Ich hab’s schon wieder getan

Ziemlich genau einmal jedes Jahr überkommt mich eine unglaublich perverse, abartige, schmutzige, unappetitliche Begierde, über die man eigentlich den gnädigen Mantel des diskreten Schweigens ausbreiten sollte, aber jeder hat irgendwann sein Coming Out, und sei dies nun das meine, in der Hoffnung,  dass sich Freunde nicht angewidert von mir abwenden und den Rücken zukehren, sondern dass sie vielmehr Verständnis und Toleranz aufbringen für diese meine ganz persönliche Spielart der Perversion. So sei es denn: einmal im Jahr gehe ich freiwillig zu McDonalds. Ich kann noch nicht einmal vorgeben, ich ginge dort hin, um zu überprüfen, ob die zwischenzeitlich mal das anständige Kochen gelernt haben; nein, ich gehe dorthin, weil mich einmal im Jahr die Lust auf einen Fertig-Burger packt, und der darf nicht von Burger King, Peter Pane, Wendy’s  oder Carls’s jr. sein, nein,  der muss wenn dann schon vom Großmeister des Fertigfutters selber stammen. Und jedes Jahr ist das Ergebnis ernüchternd: ich bin spätestens nach dem ersten Bissen, meist aber bereits beim unmittelbaren Anblick  des Fleischklopses im Labber-Brötchen angewidert.

Diesmal war’s nach der Morgen-Maschine aus Berlin, Caro und ich hatten am Abend zuvor an einer Veranstaltung mit meist jungen Entrepreneurs und meist alten Investoren teilgenommen. In einem dieser typischen Backstein-Lofts in Mitte, in denen die Start-Ups en masse hausen, hatte die Key-Note der sehr erfolgreiche Gründer eines Online-Lieferservice für Futter aller Art gehalten, der beim Verkauf seines Ladens an die Amis Millionen gemacht hatte und entsprechend selbstbewusst mit dicker Hose auftreten konnte. Er sprach über das Verhältnis zwischen strategischen Investoren und Gründern, und er sagte eine ganze Menge richtige Sachen, die ich so noch nie bedacht hatte. Strategische Investoren, so schimpfte er, träten gegenüber Gründern meist wie die betuchten Macker auf, die die Gründer mehr oder weniger von oben herab behandelten und alles ganz genau von den Gründern wissen wollten, während sie selber über sich, ihre Absichten, ihre Strategien, ihre Assets kaum etwas preisgäben, in dem Irrglauben, sie hätten ja schließlich das Geld, das die Gründer so dringend bräuchten, da müssten sie nicht auch noch was von sich erzählen, ganz  gemäß dem alten bajuwarischen Motto „Wer zahlt, schafft oh‘!“. Dies sei zwischenzeitlich aber längst nicht mehr so, Dank der gemeingefährlichen Zinspolitik des ehemaligen Goldmann Sachs Managers an der Spitze der Europäischen Zentralbank gebe es genügend unproduktives Kapital, das händeringend investiert sein wolle; Knete sei längst nicht mehr das Thema für Start-Ups, sondern Assets, die strategische Investoren mitbrächten. Aber statt ein Gespräch auf Augenhöhe zu suchen spielten die strategischen Investoren meist die Oberlehrer, die die Gründer wie Schuljungen behandelten. Da seien die PEs schon ehrlicher und einfacher: das seien ganz einfach fast durch die Bank weg geldgierige, mit allen Wassern gewaschene Charakterschweine am Rande der Legalität, die außer Profit nichts, aber rein gar nichts interessiere: da wisse man wenigstens, woran man sei und worauf man sich einließe. Harter Tobac, aber weise gesprochen. Ungleich härterer Tobac war das Buffet hernach, das auf den Tischtennisplatten im Gemeinschaftsraum des gastgebenden Start-Ups aufgebaut war: vegane Designer-Food-Häppchen, dazu ökologisches Lammbräu (das nach einhelliger Meinung in meinem Bier-trinkenden Bekanntenkreis schon nach dem Aufmachen lack schmeckt), Bio-Weine und Bio-Limonade. Caro und ich verabschiedeten uns dann aus gegebenem Anlass recht schnell und versackten wie so oft bei Clubsandwiches und trockenen Martinis in der Marlene-Bar des Intercontis am Tiergarten. Die Nacht war kurz, sehr kurz, zum Frühstücken im Hotel blieb kaum Zeit, wenn man am Gate 10 in Tegel abfliegt, hat man rein Entfernungs-technisch auch nicht wirklich Gelegenheit, noch auf einen Happen in die Lufthansa-Lounge zu gehen, über das Frühstück-genannte Verbrechen, das die Lufthansa in der Business-Class zu servieren versucht, sei lieber der Mantel des Schweigens gedeckt, und so kam es denn, dass ich gegen 11:00 recht hungrig in München landete, zu früh für ein opulentes Mittagsmal, zu spät für ein schönes Frühstück, zu hungrig für eine schnelle Semmel auf die Hand. So trieb mich diese unglücksselige Koinzidenz der Ereignisse mal wieder in die Arme des kulinarisch Bösen.

Dabei sah er richtig lecker aus, der „Big Tasty Bacon“, auf den beleuchteten Werbetafeln der McDonalds geheißenen Klopsbraterei mit standardisiertem, vorgefertigtem Angebot und Selbstbedienung, zwischen Ausgang des Terminals 2 und Zugang zu den Parkhäusern geradezu ideal gelegen. Caro wollte sich wieder einmal totlachen; sie saß bei ihrer Cola light und schaute mir genüsslich zu, wie ich meine selbst bediente Beute aus dem Pappkarton holte und zum Behufe des Nachsalzens aufklappte. To make a nasty story short: Auf der Werbetafel wurde der „Big Tasty Bacon“ wie folgt abgebildet:

20160927_mcdonalds_muenchner_flughafen_1

In der Pappschachtel, die man mir am Self Service Counter verkauft hatte, befand sich – aufgeklappt – jedoch Folgendes:

20160927_mcdonalds_muenchner_flughafen_2

Und der einfache Cheesburger, der ich mir instinktiv als Backup mitgenommen hatte, sah so aus:

20160927_mcdonalds_muenchner_flughafen_3

Ich habe keines der beiden Dingsdase auch nur angebissen, sondern angewidert und unberührt einfach stehen gelassen, das war meine Art der Rache, ich habe nicht auch noch den Müll entsorgt, das sollen die von McDonalds schon selber machen. Caro hat mich die ganze Rückfahrt ausgelacht und geneckt. Grund genug hatte sie …

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