Summa summarum: Für die einen die besten Nürnberger Rostbratwürste der Stadt und des Erdkreises, für die anderen Bratwürscht halt wie alle anderen, dazu lieblose Beilagen, ein paar belanglose, deftige fränkische Fleischgerichte, triviale Getränkekarte, enger, meist voller, düsterer, rustikaler Gastraum, nette Innenstadt-Terrassen, durch die Lage an der Nürnberger Idioten-Rennmeile kaum Einheimische, fast ausschließlich internationales Laufpublikum mit Reisführer und Selfie-Stick als Gäste, halbwegs flotte, emotionslose Teller- und Gläserschlepper als Bedienung: also, ich persönlich muss da nicht nochmal hin …
Neulich, als ich mit Caro in Nürnberg war, durfte ich wieder etwas lernen: Rostbratwürste sind für den echten Nürnberger eine Glaubensfrage, offenbar ebenso, wie für den echten Münchner die Herkunft der “wahren” Weißwurst eine Glaubensfrage ist oder für den Frankfurter das Rezept für die “wahre” Grüne Soße. Nicht etwa, dass deswegen Schlägereien ausbrächen oder Kriege angezettelt würden, aber der echte Nürnberger als solcher ist durchaus in der Lage, stundenlange Stammtisch-Diskussionen über Schweine, Metzger, Körnungen, Würzungen, Schafdarm-Qualitäten, Stückgewicht, Brat-Methoden, Buchenholz-Sorten und -Alter und weiß der Geier was noch nicht alles zu führen. Ich verstehe – ehrlich gesagt – recht wenig von diesem ganzen Zeugs, aber ich weiß, wann mir eine Rostbratwurst schmeckt und wann nicht, wann mir das Ambiente einer Rostwurstbraterei gefällt und wann nicht, dass es einen Schutzverband Nürnberger Bratwürste e.V. gibt, dass die Herstellung und die Rezeptur der Nürnberger Bratwürste seit dem 15. Juli 2003 unter dem Siegel „geografisch geschützte Angabe“ (g.g.A.) der EU stehen und dass die Fabrik des Kriminellen Hoeneß täglich bis zu vier Millionen dieser industriell gefertigten Dinger raushaut.
Persönlich find‘ ich ja den Guldenen Stern in Nürnberg ganz urig, aber Caro belehrte mich in ihrer unnachahmlichen, keinerlei Widerspruch duldenden Art, dass der einzige und wahre und allein akzeptable und ausschließliche und durch nichts zu ersetzende und nicht diskutierbare Hort der Heiligen Nürnberger Rostbratwurst das Bratwursthäusle zwischen Markt und Burg sei. Nun gut, ich bin da schon des Öfteren vorbeigelaufen, aber persönlich käme ich niemals auf die Idee, ohne Not oder ohne ausdrückliche und glaubhafte Empfehlung ein solches Etablissement direkt an der Idioten-Rennmeile auch nur in Erwägung zu ziehen, es sei denn vielleicht, ich benötigte dringend eine Toilette oder ein Starkregen schwemmte gerade alles weg oder muselmanische Massenmörder marodierten munter meuchelnd durch die Straßen. Zumindest scheint es gut zu laufen, das Bratwursthäusle, was bei der Lage mit dem reichlichen Laufpublikum ja auch kein Wunder sein dürfte, ab spätestens 11:00 Uhr ist der ziemlich kleine Laden mit einem großen offenen Grill in der Mitte des düsteren, funktional-heimelig eingerichteten Gastraumes und zwei recht schönen Innenstadt-Terrassen regelmäßig rappelvoll und ohne Reservierung oder braves Warten auf einen Platz geht dann gar nichts mehr, obwohl emotionslose, funktionierende Teller- und Gläser-Schlepper ihren freudlosen Dienst zügig und weitgehend professionell verrichten. Das Bratwursthäusle gehört der Werner Behringer GmbH der gleichnamigen Familie Behringer – „Bratwurstkönig“ nannte man den alten Behringer, bis er 2012 die Geschäftsführung an seine Söhne übergab, was ihn jedoch nicht daran hindert, Tag für Tag tatkräftig nach dem Rechten in seinem Reich zwischen Schanktresen und Buchenholzgrill zu schauen –, zu der auch noch das Goldene Posthorn und das Bratwurst Glöcklein gehören, ebensolche lukrative Touristenfallen in lohnenden Innenstadt-Lauflagen. 3,8 Millionen EURO Anlagevermögen, davon allein 3,0 Millionen Finanzanlagen vermeldet die Bilanz der Werner Behriger GmbH für 2015, das Jahr der letzten Veröffentlichung, dazu ein von 4,8 auf 5,5 Millionen EURO gestiegenes Eigenkapital, davon allein 3,4 Millionen EURO Gewinnvortrag und 0,7 Millionen EURO Jahresüberschuss: ärmlich und am Hungertuch nagend geht wahrlich anders, hier wird in der – sonst oft so klagenden – Gastronomie richtig dick Kohle gemacht.
Aber hier geht es ja nicht um Millionen-Gewinne, hier geht es in erster Linie erstmal um die Wurst, und auch die gibt es reichlich bei den Behringers. Bis zu 10.000 original Nürnberger Rostbratwürste aus grob entfettetem Schweinefleisch in mittelgrober Körnung, feinen Gewürzen und Kräutern, ohne Brätanteil und nicht umgerötet, im engen Schafseitling auf 7-9 cm abgedreht, mit einem rohen Stückgewicht von 20-25 g und typischer Majoran-Würzung werden Tag für Tag frisch in der hauseigenen Metzgerei direkt vor Ort im Untergeschoss des Bratwursthäusles hergestellt und per Speiseaufzug zum Buchenholzgrill mitten im Gastraum gebracht, wo sie dann quasi im Akkord unablässig mehr oder – zu Stoßzeitzeiten auch – minder gebräunt oder im Essigsud als Blaue Zipfel heiß gezogen für den Verzehr auf hässlichen Zinntellern vorbereitet werden. Was soll man dazu sagen, Bratwürscht halt … An dieser Stelle wird wohl jede Kritik ganz subjektiv-persönlich. Caro, die Einheimische, liebt diese Würste, ihre Würzung, ihre Körnung, ihre … , ich find‘ sie ganz ok, typische Nürnberger allemal, ob von der schlechteren oder der besseren Sorte, gar die Besten, das vermag ich nicht zu beurteilen.
Zu sagen vermag ich aber, dass bei zwei Besuchen die Eingeborenen, die original Nürnberger, von denen ja immerhin 509.975 (Stand 31. Dezember 2015) in der unmittelbaren Umgebung wohnen, entweder spärlich oder gar nicht im Nürnberger Bratwursthäusle anwesend waren, dafür aber reichlich Touristen aus aller Herren Ländern, offensichtlich zumeist durch diverse Reiseführer auf Papier oder in electronic devices hierher gelockt. Für mich ist das meist ein schlechtes Zeichen, Laufpublikum braucht keine Qualität, eben weil es läuft und nicht wieder kommt, egal ob das Essen gut war oder nicht, Hauptsache vermeintlich echtes Lokalkolorit und ein paar Handy-Selfies mit Wurst vor Ort.
Was ich aber sagen und beurteilen kann, das ist, dass der Kartoffelsalat zu den Würsten matschig und süßlich war, aber das müsse so sein, sagt Caro, ich fand’s ziemlich widerlich. Dazu kein frischer Meerrettich, sondern ein lascher weißer Brei ohne jede Schärfe aus dem Glas bzw. dem Eimer, absolut belangloser Senf, bräunliches Sauerkraut fern jeder Frische, industrielle Backlinge als Brötchen, aber für fränkische Verhältnisse zumindest gute Brezen. Und was schließlich die Preise anbelangt, ich will ja niemanden der Preisabsprache zeihen, aber 13 bis 14 EURO, das scheint so in touristischen Innenstadtlagen der common sense für ein Dutzend Rostbratwürste zu sein, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Neben 10.000 Bratwürsten täglich bietet das Bratwursthäusle noch eine kleine, fleischlastige, „frankisierende“ Speisekarte natürlich mit Schäufele, dann Kartoffel- und Leberknödel-Suppe, Eisbein, Zunge, Herz, diverse kalte Platten, schließlich Rote Grütze, Apfelstrudel und Schokosoufflé als Convenience-Nachtische, dazu viele der Spezereien vakuumiert und in Dosen als Mitbringsel für daheim, damit die Durchreisenden nicht alleine leiden müssen. Veganer müssten hier wohl verhungern, aber kein Mitleid. Zum Thema Tucher-Bier ist nichts zu sagen, nur der gnädige Mantel des Verschweigens …, Wein gibt’s ebenfalls keinen Gescheiten, die billigen, scharfen fränkischen Schnäpse jedenfalls bieten die Möglichkeit, den ganzen Schmonzes für 2,30 EURO pro kleinem Stamperl runterzuspülen.
Die Fränkische Kartoffelsuppe kommt in einem abgewetzten verkupferten Tiegel mit getrocknetem Majoran und frischer Schnittlauch oben drauf, ist dennoch nur ein dünnes, weitgehend geschmackfreies Süppchen, ebenso wie die Leberknödel-Suppe. Das Eisbein ist ein fleischiges, gepökeltes und weich, fast zu weich gekochtes, durchaus leckeres Schweinebein, nur fehlt es an Beilagen und ordentlichem Senf, der Apfelstrudel war schlichtweg inakzeptabel. Aber – so Caro – sowas isst man ja auch nicht im Bratwursthäusle, hier isst man Nürnberger Rostbratwurst, alldieweil es die Besten seien … Bin ich blöde und widerspreche Caro?
Behringer´s Bratwursthäusle
Werner Behringer GmbH
Rathausplatz 1
90403 Nürnberg
Tel.: +49 (9 11) 22 76 95
Fax: +49 (9 11) 22 76 45
Email: info@bratwurst-haeusle.de
Internet: http://die-nuernberger-bratwurst.de/
Hauptgerichte von 7,50 € (6 Rostbratwürste mit Beilage) bis 10,40 € (Schäufele oder Eisbein), Drei-Gänge-Menue von 14,90 € bis 19,90 €
Das sagen die Anderen:
Guide Michelin (Booktable) Inspektoren: 0 von 3 Sternen, Michelin Teller
Guide Michelin (Booktable) Gästebewertungen: 4 von 5 Punkten (bei 1 Bewertung)
Gault Millau: n.a.
Gusto: n.a.
Schlemmer Atlas: n.a.
Feinschmecker: n.a.
Varta: erwähnt, 0 von 5 Diamanten
Holidaycheck: 5,1 von 6 Sternen, 89% Weiterempfehlung (bei 9 Bewertungen)
Yelp: 4 von 5 Sternen (bei 116 Bewertungen)
Tripadvisor: 4 von 5 Punkten (bei 1.962 Bewertungen)
Google: 4,2 von 5 Sternen (bei 803 Bewertungen)
Facebook: 4,4 von 5 (bei 322 Abstimmungsergebnissen)