Oettinger Bier

Es ist schon ein Leid: da wettere ich wieder und wieder gegen unnütze, schädliche, irreführende, nervige, ja widerliche Werbung, Sponsoring, Marketing, und dann macht ein Unternehmen mal konsequent keinerlei Werbung, dann passt’s mir auch wieder nicht. Ich rede von der Oettinger Brauerei, heimisch im gleichnamigen alten Residenzstädtchen im Donau-Ries an der Wörnitz. Etwas heruntergekommen das 5.000 Einwohner Örtchen, viel altes Fachwerk in der Innenstadt, keine Bombenschäden, verkehrsberuhigt, drumherum ausfransende Neubaugebiete, relativ viele Kneipen und Gasthäuser, aber auch recht viel Leerstand, dazu ein fast schon niedliches Residenz-Schlösschen, von dem aus am Ende des Alten Reiches gerade mal 60.000 Untertanen von den hiesigen Fürsten regiert wurden, das Fürstengeschlecht selber machte nie viel Furore in Politik und Geschichte, ein paar der Töchter heirateten in den Europäischen Hochadel, ein Ludwig-Ernst war mal Bayrischer Innen- und Außenminister, die Historiker geben sich hier nicht gerade die Klinken in die Hand, eher schon die Heerscharen von Radlern im Ries, die hier Station machen. Am Rande dieser sich langsam zersetzenden Idylle haust ein Monster: die Oettinger Brauerei, in der auf 200.000 Quadratmetern jährlich Millionen von Hektolitern Bier in modernsten Anlagen gebraut werden, insgesamt stoßen die vier strategisch über die Republik verteilten Oettinger-Standorte pro Jahr 10 Millionen Hektoliter aus, entsprechend ist von Brauerei-Idylle, Bräustüberl-Heimeligkeit, Biergarten-Rustikalität, Holzfass-Romantik, Schunkel-Gemütlichkeit, Bier-Magie hier absolut nichts zu spüren: das ist ein topp-moderner Industriebetrieb, aufgeräumt, technisch auf dem letzten Stand, perfekt durchorganisiert und optimiert, aber in solch einer Anlage könnten auch Giftgas oder Klopapier produziert werden, das „Terroir“, der Stallgeruch, die Tradition, die Erdverbundenheit, all das fehlt hier vollkommen. Und deswegen ist Oettinger wohl auch so erfolgreich. Die Gehälter sind gut, die Mitarbeiter zufrieden, die gerichtsmassigen Streitereien der Erben werden nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen, die Fremd-Manager funktionieren, die äußere Qualität der Produkte ist einwandfrei, es wird – natürlich – streng nach dem Reinheitsgebot gebraut, ok, die Zutaten sind nicht „Bio“, aber immerhin auch nicht „Gen“, die gesamte Logistik erledigt die Brauerei selber mit eigenen Angestellten (und nicht mit Lohn-gedumpten Sub-Unternehmern), aber Kleinmengen kann man als Kunde nicht bestellen, wenn dann gleich einen halben Lastwagen voll, sonst lohnt sich die Anfahrt für den Oettinger-Lieferanten nicht, Gaststätten werden sowieso nicht beliefert, weil zu aufwändig, dazu Null Werbung, Null Sponsoring, Null Marketing, aber neuste Brau-Hochtechnologie und konkurrenzlos billige Preise, 6 bis 7 EURO kostet ein Kasten Oettinger im Supermarkt, zuweilen gibt’s aber auch mal zwei Kästen für 9,99 EURO, das ist kaum zu schlagen. Diese Politik – niedrigste Preise, Null Werbeausgaben – bescherte der Oettinger Brauerei mal mengenmäßig den Platz 1 unter den Deutschen Brauereien, 2016 wurde sie aber von Radeberger Gruppe mit 30 Millionen EURO Werbeetat pro Jahr auf Platz 2 verdrängt; interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch, dass Krombacher mit 63 Millionen EURO zwar mit Abstand die größten Werbeaufwendungen hat, es vom Bierausstoß mit 5,8 Millionen Hektoliter nur auf Platz 5 der Deutschen Brauer schafft.

Aber eigentlich hat all das ja nichts, absolut nichts mit der Qualität des Produktes, des Oettinger Bieres zu tun. Das Bier wird keinen Deut besser oder schlechter, wenn man Millionen für Werbung ausgibt oder nicht. Vielleicht sind in Oettingen die hygienischen Zustände sogar besser als in so mancher kleinen, romantischen, aber hoffnungslos veralteten Dorfbrauerei. Und doch will sich das richtige „Feeling“ nicht einstellen, egal wo man Oettinger Bier auch trinkt, das Bild des industriellen Produktionsbetriebes bleibt immer im Hinterkopf, und das ist ja einer Gründe, weswegen wir auf die Budweiser- und Heinecken-Pisse so überlegen herabblicken, mit unserer auf weiten Strecken noch handwerklich bis mittelständisch geprägten Brauereikultur. Bei Blindverkostungen aber soll Oettinger Bier immer wieder achtbare vordere Plätze erreichen, vielleicht erginge es mir ähnlich, ich weiß es nicht, ich sollte dringend mal solch eine Blindverkostung selber organisieren. Die Web-Site www.biertrend.de hat dieses Phänomen weiland sehr treffend auf den Punkt gebracht: „Generell gibt es 2 Arten von Menschen, die einen sind Oettinger-Hasser und die anderen sind Oettinger-Fans. Die einen verstehen sich als Anti-Fernsehbier-Trinker und die anderen als Premium-Pils-Genießer.“

Caro und ich jedenfalls haben in Oettingen in einem örtlichen Gasthaus – hier gibt es entgegen der Firmenpolitik offensichtlich doch Oettinger vom Fass – zwei Oettinger vor Ort versucht. Unser Ergebnis: betrügerisch eingeschenkt (aber das ist in gewisser Weise ja Nationalsport), zu warm, Farbe leicht in Richtung Bernstein, lässt ein volles Lagerbier erwarten, im Einstieg kurze, flache Bitternote, im Abgang lasch und wieder flach, kaum Geschmacks-Nuancen, Bitternote verschwindet rasch, viel zu wenig Kohlensäure, kaum schmeckbare Säure, diese Plörre brauche ich nun wirklich nicht …

 

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3 Comments

  1. Reinhard Daab

    Lieber Hr. Opl,

    da waren Sie doch offenbar in einem nicht sehr guten Wirtshaus!

    diese Plörre brauche ich nun wirklich nicht …

    Ob man aber dieses sehr preisgünstige Oettinger Bier als Plörre bezeichnen kann weiß ich nicht. Solches kann Ihnen auch woanders passieren, zuletzt hatte ich dieses Erlebnis im Kölner Raum, dort habe ich als Aperitif ein Kölsch getrunken, eine renommierte, hochgelobte Marke, die ich mir aber nicht gemerkt habe. Was soll ich sagen, es hat geschmeckt wie eingeschlafene Füße, die Gläser sind ja sehr klein, trotzdem konnte ich es nicht trinken. Woran lag es also?

    Viele Grüße aus Hessen

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