2007 machte sich der Koch des Dresdner Hilton, der Schwabe Eckhard Kleinert zusammen mit seiner Holländischen Frau Marjo in Dresden Loschwitz, direkt am Blauen Wunder mit einem kleinen Restaurant und Spezialitäten-Geschäft selbstständig. Er tat genau das, wovon viele Gourmands und Genießer träumen: alles hinschmeißen, aus der Job-Tretmühle mit ihren Zwängen raus, ein kleines Lokal aufmachen, nur noch kochen was man selber mag, mit besten Zutaten, in bester Qualität, selbstgemacht, aber ohne Zwang, ohne vorgegebene Pflicht-Standard-Karte, ohne Direktiven der Hotel- oder Restaurant-Leitung und der Controller, statt dessen nette Menschen bewirten mit authentischer Küche, hinter der man selber steht. Dieser Traum endet meist mit einem alten Treppenwitz: „Was braucht man, um in der Gastronomie ein kleines Vermögen zu machen?“ Antwort: „Anfänglich ein großes Vermögen.“ Bei den Kleinerts scheint es – hoffentlich – zu klappen, seit über 10 Jahren sind sie jetzt schon eine feste kulinarische Institution in Dresden, Stefan Herrmann, Sternekoch aus dem bean&beluga geht hier dem Vernehmen nach gerne privat zum Essen hin, das ist doch mal eine Aussage.
Kleinert’s Spezialitäten mit dem verfluchten falschen Apostroph liegt versteckt in zweiter Reihe in Loschwitz an der Elbe, dennoch hat man von der kleinen Terrasse Blick auf’s (hier ist der Apostroph als Auslassungszeichen richtig, nur mal so nebenbei bemerkt) Wasser. Hierher verirrt man sich nicht durch Zufall, Touristen strömen hier ebenfalls nicht melkwillig zu Hauf vorbei, wer hierher kommt, weiß in der Regel, was er sucht, entsprechend setzt sich Publikum primär aus Dresdner Avantgarde, Geschäftsleuten und gelangweilten Besserverdiener-Gattinnen zusammen, für Studenten ist das Etablissement zu teuer, für Rentner zu alternativ. Der Gastraum selber ist langestreckt, hell, hinten Verkaufstheken mit hervorragenden Würsten, Schinken, Käse und selbst gemachtem Eis, an der Seite des Raumes die offene Küche, wo man direkt beim Kochen zusehen kann. Bistromöbel, eigentlich immer frische, bescheidene, aber liebevoll arrangierte Blumen auf jedem Tisch, sonst kaum Deko außer einem absurd anmutenden Hirschgeweih, die Atmosphäre ist fast immer entspannt, hier fühlt man das gute Karma förmlich. Meist steht Kleinert selbst am Herd, macht selber Nudeln oder Maultaschen, schnippelt frisches Gemüse, rührt Salatsaucen zusammen, brät Fisch und Fleisch à la minute, usw. usw. Hier wird nicht gepfuscht und getrickst, hier gibt es nichts zu verstecken, das ist schön. Es gibt eine kleine, jahreszeitlich wechselnde Standardkarte und Tagesgerichte, die auf großen Schiefertafeln angeschrieben sind, mehr nicht.
Die Küche ist unprätentiös im besten Sinne des Wortes, „prätentiös“, so definiert der Duden, heißt „sich durch Äußerungen, bestimmte Mittel der Darstellung den Anschein von Wichtigkeit, Bedeutung gebend; durch betont gewichtiges Auftreten o.Ä. Eindruck machen wollend“, und Kleinert zelebriert hier ganz bewusst und konsequent das Gegenteil. Das entspannt, auch und gerade den Gast. Ein Lütticher Salat mit Ei, Schinken, Croutons und lauwarmen Sahnedressing, handgeschabte Spätzle mit Pilz-Sahnesauce, eine frisch aufgeschlagene Hollandaise mit à la minute gekochtem Spargel, Miesmuscheln in einem Sud zum Niederknien mit Baguette, frische Austern mit einer Rotweinvinaigrette, eine frisch aufgeschnittene Schinken-/Salami-Platte, das sind so die ganz einfachen kulinarischen Freuden, die einen bei Marjo und Eckhard Kleinert erwarten, dazu – je nach Jahreszeit – ein leichter, kühler Weißwein oder ein gehaltvollerer Roter, nicht überteuert offen ausgeschenkt, so kann das Leben schon Spaß machen. Aber man kann hier auch anspruchsvoller kochen, letzten Herbst zum Beispiel eine Choucroute, wie man sie besser im Elsass nicht bekommt; gebratene Seeteufelmedaillons, sonst wird der Edelfisch oft tot und zäh gebraten, Kleinert hat ein Händchen für perfekt glasig, nur die Hummersauce dazu war enttäuschend, vorherrschender Geschmack war einfach „fischig“; ein klassisch zubereiteter Hummer Thermidor, wo findet man solch altertümliche, schwere Gerichte heute noch; auch das gibt’s (richtiger Apostroph) bei Kleinert’s (falscher Apostroph). Es gibt keine Standardgerichte, es gibt auch keine aktuelle Tageskarte im Internet, man muss sich als Gast halt einlassen, wenn man zu den Kleinerts geht, irgendwas findet sich immer auf der Karte, aber man heiß halt im Vorfeld nicht unbedingt, was. Das bestimmen allein die Jahreszeit, der Markt und die Laune des Herrn Kleinert. Ein schönes Konzept, das aufzugehen scheint. Toi, toi, toi.
Kleinert’s Spezialitäten
Friedrich-Wieck-Straße 45 b
01326 Dresden
Tel.: +49 (3 51) 2 63 36 95
E-Mail: kleinerts.spezialitaeten@gmail.com
Online: www.kleinerts-spezialitaeten.de
Vorspeisen und Suppen ca. 5 bis 10 €, Hauptspeisen ca. 15 bis 25 €, Desserts ca. 5 bis 10 €