Ein Wirt am österreichischen Wörthersee verlangt 8 EURO für einen leeren Teller, wenn sich zwei Gäste z.B. einen Vorspeisenteller teilen. Die Empörung im Netz darüber ist groß, die social media Volksseele schäumt: „Solche Wirte braucht man echt nicht.“, „Frechheit!“, „…sollten pleite gehen“, „Jetzt sans komplett wuggi wuggi“, „Wucher“, „Manche Wirte werden immer unverschämter.“ „Einfach nicht mehr hingehen mal sehen wie lange er es dann noch macht“, „Dieses Lokal meiden! Punkt!!“, „… die Gier ist halt ein Hund …“, „Unverschämter geht’s nimmer!“ … und so weiter, und so fort.
Verzeihung, aber die Leute, die solche Kommentare loslassen, sind für mich schlichtweg dumm, dumm und arrogant, von Gastronomie und deren Ökonomie haben sie absolut keine Ahnung, und Respekt vor Wirten, die uns alle füttern, haben sie auch nicht, es geht denen nicht um ein friedliches Miteinander zwischen Fütternden und Gefütterten, sondern ausschließlich um ihren eigenen Geldbeutel, den sie möglichst wenig für möglichst viel Leistung aufmachen wollen: erbärmlich, Leute, geht zu McKotz, das ist Eure Liga und Euer Budget. Gute Leistung kostet und hat im Gegenzug einen Anspruch auf gutes Geld, Punktum.
Die Argumentation, dass – bis auf einen leeren Teller – seits des Wirtes keine Leistung erbracht würde, ist schlichtweg falsch. Für das Lokal, in dem man sitzt, zahlt der Wirt Pacht oder er hat es gekauft und muss es nun amortisieren, Einrichtung, Raumschmuck, Reinigung, Strom, Heizung wollen bezahlt sein, die Toiletten geputzt, Wasser, Klopapier, Seife gibt’s auch nicht umsonst, die Restaurantausstattung vom Herd über die Registrierkasse bis zur Espressotasse hat Geld gekostet und will regelmäßig erneuert werden, die Servicekraft, die die geteilte Portion serviert, erhält trotzdem vollen Lohn (aber wahrscheinlich weniger Trinkgeld – Servicekräfte sind auf das Trinkgeld angewiesen, nur von ihrem Lohn können sie nur selten leben –, denn die Gäste haben ja weniger konsumiert, ergo eine kleinere Rechnung, ergo kleineres Trinkgeld), die Buchhaltung will gemacht sein und so weiter und so fort. All diese Kosten streckt der „gierige Wirt“ vor, und es ist nur recht und billig, wenn er dieses Geld von seinen Gästen, die seine Leistung freiwillig in Anspruch nehmen, zurückhaben will. Was die Leistungen kosten, kann jeder Gast vorab der außen obligatorisch ausgehängten Speisekarte entnehmen und dann entscheiden, ob er dieses Geld ausgeben will. Damit der „gierige Wirt“ auf seinen Schnitt kommt, hat er eine Kalkulation, was er pro Platz umsetzen muss, damit er kein Geld drauflegt. Das ist immer eine Mischkalkulation, der Eine isst nur ein billiges Gericht mit einem kleinen Getränk und besetzt stundenlang einen Tisch, der Andere schaufelt rasch drei teure Gänge rein, trinkt eine Flasche Wein und verschwindet wieder. Aber wenn sparsame oder gar geizige Gäste diese Kalkulation zuhauf systematisch unterlaufen, kann’s eng für den „gierigen Wirt“ werden. Tatsächlich klagen immer mehr Wirte nicht nur über ausbleibende Gäste, sondern gleichzeitig auch darüber, dass die Gäste, die noch kommen, deutlich weniger Zeche machen als früher.
30 Prozent vom Verkaufspreis beträgt der Wareneinsatz in der Gastronomie im Durchschnitt, der Rest sind Personal- und Betriebskosten, um so ein Lokal am Laufen zu halten, dem „gierigen Wirt“ bleiben in der Regel 2 bis 10 Prozent als Gewinn, ironischerweise sind die Gewinne in der Spitzengastronomie trotz der hohen Preise in der Regel deutlich niedriger als in Klopsbratereien und Convenience-schwangeren Massenschuppen. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, In-Lokale und Touristenabzocken, aber ich persönlich kenne keinen redlichen „gierigen Wirt“, der einen Porsche führe, einige unredliche hingegen schon.
Wir sollten deutlich lieber zu unseren Wirten sein, denn sie sind es, die uns füttern, und es werden immer weniger, das Restaurantsterben – gerade auf dem Lande – ist beängstigend. Wenn man sich in der seriösen Gastronomie eine goldene Nase verdienen könnte, würden nicht so viele Lokale zusperren. Wer sich darüber aufregt, dass ein „gieriger Wirt“ für gute Leistung auch gutes Geld verlangt, der sollte sich besser ’ne Tiefkühlpizza holen.
Absolut, das sehe ich auch so. Bis auf eine (gar nicht so kleine) Kleinigkeit: Wo bitte gibt es denn noch Restaurants, die einen Wareneinsatz von 30% haben? Das fängt schon beim Bäcker an, wo eine Breze einen Wareneinsatz von vielleicht 3 oder 4 Cent hat, aber 90 Cent, oder mehr, kostet. Und wenn ich, wie neulich, für eine Tomatensuppe 9,50 Euro bezahle, dann kann mir doch niemand erzählen, dass 300 ml Dosentomaten, etwas Salz, Wasser, ein paar Gewürze und vielleicht noch 150 ml Brühe 3 Euro ausmachen? Die Metro bietet ein Kilo argentinisches Roastbeef für netto 20 Euro an, macht vielleicht 6 Euro Wareneinsatz – für einen Teller, der gerne einmal 35 Euro kostet – und wo die Beilagen vor allem aus der Fritte und dem Convience-Beutel kommen. Und da wollen wir, wie neulich in München, von der Pizza für 18 Euro und dem Glaserl Wein für 11 Euro gar nicht mal reden. Und selbst die Steakmanufaktur, immerhin die Nummer 1 in Augsburg, hat so gut wie alle hausgemachten Beilagen gestrichen und bietet seit gut einem Jahr vor allem Produkte an, die auch von Hilfsköchen – schnell und nach Anleitung – zubereitet werden können. Wo haben Sie das letzte mal Gratin als Beilage erhalten, oder selbstgemachte Herzogin-Kartoffeln? Oder Crepes Suzette oder selbstgemachtes Eis?
Man muss ja nicht nur gute Produkte haben, man muss dem Kunden auch das Gefühl vermitteln, dass es den Preis wert war.