Marillenknödel

Juli 2016 in Deutschland. Anfang des Jahres habe ich mir ein Fahrrad gekauft, ein erstes „richtiges“ Fahrrad, mit Shimano-Schaltung und allen Schikanen. Wir haben den „Frühling“ 2016 miterlebt, und gerade erleben wir den sogenannten „Sommer“. Will sagen, eine wetterbedingte Ausrede, warum man nicht Fahrrad fahren kann jagt die nächste. So auch vergangenes Wochenende, ich war wirklich wild entschlossen, zwei Tage weitgehend auf dem Sattel zu verbringen … und da regnete es Samstagmorgen doch tatsächlich … Also Satteltaschen wieder ausgepackt, Reisetasche eingepackt, ab in den Jeep, stur auf Landstraßen immer dem Kompass nach Richtung Osten, quer durch die Hallertau, der Hopfen steht prächtig dieses Jahr, in Au in einer netten Bäckerei gefrühstückt (3 Rühreier mit Schinken, Semmel und Butter 3,80 € – es lebe das Landleben!), an der Kante des Isartales (zuweilen herrliche Ausblicke!) bis Deggendorf, dann süd-östlich quer durch die Ausläufer des Bayrischen Waldes nach Wegscheid, weiter süd-östlich auf Nebensträßchen durch’s Mühlviertel (ein herrliches Fleckchen Erde, und touristisch ganz wenig erschlossen, schön das …) bis nach Kirchschlag, von dort auf der Bundesstraße runter nach Linz, wie immer im Schwarzen Bären Quartier genommen (die neue Dachbar ist echt schräg geworden, mehr dazu separat), spontan noch eine Karte für Diana Krall an dem Abend bekommen, phantastisches Konzert bei miserablem Wetter auf dem Domplatz erlebt, eine eckige und kantige, eine menschliche Diana Krall, nicht dieses weichgespülte, rundgeschliffene Main-Stream-fähige Gedudel, das sie im Studio zuweilen abliefert, am nächsten Tag bis Aschach die Donau hoch, dann wieder auf Nebensträßchen quer durch’s (ebenfalls wunderschöne) Hausruckviertel runter in’s Innviertel, bei Braunau über den Inn und dann zügig auf der B12/A94 heim. Zügig heim, denn bei Bauern in Ottensheim hatte ich zwei Kleinodien erstanden: die ersten österreichischen Marillen (Frühe Kremser Rosenmarillen, um genau zu sein) und die ersten Agria (eine Seltenheit: eine mehlig kochende halb frühe Kartoffel, eigentlich gibt es richtige mehlige Kartoffeln ja erst ab September, vielleicht schon mal im August). Marillen und mehlige Kartoffeln? Klar … Marillenklöße, deshalb auch rasch heim.

Traditionell werden Marillenklöße in Österreich aus Kartoffelteig hergestellt, ganz traditionell sogar nicht aus gekochten, sondern aus im Ofen gegarten Kartoffeln (die dadurch weniger Wasser enthalten und einen trockneren Teig ergeben; auch wenn man zu sagen geneigt ist, weiche Kartoffel ist weiche Kartoffel, der Unterschied ist ganz erheblich). In letzter Zeit findet man auf Speisekarten, in Kochzeitschriften und Kochbüchern immer öfter Marillenklöße aus Topfen- oder Quark-Teig. Topfenknödel sind erstens wesentlich weniger aufwändig in der Herstellung (man braucht keine gekochten / gedämpften Kartoffeln) und zweitens wesentlich sicherer in der Handhabung (die Dinger fallen beim Kochen nur bei sehr dummen Köchen auseinander oder aber werden Tennisball-gummiartig). Ich mag diesen penetrant säuerlichen Geschmack des Topfenteiges nicht zu Fruchtklößen, aber ein wenig säuerlich darf’s schon sein, von daher mache ich – damit’s nicht zu einfach wird – meine Marillenklöße aus Kartoffel-Quark-Teig. Und das geht so:

Zutaten

  • 150 g Topfen (20%)
  • 400 g bis 500 g mehlige Kartoffeln (je nach Garmethode)*
  • 75 g weiche Butter
  • 2 Eier, 2 Eigelb (oder 3 Eier)**
  • Ca. 200 g griffiges Mehl (ich nehme Wiener Griessler)
  • Salz
  • 12 kleine Marillen***
  • 12 Stückchen Würfelzucker
  • 8 cl Marillenbrand
  • 150 g Butter
  • 200 g Semmelbrösel
  • Zucker nach Geschmack
  • Zimt nach Geschmack

 

Zubereitung

  • Topfen möglichst im Stück auf ein feines Sieb geben, mindestens 2 Stunden abtropfen lassen
  • Entweder 400 g Kartoffeln schälen, in gleich große Stücke schneiden und in kochendem, leicht gesalzenem Wasser ca. 20 bis 25 Minuten weich kochen, abgießen, bei offenem Deckel unter Schütteln auf dem Herd komplett ausdampfen lassen
  • Oder 500 g mittelgroße, gleichgroße Kartoffeln waschen, ganz auf ein Backblech mit Backpapier legen und im vorgeheizten Ofen bei 200° 50 bis 60 Minuten weich garen (als Garprobe mit einem Zahnstocher hineinstechen, man spürt ganz einfach, ob die Dinger weich sind); gegarte Kartoffel aus dem Herd nehmen, etwas abkühlen lassen, halbieren, mit einem Löffel weiches Inneres herauskratzen
  • Kartoffeln durch die Kartoffelpresse drücken
  • Kartoffelmasse, abgetropften Topfen, weiche Butter, 2 Eier und 2 Eigelb (oder 3 ganze Eier), ¾ des Mehls und eine gute Prise Salz zügig mit den Händen oder dem Knethaken der Küchenmaschine zu einem geschmeidigen, nicht mehr klebenden Teig verarbeiten, dazu so lange unter Kneten/Rühren den Rest des Mehles dazu geben, bis der Teig nicht mehr an den Händen bzw. der Rührschüssel klebt****
  • Teig zu einer Kugel formen, dünn mit Mehl bestäuben, mit einem Handtuch abdecken, 2 Stunden kühl stellen
  • Nach 2 Stunden kleinen Probekloß aus der Masse formen und in leicht simmerndem (nicht kochenden!) Wasser 10 bis 12 Minuten garen, herausheben (sofern er nicht zerfallen ist), kosten. Sollte der Kloß zerfallen oder breiig werden, noch 1 bis 2 Eßl. feinen Grieß unter die Masse arbeiten
  • Erst unmittelbar vor dem Formen der Klöße Marillen waschen, trockentupfen, entlang der Längsfurche halb aufschneiden, Stein herauslösen, durch ein Stückchen Würfelzucker ersetzen, Marille wieder zuklappen
  • 60 g Kloßteig (oder mehr, oder weniger, s.u.) auf die linke Handfläche geben und so lange zwischen den Händen flachdrücken, bis eine Größe erreicht ist, die ausreicht, eine Marille ganz zu umhüllen
  • Marille mit Zuckerstückchen auf den Kloßteig geben, mit selbigem umhüllen, dabei darauf achten, dass keine Spalte oder Löcher oder Risse im Teig sind, Kloß zwischen den Händen nochmals rund rollen, beiseitelegen
  • So allen Kloßteig verarbeiten
  • 4 – 5 Liter Wasser in einem großen Topf (Knödel müssen alle nebeneinander Platz darin haben) zum Simmern (nicht Kochen) bringen, 1 Teel. Salz und – schweren Herzens – 4 cl Marillenschnaps zu dem Wasser geben, die anderen 4 cl zum Trost selber trinken
  • Knödel in’s Wasser geben und 12 bis 15 Minuten simmern (keinesfalls kochen, sonst Kloßbrühe!) lassen; nach ca. 5 bis 10 Minuten sollten die Knödel an die Wasseroberfläche steigen, ggf. vorsichtig mit einer Schaumkelle vom Topfboden lösen
  • Währenddessen 150 g Butter (oder – wer mag – auch mehr) in einer Pfanne bei mittlerer Hitze aufschäumen, 200 g Semmelbrösel dazu geben und unter gelegentlichem Rühren bräunen, nach Geschmack mit Zucker, Zimt würzen
  • Knödel aus dem Wasser heben, abtropfen lassen, mit gerösteten Butter-Semmelbröseln servieren

 

Dazu passt ein Franziskaner (eine Melange mit Schlagobers-Haube) oder ein Kapuziner (ein doppelter Mokka mit Schlagobers) ganz famos, zusammen mit einem weiteren Stamperl vom Marillenschnaps oder –likör; oder auch ein Eiswein vom Neusiedler See.

 

* Bei der Verwendung von gekochten Kartoffeln braucht man etwas weniger Kartoffeln als bei im Ofen gegarten, da letztere nicht geschält, sondern ausgekratzt werden, und dabei gibt es einigen Schwund, da etwas Kartoffel immer an der Schale haften bleibt.

** Bei der Verwendung von 2 Eigelb werden die Klöße schöner gelb.

*** Das Mengenverhältnis Obst-Teig ist eine Glaubens- und Könnensfrage. In der gehobenen Küche müht man sich, eine möglichst filigrane Teigschicht um die Frucht zu drapieren, das sieht hübsch aus, zeugt von handwerklichem Können und ist ziemlich schwierig in der Herstellung; in der derberen Küche klatscht man eine große Teigmenge um die Frucht, das ist einfach, außerdem sind Kartoffeln billiger als Marillen und mehr sättigen tut’s auch. In diversen Kochbüchern habe ich alle Mengenverhältnisse von 30 g bis 95 g Kloßteig pro Marille gefunden. Hier muss jeder für sich selber wissen, wie viel Teig er um seine Frucht mag und wie dünn er sich das Zubereiten der Teighülle zutraut. Ich persönlich mag auch Kloßteig gerne, zumal später mit viel Semmelbröseln und Butter, wenn man bei diesem Rezept 12 Marillen hernimmt, so kommen auf jeden Kloß rd. 60 g Teig – aber es geht auch mehr oder weniger.

**** Jede Kartoffel ist anders, durch die Garmethode werden sie nochmals anders, du jedes Mehl hat ebenfalls seine eigenen Eigenschaften, und außerdem sind Eier unterschiedlich groß und liefern unterschiedliche Flüssigkeitsmengen in den Teig; daher kann die Mengen-Angabe für das Mehl immer nur eine ungefähre sein. Man benötigt so viel Mehl, dass der Teig nicht mehr klebt, und das dürften erfahrungsgemäß zwischen 150 und 250 Gramm sein, im Einzelfall gilt es einfach, auszuprobieren.

 

Immer wieder findet man bei der kulinarischen Dummschwätzer-Fraktion den Irrglauben oder die Fehlinformation, Marillen und Aprikosen seien etwas völlig verschiedenes, gar unterschiedliche Pflanzen. Aprikosen, Marillen oder am Rhein auch Maleten bezeichnen allesamt dasselbe, nämlich ein Rosengewächs der Gattung Prunus armeniaca. (Nur Mirabellen – das wird oft durcheinander geworfen – sind tatsächlich etwas anderes.) Einen besonderen Status hat die Wachauer Marille, die seit 1996 eine durch die EU geschützte Ursprungsbezeichnung ist; es sei hier nicht verschwiegen, dass auf Betreiben der Wachauer Marillenbauern seit 2012 auch Früchte, die nicht aus integriertem Anbau stammen oder die mit chemischen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden als „Wachauer Marillen g.U.“ verkauft werden dürfen (Danke dafür, liebe Marillenbauern!). Wie bei den meisten Nutzpflanzen gibt es auch bei der Aprikose unzählige Sorten; nur bestimmte, meist kleine und süße Sorten, dürfen als Wachauer Marillen verkauft werden, so die Klosterneuburger, die Luizert, die Große Wahre Frühe oder die Ananas Marille.

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