Landgasthaus Schuster Freyung: Immer wieder gerne

Summa summarum: Sehr solide, gehobene, handwerklich gekonnte, gutbürgerliche Küche ohne Spinnereinen in gepflegtem, aber nicht steifem Ambiente am Ende der Republik

Es gibt die Stillen und es gibt die Lauten. Die Lauten, das sind die Schuhbecks, Olivers, Ramseys, Lafers, die sich durch alle Medien prostituieren und weniger kochen als vielmehr dumm daher schwätzen, Kochbücher schreiben lassen, Firmen-Konglomerate steuern, Werbung für alles und jeden – einschließlich imperialen Billig-Klops-Bratereien – machen und ihre Namen für allerlei überteuerte Produkte hergeben. Die Stillen, die einfach nur kochen wollen, die sind mir viel lieber. Harald Wohlfahrt war immer so einer, selbst bei seinem Rauswurf wahrte er noch Contenance – von dem Spiegel-Interview vielleicht mal abgesehen –, Hans Haas, Alexander Huber, selbst Vincent Klink, auch wenn der dann und wann mal durch die Systemmedien geistert bzw. poltert, aber dann mehr, um was zu sagen, als um den allgemeinen Unterhaltungs-Kasperl zu geben.  Die Stillen also, von denen man jenseits der Restaurant-Guides und Feinschmecker-Magazine wenig wahrnimmt, die man in einschlägigen Kreisen eher wie Geheimtipps unter der Hand handelt, kulinarische Bückware gewissermaßen.

So ein Stiller ist Leopold Schuster, der zusammen mit seiner Frau Bärbel das Landgasthaus Schuster in Freyung, im tiefsten Bayrischen Wald betreibt. Kochlehre in Passau, danach Wanderjahre im Steigenberger in Bodenmais, Mövenpick in Genf, Erbprinz in Ettlingen, Europäischer Hof in Heidelberg, das sind nicht – so sehr ich den Erbprinzen schätze – gerade die wirklich glanzvollen, im Lebenslauf herausragenden Adressen, das klingt eher nach solidem Handwerk und 40-Stunden-Woche, nicht nach überschäumender Kreativität und brennender Leidenschaft und brutaler Ausbeutung in der Brigade irgendeines Koch-Gurus. Muss ja auch nicht. Vielleicht gerade deswegen liefert Schuster heute solide, gehobene Hausmannskost, ob das schon zwei Hauben wert ist, darüber mag man streiten, einen Stern gewiss nicht, und doch fahren wir immer wieder gerne zu den Schusters nach Freyung.

Aber Freyung stimmt noch nicht einmal, es ist ein Vorort von Freyung, logistisch denkbar ungünstig gelegen, ohne Auto geht hier nix (und das bei der Weinkarte), ein unscheinbares Wohnhaus dicht an der Straße in einer unscheinbaren Wohnsiedlung, niemand würde hier gehobene Küche vermuten. Innendrinnen ist es bieder-gediegen, mehr bürgerliches Speisezimmer als Restaurant, kein Dutzend Tische mit doppelten, akkuraten Belgischen Damast-Tischdecken, Ocker-Töne und alte Bilder, dezenter Blumenschmuck in Glasvasen aus Spiegelau, moderne mundgeblasene Gläser aus dem nahen Zwiesel, Geschirr von Dibbern, WMF-Besteck, Frau Schuster macht den Service oft alleine, während ihr Mann in der Küche werkelt, sie ist freundlich, umsichtig, flott, das alles ist ungezwungen und doch angenehm gepflegt, aber nicht steif. Die Speisekarte ist überschaubar, regional geprägt, anspruchsvoll: Hühnerterrine mit Entenleberkern, Mochelconsommé mit Kalbsbries-Ravioli, Angelschellfisch in Trüffebutter, Rehrücken mit Lärchennadeln, aber daneben bietet Schuster auch ganz bieder Tafelspitzsülze, ein Wiener Schnitzel (immerhin vom Strohschwein – und ja, in der Speisekarte steht tatsächlich Wiener Schnitzel vom Schwein) mit Bratkartoffeln oder Gäuboden-Spargel mit Hollandaise, davor leckere Kleinigkeiten, danach beachtliche kleine Patisserie-Leckereien.

Als Amuse-Gueul eine kräftige, klare, Bernstein-farbene Consommé interessant und perfekt mit Kerbel verfeinert. Lammterrine auf Bohnenmus mit einem kurzen Sößchen: optisch verbesserungsfähig, geschmacklich phantastisch. Heimischer Ziegenfrischkäse mit Zwiebel-Chutney und kleinem Salat: einfach perfekt in seiner Schlichtheit. Von Schuster selbst gemachte Wurst, Schinken, Geselchtes mit Essig-Rhabarber: da kann einer nicht nur kochen, sondern auch metzgern, und zwar richtig gut. Schnitzel mit Bratkartoffeln waren dann nur Standard, eher lieblos, was man ja auch verstehen kann, welcher ambitionierte Koch außerhalb Wiens macht schon gerne Schnitzel, und Bratkartoffeln können die Bayern sowieso nicht. Spargel auf den Punkt gekocht, sehr gute selbst gemachte Hollandaise, die Bärlauchkartoffeln (ganz kurios, irgendwie eine halbe gekochte Kartoffel, die andere Hälfte zu Brei zermatscht, mit Bärlauch vermischt und wieder auf die Kartoffelhälfte draufgeklatscht) dazu schlichtweg eine Schnapsidee, feiner Spargel, eine wirklich lockere, geschmacklich fein nuancierte Hollandaise, und dazu dann stinkige, schimmelgrüne, penetrant knoflige, derbe Kartoffel, das passt nun wirklich bei aller Liebe nicht, selbst mit dem in solchen Fällen gerne zitierten kulinarischen Kontrapunkt kommt man hier nicht weiter, der brachiale Bärlauch passt einfach nicht zu den sonstigen feinen Geschmäckern auf dem Teller. Die Dessertvariationen reichlich, gekonnt, nicht zu süß, fruchtig, die Petit Fours zum Kaffee sehr beachtlich, da ist ein echter Feinmotoriker am Werk. Und drei Gänge für noch nicht einmal 50 EURO pro Person, das ist scherlich nicht wenig, aber wirklich value for the money.

Landgasthaus Schuster
Leopold Schuster
Ort 19
94078 Freyung
Deutschland
Tel.: +49 (85 51) 71 84
Fax: +49 (85 51) 91 19 20
E-Mail: info@landgasthaus-schuster.de
Internet: www.landgasthaus-schuster.de

Hauptgerichte von 23 € (Schnitzel mit Bratkartoffeln) bis 34 € (Rinderfilet mit Pfifferlingen), Drei-Gänge-Menue von 41 € bis 69 €

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