Sepp Schellhorn: „Sepp, was machst Du?“ Social Media und Buch funktionieren unterschiedlich

Lieber Sepp,

ich mag Deine Social Media Beiträge sehr, ich bin einer Deiner treuesten Follower. Kurze, einfache, authentische Videoclips, meist direkt aus der Hotelküche mit einem launischen, etwas grantligen, krawalligen Koch und Wirt, der sein Handwerk versteht (bei der Zubereitung der Hollandaise ohne Wasserbad direkt auf der Herdplatte bin ich vor Ehrfurcht fast erstarrt), der mal banale, mal wertvolle Rezepte und Tipps bereitwillig und anschaulich teilt, gespickt mit Austriazismen, kernigen Sprüchen und reichlich nachbarschaftlich-freundlichem Piefke-Bashing. Besonders hoch rechne ich Dir an, dass Du darauf verzichtest, in Deine Clips irgendwelche Gewürzmischungen oder sonstigen Kram einzubauen, den man nur bei Dir in Deinen Online-Shop erwerben sollte, das hat Stil. Ich sehe Deine Filmchen regelmäßig mit großem Interesse und noch größerer Freude und stets einem Schmunzeln. Danke dafür, Sepp. Die zahllosen Nachahmer, die Du mit Deiner Social Media Präsenz auf den Plan gerufen hast, sind meistens bemüht, aber da kann Dir keiner das Wasser reichen, doch sie alle geben Deinem Konzept Recht.

Und jetzt hast Du also Dein – wenn ich es recht sehe – zweites Buch geschrieben, natürlich mit dem Titel „Sepp, was machst Du“ (in großen, geprägten goldenen Lettern) und als Untertitel „Ein richtig gutes Kochbuch“, an mangelndem Selbstbewusstsein kannst Du sicherlich nicht leiden. Aus meiner Sicht versuchst Du da, Dein Konzept, das in Social Media so wunderbar funktioniert, für ein Printprodukt zu adaptieren, und das klappt leider überhaupt nicht, Social Media und Buch ticken eben unterschiedlich.

Statt kerniger Sprüche in die Kamera leitest Du in Deinem Buch jedes Rezept mit einer Anekdote aus Deinem Leben, einer Belehrung über irgendein „wahres Wesen“ eines Gerichts, einem nützlichen Praxistipp, einer Litanei der großen Köche, die Du kennenlernen durftest, einer Reminiszenz an Deine Sturm-und-Drang-Zeit, die Du offensichtlich in Italien verbracht hast, auch mit einigen Sticheleien und Granteleien ein, alles immer wieder garniert mit Photos von Dir in voller action. Das ist nett, mehr auch nicht, in Social Media funktioniert sowas, gedruckt kommen diese Texte und Selbstdarstellungs-Bilder nicht über „nett“ hinaus, schaden aber auch nicht. Die Rezepte selber sind klar strukturiert, gut erklärt, nachkochbar beschrieben, alle dokumentiert mit sehr guten, unspektakulären, aber pragmatischen Photos von Ingo Pertramer und typographisch angenehm und übersichtlich gestaltet von Peter Baldinger und Veronika Rickert, handwerklich stimmt da wirklich Alles.

Was mich tatsächlich stört an Deinem Kochbuch ist die Beliebigkeit der Rezeptauswahl. Du bringst wenig Neues, Kreatives – wie die Falsche Ente oder der Falsche Thunfisch z.B. –, der Rest ist Küchenstandard. Ich brauche kein zweiundzwanzigtausenddreihundertsechszehntes Rezept für Wiener Schnitzel, Fischfond, Kaiserschmarren oder Carpaccio. Da kochst Du auch nur mit Wasser, ziemlich genau diese Rezepte haben tausende von Kochbuchautoren vor Dir schon aufgeschrieben, und Profi-Tipps, Abwandelungen, kreative Weiterentwicklungen (ok, Dein Cesars Salad) finde ich auch kaum. Für mich ist Dein Buch wenig inspirierend. Für ein Standard-Kochbuch (das ich etwa meinem Sohn mit in seine erste Studentenbude gäbe, damit er die Koch-Basics schwarz auf weiß hat) reichen Deine rd.100 Rezepte bei weitem nicht aus. Für ein inspirierendes Kochbuch, das mir neue Anregungen gibt, ist die Auswahl der Rezepte zu wenig und meist zu konventionell. Und die tieferen Einblicke in die professionelle Kochkunst sind mir viel zu wenig (und dass Du Deine Hollandaise ohne Reduktion machst, finde ich sehr befremdlich).

Auch in Social Media präsentierst Du vorwiegend konventionelle Koch-Basics, und doch funktionieren Deine Clips, allerdings wegen Deiner imponierenden, launisch-freundlichen, vor Energie nur so strotzenden, eigenwilligen Person und Deinen Sprüchen, der Schnelligkeit und der Authentizität der Bilder, und genau das lässt sich eben nicht in ein gedrucktes Werk transferieren. Für Buch hättest Du Dich neu erfinden müssen, aber Du machst schreibend einfach so weiter wie vor der Kamera, und das klappt halt nicht. Und doch wirst Du sicherlich kommerziellen Erfolg mit dem Werk haben, ich habe es ja auch spontan erstanden, um die großen Sepp Schellhorn aus den – transitorischen, flüchtigen – Clips sicher im Bücherregal zu haben.

Stets der Deine
Eberhard

P.S.: Für eine Passage in Deinem Buch liebe ich Dich dennoch, und zwar aus dem Vorwort: “Mein Lieblingsgast ist der Alleinesser. Der Alleinesser geht aus einem bestimmten Grund in ein Restaurant oder Wirtshaus – er will sich verwöhnen lassen, Menschen beobachten und genießen. Am besten noch mit einer Flasche Wein.“ Damit hast Du mich sehr treffend beschrieben.


Sepp Schellhorn (Autor), Ingo Pertramer (Photograph): „Sepp, was machst du?: Ein richtig gutes Kochbuch. Profikoch und Social Media Phänomen @pepssch präsentiert seine besten 90 ReSEPPte“ Gebundene Ausgabe, 224 Seiten, München, 15. April 2024, Dorling Kindersley Verlag (Herausgeber), ISBN-10: 3831048525, ISBN-13: 978-3831048526, 29,95 EURO

Bilder © DK Verlag/Ingo Pertramer

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