Rue des Halles: macht einfach Spaß und ist sehr lecker dazu.

Summa summarum: stressfreie französische Brasserie mit sehr ordentlicher traditioneller französischer Küche mit guten Rohstoffen, gekonnter Zubereitung, aber ohne kulinarische Sterne-Flüge, dafür aber immer eine entspannte, sichere kulinarische Bank

Es gibt Dinge, die sollten sich dringend ändern. Und es gibt Dinge, bei denen es gut ist, wenn sie sich nicht oder zumindest nur sehr langsam und behutsam ändern. Zu letzteren zählt das Rue des Halles in Haidhausen, wahrscheinlich Münchens älteste Brasserie. Früher, in der letzten Dekade des alten Jahrtausends, ging es hier durchaus auch mal ruppiger zu, als zugereiste, von ein paar Zeitungsartikeln gehypte Franzmännern den bier- und schweinshaxen-seligen Bajuwaren französische Esskultur mit der Brechstange (was anderes versteht der gemeine Bayer ja meist auch nicht, wenn es um Schweinshaxe geht) beizubringen versuchten. Diese Zeiten sind längst vorbei, man hat sich nicht nur arrangiert, sondern angenähert, sich gegenseitig kennengelernt, Verständnis entwickelt, ist toleranter geworden, ich warte ehrlich gesagt auf die erste Foie Gras an Kartoffelknödelcarpaccio mit Bier-Sauternes-Gelee als französisch-bajuwarische Fusionsküche in der Rue des Halles. Nein, Spaß beiseite, das Rue des Halles ist nach wie vor eine sichere Bank für französische Brasserie-Küche im Freistaat. Die Parkplatz-Situation um das Restaurant ist katastrophal, seine Einrichtung ist kühl-sachlich-schlicht, straight würde der Amerikaner wohl sagen, dunkler Holzboden, helle Wände mit Schwarz-Weiß-Photographien, Buchentische, mal mit blütenweißer Leinentischwäsche, mal mit rot-weiß karierten Decken, mal blank, ich weiß nicht, welcher Logik die Wahl der Tischauflage folgt, die Lampen sind neu seit unserem letzten Besuch. Kurzum, hier kommt keine Schwellenangst auf, aber auch keine gemütliche Heimeligkeit, alles ist eher leger-gepflegt-unprätentiös. Speisen lässt sich trefflich in solcher unaufgeregten, sachlichen Umgebung. Das Interieur ermöglicht die volle Konzentration auf das, worum es im Rue des Halles geht: Speis und Trank.

Und die sind beide sehr gut. Einerseits werden Klassiker angeboten, Standardgerichte, die es immer gibt – Austern, Schnecken, Foie Gras, Bouillabaisse, Crème Brulée, Mi-Cuit au Chocolat – andererseits gibt es eine saisonal wechselnde Karte, derzeit u.a. mit Ceviche von der Meerforelle, Winterspargel-Suppe mit gebeizter Entenbrust, confierter Skrei mit geschmortem Trevisano und Blutorange oder Vacherin mit Ei, Spinat, Kartoffelstroh und Wintertrüffel, solche Sachen halt. Insgesamt ist die Speisekarte sehr übersichtlich und passt auf eine Seite: sechs Vorspeisen, zwei Zwischengerichte, je drei Fisch- und Fleischgerichte, ein vegetarisches Gericht, sechs Desserts, Punktum. Umfangreicher ist da die Weinkarte mit bezahlbaren und durchaus auch anspruchsvolleren Positionen aus ganz Frankreich.

Die Austern sind frisch, tadellos, nett mit einem Näpfchen Schalotten-Vinaigrette angerichtet (und mit 3,90 EURO für eine Fines des Claire #2 vergleichsweise preiswert). Die Foie Gras ist Dosenware, aber gute Dosenware, dazu tatsächlich geröstete Brioche, Meersalz, nur das Port Gelée ist geschmacklich enttäuschend, dafür ist das Mango-Paprika-Chutney eine Wucht. Auch die gratinierten Schnecken sind tadellos, große, gut gesäuberte, fleischige Mollusken, bei der Kräuter-Knoblauch-Butter hätte ich mir persönlich mehr Kräuter und weniger – scharfen, wahrscheinlich alten – Knoblauch gewünscht. Das Lamm-Carré stammt tatsächlich vom Lamm und nicht vom Schaf oder Hammel, zartes, innen noch rosanes Fleisch, leckere, überbackene Kräuterkruste, kräftiges Sößchen, ein paar von Hand tournierte Gemüse und Pilze, ein Kartoffelpüree mit Senf, insgesamt ein gekonnt zubereitetes, stimmiges, wohlschmeckendes und doch einfaches Gericht. Blutorangen-Sorbet und Schokoladen-Küchlein mit flüssigem Schokoladenkern auf Vanillesauce sind einfach eine sichere Bank ohne Tadel mit viel Lob.

Trotzdem ist das alles keine „Hochküche“ oder ein „Gourmettempel“ im landläufigen Sinne. Der gemeine Deutsche neigt dazu, jeden Ort, an dem Austern und Foie Gras serviert werden, mit Luxus in Verbindung zu bringen; in Frankreich sind das – zumindest von der Mittelschicht an aufwärts – Grundnahrungsmittel. Das ist einfach ordentlich gemachte Brasserie-Küche mit sehr guten Rohstoffen, mit denen respektvoll und gekonnt umgegangen wird. Brasserie – wir erinnern uns – ist nach französischer Logik irgendwas zwischen zwanglosem Bistro mit kleinen Speisen und noblem Restaurant mit ausgefeilten Menues, ursprünglich eigentlich Bierlokale, die dann kulinarisch mit einer größeren Speise-Auswahl gegen die Bistrots „aufgerüstet“ haben, ohne in die Hochküche-Sphären der echten Restaurants vorzustoßen. Die Brasserie-Küche ist das französische Pendant zur – langsam untergehenden, von Querulanten diskreditierten und zu Unrecht in Misskredit gebrachten – gutbürgerliche deutschen Küche. Nun gut, die Franzosen geben noch ein wenig Dijon Senf in’s Kartoffelpüree, ein wenig Lavendel in die Vanillesauce, etwas Trüffel über Ei und Spinat, deswegen gilt die traditionelle bürgerliche französische Küche ja auch als raffinierter, verfeinerter, „besser“ als ihre deutsche Schwester, aber ein rosa gebratenes Stück Fleisch mit guter Sauce, frischen Gemüsen und Kartoffelpüree kriegt die deutsche Küche auch ganz ordentlich hin … zuweilen zumindest.

Dieses in-between – nicht zu einfach-banal-ordinär wie ein Bistro einerseits, nicht zu abgehoben-angestrengt-verkünstelt wie ein Hoch-Restaurant andererseits – das kriegt das Rue des Halles perfekt hin. Hier kann man einfach entspannt gut speisen, ohne Bierschwemmen-Feeling einerseits, ohne erdrückende kleingeistige Heimeligkeit andererseits, ohne steifen Noblesse-Stress dritterseits. Und das macht einfach Spaß und ist sehr lecker dazu.


Rue des Halles
Jakob Reichl
Steinstraße 18
D – 81667 München – Haidhausen
Tel.: +49 (89) 48 56 75
E-Mail: info@ruedeshalles.de
Online: www.ruedeshalles.de

Hauptgerichte von 25 € (Bouillabaisse) bis 29 € (Hirschrücken oder Skrei mit Beilagen), Drei-Gänge-Menue von 42 € bis 88,80 €

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