Nun also das Kaufleuten in Zürich.
Viel ist schon geschrieben worden über diese legendäre Szene-Location in der Züricher Innenstadt, Restaurant, Club, Bar, Lounge, Drogen-geboren, Schmuddel und Halb-Welt, Schickies und Mickies, geniale Clubabende und Konzerte, Promis und Prostituierte, brillantes Futter und knarzende Stühle an Papiertischdecken. Kurzes Update aus dem August 2013. Stühle knarzen immer noch, Papiertischdecken sind immer noch da, aber beides kein KO- Kriterium. Die Blumenkübel-umgebenen Tische vor dem Restaurant auf dem Trottoire durchaus urban, das Personal jung, aber durchweg bemüht, auch wenn der Umgang mit einem Korkendreher mit Knie sichtlich Mühen bereitet. Irgendwie den Eindruck gehabt, premium behandelt zu werden, was nicht verwunderlich ist, denn der Concierge meines Hotels hatte meinen Tisch unter meinem richtigen Namen reserviert – mag ich eigentlich nicht.
Weinkarte belangloses Fiasko, wahl- und hirnlos zusammengestellte kleine Auswahl an Schweizer Weinchen und dem üblichen internationalen Schrott von Mosel bis Nappa Valley, von Südafrika bis Süßwein, große Gewächse fehlen völlig, ein Taitinger rosé ist das höchste zum Angeben vor und Abfüllen von billigen [–] und getakelten Szenegängern dreierlei Geschlechts, aber mehr braucht’s dazu auch nicht, und Besseres verkehrt nach meiner Wahrnehmung hier auch nicht. Weinkarte also hochpreisiges Trauerspiel, bleiben Sie bei’m Bier, auch hochpreisig, aber verlässlich.
Tellerchen mäßiges Olivenöl mit kleingeschnittenen Brötchen vom Vortag als amuse geul – die Küche hat zumindest vorgewarnt, muss man fairerer-weise sagen. Rinds-Tartar – meine obligatorische Vorspeise in der Region Zürich – wirklich tadellos, frisch zubereitet, die richtige Körnung, gut gewürzt, sogar richtig scharf, Toast kam auch pünktlich. Tomate-Mozzarella, einfach vergessen: geschmacklose Tomatenscheiben, ein ungeschnittenes Bröckelchen Weichkäse fragwürdiger Herkunft, gerupfte Basilikumblätter aus dem Topf, eingekochte, Balsamico-genannte Essigpampe billigster Provinience, widerlich und hoffnungslos überteuert – aber sicherlich schick. Den hausgemachten (hausverbrochenen wäre das bessere Wort) Tagliatelle-Brei erwähne ich nicht, er wurde getoppt (im negativen Sinne) von dem Zürcher Geschnetzelten. Furztrockene Rösti-Trümmer, mehr frittierte, lose, konsistenzlose Kartoffelstäbchen als eine Rösti, trockenes Kalbfleisch, das einen lust- und geschmacklos aus einer vor Bindemitteln und Glutamat triefenden Saucen-Pampe angrinste: einfach nur widerlich. Vergessen wir das Dessert, ein Mini Coupe Denmark – früher hätte Dänemark aus weitaus geringeren Gründen den Krieg erklärt …
Fazit: wer auf pseudo-hippe Szene-Typen und abgehalfterte Zürich-Schicky-Mickies und abgezockte Touristen steht, ist im Kaufleuten sicherlich gut aufgehoben, wer gut essen möchte, sollte einen großen Bogen um dieses Etablissement machen, vielleicht mal in der Bar einen unverfänglichen Drink nehmen, um diese Mischpoke wie in einem Panoptikum zu begutachten. Das Kaufleuten steht einfach in zu vielen Touristenführern als Geheimtipp, um wirklich noch ein „Geheimtipp“ zu sein …