Was soll man sagen? Menschenmassen aus aller Herren Länder wälzen sich dicht gedrängt in konvulsivischen Bewegungen aneinander vorbei, Ärsche streifen wie ungewollt die Schritte, Titten und Ellenbogen suchen die Symbiosen, Armbeugen haken sich wie von selbst ein und verbinden die Humanoiden daran in wilden Schaukelbewegungen, Tracht, die weitaus größte Zahl der Humanoiden trägt Tracht oder zumindest das, was sie dafür halten oder was ihnen als solche verkauft wurde, bunte karierte und lederne stilistische Phantasmagorien, Niederbayern, Nigerianer und Neuseeländer, Notenbanker, Nutten und Nachhilfelehrer, Nationalspieler, andere Nichtsnutze und Normale, sie alle eint die Phantasietracht sowie das unbändige Verlangen nach Vergnügen und der Durst nach Bier, und so pilgern sie alljährlich Ende September auf eine Wiese im Stadtzentrum Münchens, auf der nur für ein paar Tage Fahrgeschäfte, Imbissbuden und riesige Zelte aufgebaut werden, für das zelebrierte kollektive Delirium, das weder Stand noch Anstand kennt, im Bierzelt sind alle gleich (nur die VIPs in ihren Boxen, die sind gleicher), wo früher ein paar brummige Wärter und Bierkutscher für ein Minimum an Ordnung sorgten, schwärmen heute Myriaden von Polizisten um mächtige Beton- und Stahlpoller, um uns alle vor den Unbilligen unter Merkels Gästen zu schützen, dazu kommen Sicherheitspersonal und Ordner vor und in den Zelten selber, bei deren Anblick und Auftreten man nicht weiß, ob sie Schutz vor Bedrohung darstellen oder die Bedrohung selber oder aber beides, wie zwei Seiten einer Münze, die eine Hälfte des Clans bedroht und die andere Hälfte schützt vor Bedrohung, und alle leben gut davon, kein Schutz aber vor chronisch schlecht eingeschenktem Bier, quälend eng gestellten Bierbänken, ohrenbetäubendem Rumstata-Krach mit Liedtexten, die einen jeden, der zur Verbesserung der Menschheit und der Welt beitragen wollte, von Sophokles und Konfuzius über Augustinus und Diderot bis hin zu Karl Marx und Oswald Spengler heftig im Grabe rotieren lassen dürften, schlechte Luft (wie mag das erst gewesen sein, als in den Zelten noch geraucht werden durfte?) geschwängert mit Schweiß, Bierpfützen, Parfum, Schweinsbraten, eine unbeschreiblich olfaktorische Melange, Preise nahe des Wuchers und doch zahlen’s alle ohne Murren, ist schließlich Wies‘n, und die ist nur einmal im Jahr. Oans zwoa gsuffa. Punktum. Und nach erfolgter Betankung im Festzelt kotzen die einen sich im nahen Park die Seele aus dem Leibe während die anderen daneben im Stehen rasch kopulieren und das Kondom in das Erbrochene werfen.
Doch was kommt nach dem Saufen, mag sich so mancher fragen, denn nach dem Saufen hat die Natur das Pissen gestellt, und um das Pissen, genau genommen um das Männer-Pissen im Paulaner Festzelt auf der Wies’n soll es hier gehen, noch genauer um das Händewaschen nach dem Männer-Pissen im Paulaner Festzelt auf der Wies’n. Einer der Aborte für das bessere Geschlecht in besagtem Zelte nämlich ist in Form eines „U“ gebaut, rechts weisen große Schilder darauf hin, dass dies ein Ein- und kein Ausgang sei, der Ausgang ist nämlich folgerichtig links (trotzdem drängen immer wieder frisch Entleerte entgegen des Stromes und des germanischen Organisations-Reglements wieder aus dem Eingang rechts heraus und bringen die ordentlich wartende Reihe der noch Beladenen in Unordnung und Rage), man betritt den Ort der Erleichterung also rechts, dort gibt es zuerst vielleicht 8 Türen, hinter denen man in intimer Abgeschiedenheit große Geschäfte verrichten kann und vor denen bereits Scharen verkrampft-gekrümmter Männer in Tracht ungeduldig und zuweilen bereits undicht auf Einlass in das vom Vorgänger frisch verstunkene Häuserl warten, dahinter folgt ein mehrreihiges Labyrinth von langen, verzinkten, wassergespülten Piss-Rinnen, die vielleicht gut fünfzig bis achtzig Mannsbildern gleichzeitig die Entleerung erlauben, dann, am anderen Ende des „U“, nochmals ein paar Scheißhäuserl und schließlich, für vielleicht einhundert Mannspersonen, die sich hier gleichzeitig ihrer Fäkalien entledigen können – jetzt kommt’s, um nichts anderes geht es in diesem ganzen Text, der ganze Rest ist Einleitung – zwei (ZWEI!) Waschbecken und ein Händetrockner. Entsprechend groß ist der Anteil der ungewaschenen Männerhände, die diesen Abort wieder verlassen, ich schätze deutlich über 90%. Also, wenn Sie auf dem Oktoberfest sind, achten Sie gut darauf, wem Sie die Hand geben und wessen Hand Sie vielleicht sogar heimlich unter’m Tisch oder später im Gebüsch an intimere Körperteile lassen.
* Bevor Tina schimpft: Die bajuwarischen Ausdrücke und deren lautsprachliche Transkriptionen sind entnommen Ruppert Frank: „Bairisches Wörterbuch“, www.bairisches-woerterbuch.de