Früher, da waren wir eigentlich immer, wenn wir in Passau waren, im Hotel Schloss Ort. Schloss Ort, das hört sich erst einmal ziemlich fancy an, tatsächlich aber ist dieses Schloss Ort eine alte bischöfliche Trutzburg aus dem 12. Jahrhundert, strategisch wichtig unmittelbar am Zusammenfluss von Inn und Donau gelegen, das tatsächlich letzte Gebäude der Halbinsel der Passauer Altstadt, bis zum Bau der Veste Niederhaus Schutz der Veste Oberhaus gegen Angriffe aus dem Osten, danach Jahrhunderte lang Sitz des Bannrichters und Gefängnis zugleich, bis der Komplex 1873 in ein Gasthaus umgewandelt wurde, was er bis heute – mehr oder weniger – geblieben ist. Allein die Zufahrt zum Schloss Ort ist anspruchsvoll, nochmals anspruchsvoller, seitdem die Schanzlbrücke nur noch als Einbahnstraße stadtauswärts zur Verfügung steht. Jedes Navigationssystem spielt verrückt, wenn man als Ziel „Passau, Ort 11“ eingibt. Man muss durch enge Straßen, vorbei an Flusskreuzfahrtschiffen und einem Spalier von Touristennepphotels mit Flussblick, die engen Straßen werden zu Sträßchen, schließlich zu Gassen, dann zu Gässchen, Fußgängerzonen-, Einfahrt-Verboten- und Sackgassen-Schilder verunsichern den Fahrer, das Navigationssystem redet nur noch wirres Zeugs und will einen direkt über die Kaimauer in die Donau geleiten (können Navigationssysteme Selbstmordversuche unternehmen?), die Gässchen werden zu engen Gässchen, dann zu ganz engen Gässchen, dazu noch häufig zugeparkt, manche Straßenecke ist nur noch mit vor und zurück Rangieren zu nehmen, … und schließlich steht man vor dem recht unscheinbaren Eingang zum Schlosshotel Ort, mehr ein Hauseingang denn eine Hotelpforte, die Ecke zur nochmals schmaleren Zufahrt, eher schon ein Hohlweg zum Hotelparkplatz ist mit einem Boliden nicht zu nehmen, also Wenden auf dem winzigen Hotelvorplatz mit einem Dutzend Mal vor- und Zurückfahren, das alte Tor zum Hotelparkplatz schließlich so schmal, dass man bei einem Zweieinhalbtonner die Seitenspiegel einklappen muss, dort nochmals mit zahllosen Vor- und Zurückfahrten auf engstem Raum wenden, um später zumindest vorwärts herausfahren zu können und diesen engen Hohlweg nicht auch noch rückwärts nehmen zu müssen. Schweißgebadet steht man schließlich an der Rezeption des Hotels, mehr ein Hausflur denn eine Hotelhalle, kleiner Counter, dahinter ein Bildschirm mit einer Diashow vom Hotel und vom Jahrhunderthochwasser 2013 in Passau, das dem Gebäude arg zugesetzt hatte, zwei Klotüren, eine Treppe, ein Lift, hinten der Durchgang zum verwaisten Restaurant und der sehr hübschen, verwaisten Terrasse unmittelbar am Inn, der junge Mann hinter den Counter ist freundlich, aber mit ziemlicher Sicherheit eher jobbender Student denn ausgebildete Hotelfachkraft. „Nur noch Junior-Suiten verfügbar“ hatte mich das Computersystem beim Buchen belehrt, nun gut, hatte ich halt eine Junior-Suite für knapp 200 EURO die Nacht gebucht, inklusive Frühstück, Parkplatz 16 EURO extra. Ein Vorraum mit Kleiderschrank, Kunstleder-Sofa, Couchtisch, Schreibtisch, Minibar, ein Schlafzimmer mit 180er Bett, kleinem Flachbildfernseher und einem Baumarkt-Druck von Norma Jean, ein zugegebener Maßen großes Badezimmer mit Tageslicht, an Wand und Boden teilweise aufgeklebten Jura-Marmor-Fliesen (samt irritierender Mini-Stufe, wo der Marmor wieder in Holzfußboden übergeht), kleine Badewanne, große Dusche, zwei Waschbecken, zwei Stückchen Lux-Seife, zwei Fläschchen Waschlotion, kleine, zerschlissene, harte Frottee-Handtücher, schließlich ein separates Klo neben dem Eingang in Schrank-Größe, ein Mensch mit langen Beinen hat Schwierigkeiten, die Türe zu schließen, keine Abluft, kein Fenster, kein Waschbecken, das alles noch nicht einmal mit Fluss-Blick (schließlich gibt’s drei davon in Passau), sondern Aussicht auf Dächer und Hinterhöfe: Junior-Suite stelle ich mir irgendwie anders vor. Der Service dazu ist grottig: ein beschmutztes Laken wird nicht ausgewechselt, sondern die Bettdecke darüber gelegt, hinter den Möbeln tummeln sich Wollmäuse, das Frühstücksbuffet um 09:00 Uhr leergefressen und zerbombt und nicht mehr aufgefüllt, Billig-Wurst, -Käse, -Lachs, bräunlicher Obstsalat, dünner Kaffee in Thermoskannen, verlassene Tische nicht abgeräumt und sauber gemacht, zwei oder drei junge Männer in Jeans, die ziemlich unkoordiniert und hilflos hin und her rennen, zuweilen Kaffee und Eier bringen, lachende und offensichtlich zankende Frauenstimmen in einer slawischen Sprache aus der Küche, …
Früher, von 2011 bis zum Hochwasser 2013 betrieb hier Klaus Eglseder (bekannt vom Bayerischen Hof in Bad Füssing) die Gastronomie mit einer wirklich beachtenswerten Küche. In den alten Gewölben und auf besagter Inn-Terrasse kämpfte er wacker und nicht erfolglos gegen Sahnetorten-geile Flusskreuzfahrer, Schnitzel-süchtige Pauschaltouristen und Burger-fordernde Imperiale Besatzungs-Rüpel, es herrschte ganztätiges Leben im Hotel, tadelloses Frühstück, Nachmittagstee am Fluss, Drinks vor dem Kamin, exzellentes Dinner im Restaurant, Absacker wieder am Fluss, geschultes, flottes, entsprechend gekleidetes Personal, tadellose Zimmer, … Diese schöne Zeit hatte ein Ende mit dem Jahrhunderthochwasser von 2013, das die unteren Stockwerke gänzlich zerstörte. Klaus Eglseder zog mit seiner Lebensgefährtin Andrea Ortner in das – höher gelegene und Hochwasser-sichere – Schloss Neuburg am Inn, wo er recht erfolgreich die Hoftaferne (tatsächlich mit „f“, „f“ wie Tafernwirtschaft, nicht „v“ wie Taverne) betreibt. Das Hotel Schloss Ort ist heute zwar wieder hergerichtet, aber für mich ist es jetzt nicht mehr als eine seelenlose Frühstückspension mit miesem Service und völlig überteuerten, unangemessenen Preisen in privilegierter Lage.
Für aktuelle Hoteltipps in Passau bin ich aus gegebenem Anlass dankbar (und ich mag nicht in den Weißen Hasen, Spitzberg, Atrium, König, Wolf, Residenz, Dormero, Altstadthotel).
Hotel Schloss Ort
Alfred Degenhart
Ort 11
D-94032 Passau
Tel.: +49 (8 51) 3 40 72
Fax: +49 (8 51) 3 18 17
E-Mail: info@schlosshotel-passau.de
Internet: www.hotel-schloss-ort.de
Doppelzimmer mit Frühstück (pro Zimmer, pro Nacht) 140 € bis 210 €