Architektonisch beeindruckend ist er schon, der Glaspalast in Augsburg, aber so richtig in Schwung kam das Privatprojekt des Pleite-Baulöwen Ignaz Walter in den letzten 15 Jahren nie. Kultur und zugleich innovative, hochwertige Dienstleistungsunternehmen sollten hier angesiedelt werden, bis heute glänzt das Gebäude durch Leerstände und das mehr als umstrittene Kunstmuseum Walter. Der Glaspalast liegt schlichtweg falsch, nicht bequem fußläufig von der Innenstadt erreichbar, eingequetscht zwischen Proviantbachviertel (das allerdings gerade Luxus-saniert wurde und so in Zukunft kaufkräftigere Klientel verheißt), dem in sich abgeschlossenen Martini-Park und der von Industrie und einfacher Wohnbesiedlung geprägten südlichen Jakobervorstadt, hier ist kein Laufpublikum zu erwarten, weder für Kultur, noch für Gewerbe, geschweige denn für teure Gastronomie. Und doch versucht sich im Glaspalast tapfer das Magnolia in Sachen gehobener Küche.
Bei unseren vielleicht fünf privaten Besuchen und nochmals fünf Geschäftsessen im Magnolia in fünf Jahren habe ich das Restaurant nur einmal proppenvoll erlebt, und das war vor Weihnachten, zur Zeit der Firmenweihnachtsfeiern. Ansonsten ist der große, verwinkelte, irgendwie eckige, kühle, unbeholfen auf „chic“ dekorierte, hohe Gastraum immer nur mäßig besucht, viele Tische leer. Auch die große Terrasse zwischen Haus und Parkplatz im Sommer schafft es nicht, Atmosphäre oder Flair zu versprühen, es bleiben immer gedeckte Tische im teuer renovierten Industriebau. „Kantine für leitende Mitarbeiter“, das ist mein persönlicher Eindruck, wenn ich das Etablissement betrete.
Das Personal ist stets jung, super-freundlich, super-schnell, sehr kompetent und aufmerksam, persönliche Begrüßung, Garderobe wird sofort abgenommen, perfekt eingedeckter Tisch, Gläser richtig platziert, zusätzliches Besteck wird mit Baumwollhandschuhen eingedeckt, Umgang mit dem Korkenzieher mit Knie sitzt, Weinflaschen-Hals berührt beim Einschenken nicht das Glas, usw. usf., diese Kleinigkeiten der Alten Schule stimmen allesamt im Magnolia, dies muss man konzedieren.
Belanglos hingegen ebenfalls seit Jahren das Essen. Ich zumindest kann in der Speisekarte keinen Sinn und Verstand erkennen, das sind zusammengewürfelte Gerichte aus aller Herren Küchen, aber ohne Konzept, Richtung oder eigenen Stil des Küchenchefs. Und wenn mir am Sonntagabend als besonderes Tagesgericht, das nicht auf der Karte steht, mündlich ein „Fischtopf mit verschiedenen Edelfischen“ angeboten wird, dann klingen bei mir sofort alle Alarmglocken. Es fängt schon mit dem Amuse Gueule an: ein mittelgroßes Glas einer dicklichen, lauwarmen Zitronengras-Ingwer-Suppe, dazu ein Stückchen Räucherlachs auf gedünstetem chinesischem Senfkohl. Zusammen passen die beiden irgendwie nicht. Fisch und Kohl in den Mund nehmen, mit Suppe nachspülen? Zuerst Suppe trinken, dann Fisch-Kohl essen? Und Mengen-mäßig sind Fisch und Suppe so portioniert, dass beide alleine als Vorspeise durchgehen könnten, aber keinesfalls mehr als Mundfreuden, weder von der Menge noch vom kulinarischen Freufaktor her. Die Unstimmigkeiten und der kulinarische Dilettantismus gehen weiter mit der Vorspeise von Dreierlei vom Saibling (geräuchert, gegrillt, roh mariniert), eine nette Idee, aber geschmacklich unstimmig, das rohe Saiblingshäckerle dazu noch schlecht gewürzt und eiskalt. Das Carpaccio mit Schalotten-Trüffel-Vinaigrette wieder mit diesem gottverdammten industriellen Trüffelöl, man sollte Köchen den Umgang mit diesem Teufelszeug schlichtweg verbieten. Linguine in Safranschaum auf den Punkt gekocht und lecker, die gegrillten Garnelen dazu wieder belangloseste Ware schlecht gewürzt und kurz erhitzt, wahrscheinlich TK. Die Geflügel-Consommé ganz ok, wer Zitronengras-Geschmack dazu braucht, auch ok, aber der Enten-Garnelen-Raviolo (wohl angelehnt an klassische, richtige Wan Tan) von Konsistenz und Geschmack Zumutung, die Gemüseperlen dazu maniristischer Schnickschnack und Vergeudung von Arbeitskraft. Hirsch viel zu durchgebraten, Dörrobst dazu geschmacklich völlig unstimmig, aber wahrscheinlich chic-exotisch für’s Augsburger Provinzpublikum. Um mit etwas Positivem abzuschließen: das Wiener Schnitzel war wie meistens hier eine sichere, tadellose Bank, sogar die Bratkartoffeln dazu waren – für süddeutsche Verhältnisse – ordentlich.
Aber, alle Teller bieten beim Servieren einen aufgemotzten, beeindruckenden Augenschmaus, das muss man der Küche lassen, Anrichten kann die Brigade. Nur sollten sie mehr Zeit für’s Kochen verwenden statt für Teller-Ikebana. Viel für’s Auge, wenig für den Gaumen, das ist vielleicht die treffende Kurzformel für das Magnolia.
Dazu passend, aber das nur am Rande bemerkt, die recht umfängliche Weinkarte, die auch nur wieder eine geistlose Tour de Force durch sehr viele Weinbaugebiete weltweit ist und ordentliche Flaschen von wohlfeilen 30 € bis hin zu ein paar hundert Euro bietet, aber weder die klare Handschrift eines klugen Sommeliers noch irgendeine Idee dahinter zeigt, sondern höchstens das alte Goethe’sche „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.“
Dies alles gilt übrigens – dies sei auch noch angemerkt – nicht für die Mittagskarte des Magnolia. Hier gibt es für wohlfeile 10 bis 15 € Nudeln mit Fleischsauce, Rindssuppe mit Grießklößchen, gehaltvolle Salatschüsseln mit Fisch oder Fleisch obendrauf, Tortellini mit Schinken und Erbsen in einer dicken Sahnesoße, einen feisten Hamburger oder ein geschmortes Stück Huhn mit Gemüse und Reis. Der Service ist flott, hier kann man in einer halben Stunde problemlos sein Mittagessen einnehmen und pünktlich zurück in’s Büro. Mittags