 23) 02 05 00
Online: www.lasirenaubriaca.it
Konza restaurant
Via Mario Nuccio, 27
91025 Marsala TP
Italien
Tel.: +39 (3 31) 4 03 56 90
Online: https://konzarestaurantmarsala.business.site
Trattoria i Varcuzzi
Via Dante Alighieri, 102
97100 Ragusa RG
Italien
Tel.: +39 (3 34) 7 82 75 19
Keine Website
La Botteguccia Salumeria Formaggi Prodotti Ragusani
Via Caporale Bellini n. 2
97100 Ragusa Ibla RG
Italien
Tel.: +39 (3 30) 67 85 96
Keine Website
La Terrazza sul Mare
Viale Mazzini, 12
96100 Siracusa SR
Italien
Tel.: +39 (9 31) 46 46 00
Online: www.laterrazzasulmaresiracusa.it
(im Grand Hotel Ortigia)
BOATS
Via dell’Apollonion, 5
96100 Siracusa SR
Italien
Tel.: +39 (3 39) 1 11 02 94
Keine Website
Port WINTER Coffee
Banchina Centrale, Via Cardinale Dusmet
95121 Catania CT
Italien
Tel.: +39 (3 40) 9 85 17 18
Keine Website
CORIANDOLO
Viale Presidente Kennedy 28
95121 Catania, IT
Italien
Tel.: +39 (95) 5 96 75 21
Online: www.romanopalace.it/de/restaurant-coriandolo
(im Romano Palace)
First Lounge Bar
Via Martinez, 13
95131 Catania CT
Italien
Tel.: +39 (3 20) 7 63 39 21
Keine Webpage
Facebook: https://www.facebook.com/firstct/
Al Vicolo Pizza&Vino
Via del Colosseo, 5
95124 Catania CT
Italien
Tel.: +39 (95) 8 36 07 30
Online: www.alvicolopizzaevino.it
22 Lounge Bar Gin Bar
Via Marittima, 22
95126 Catania CT
Italien
Tel.: +39 (3 48) 2 11 40 70
Keine Webpage
Facebook: https://www.facebook.com/ventidue.it/