Heidelbeerpfannkuchen

Es gib Gerichte, die finden sich kaum in Kochbüchern, schon gar nicht in hochglanz-gedruckten Nobel-Kochbüchern überbewerteter, hochglanz-polierter Kochclowns, und sowieso nicht auf den Speisekarten, die diese überbewerteten, hochglanz-polierten Kochclowns tagtäglich von ihren namenlosen Kochknechten abkochen lassen. Aber diese Gerichte finden sich auch nicht beim seit Jahrhunderten wie seine Vorväter kochenden Dorfwirt in Hintertupfing, nicht bei den Öko-bio-in-Schuppen in den Szenevierteln der Großstädte, noch nicht einmal Urgroßtante Hilde serviert diese Gerichte, wenn sie mal wieder die ganze Großfamilie nach Altväter-Sitte bekocht.

Solch ein Gericht sind zum Beispiel … Heidelbeerpfannkuchen bzw. Blaubeerpfannkuchen. Ihre Zubereitung ist geradezu stumpfsinnig einfach: dicken Pfannkuchenteig aus Eiern, Milch, Salz, Zucker, Nussbutter, Mehl gerührt, quellen lassen, etwas stark Kohlensäure-haltiges Mineralwasser dazu, beschichtete Pfanne mittel-heiß werden lassen, mit Öl einpinseln, Kelle Pfannkuchenteig hineingeben, Unterseite leicht stocken lassen, geputzte, gewaschene, abgetropfte Waldheidelbeeren auf die noch gut flüssige Oberseite geben, wenn die Masse stockt die Oberfläche leicht buttern, Pfannkuchen wenden, fertig backen, mit der Beeren-Seite nach oben auf Teller gleiten lassen, mehr oder minder dick zuckern, genießen. Keine Verfeinerung mit Vanille, kein Macis, kein Alkohol, kein Eischnee, kein Weiß-der-Geier-was, die Nussbutter im Pfannkuchenteig ist schon Zugeständnis genug an die Hochküche, ansonsten ist dieses Gericht ein dicker Pfannekuchen mit Beeren … fast zumindest.

Die Einfachheit dieses Gerichts erlaubt keine Fehler und honoriert jede Kleinigkeit. Milch, Eier, Süßrahmbutter in Bio-Qualität sowieso. Und natürlich die Heidelbeeren. Frische Waldheidelbeeren. Unnatürlich große Zuchtheidelbeeren mit ihrem weißen Fleisch sind direkt der Hölle entsprungen und haben nichts mit echten Heidelbeeren zu tun. Nochmals: Zuchtheidelbeeren sind des Teufels, und wer sie kauft und isst, ist ein Teufelsanbeter. Deutlich genug? Vorwiegend aus Nordamerika gibt es verdächtig wohlfeile, tiefgekühlte oder eingeweckte blaue Beeren, die irgendwie aussehen wie Waldheidelbeeren. Geschmacklich haben die wenig mit echten Waldheidelbeeren zu tun, und wenn man sie auf Pfannkuchen gibt, so hat man spätestens nach dem Wenden tiefdunkelblauen Matsch in der Pfanne. Funktioniert nicht. Heidelbeerpfannkuchen gehen nur mit frischen Waldheidelbeeren. Das Dumme ist nur, dass Waldheidelbeeren so gut wie nicht zu bekommen sind, schon gar nicht im Supermarkt. Wenn man nicht das Glück hat, ein Kräuterweiblein zu kennen, das noch selber Beeren im Wald sammelt (und diese dann auch noch verkauft) oder einen Stadtmarkt oder sehr gut sortierten Gemüsehändler mit allerlei Spezereien vor der Tür zu haben, dann gibt es nur eine Lösung: man geht – wie wir früher – von Juli bis September mit dem Eimerchen in den Wald, sucht sich Heidelbeersträucher und pflückt tief gebückt Beere um Beere. Das ist ob der winzigen Größe der Früchte langwierig, anstrengend und geht gehörig in’s Kreuz. Außerdem kann durchaus schon mal die eine oder andere übellaunige Kreuzotter im Heidelbeerkraut lauern. Und dann gibt es noch die Gefahr, dass Eier des Fuchsbandwurms an den Beeren kleben; um vor diesem Unbill sicher zu sein ist ein starkes Erhitzen der Heidelbeeren unabdingbar, was aber bei Braten sowieso gegeben ist. Wer einmal in seinem Leben auch nur ein Eimerchen Waldheidelbeeren selber gesammelt hat, der versteht, warum das Kilo auf dem Markt gerne mal 40 oder 50 EURO kostet, selbst wenn sie aus Tschechien oder Polen kommen, sowieso die aus dem Bayrischen Wald, denn Waldheidelbeeren sammeln ist echte Knochenarbeit.

Wenn man also echte Waldheidelbeeren ergattert hat, dann sollte man 100 bis 150 g pro Pfannkuchen rechnen. Schnitzel wären da deutlich billiger, aber sei’s drum, die Heidelbeerpfannkuchen sind es wert.

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Zutaten (für 4 Pfannkuchen):

  • 500 g Waldheidelbeeren
  • 100 g Butter
  • 3 Eier
  • 200 ml Vollmilch
  • 1 Prise Salz
  • 75 g Zucker
  • Ca. 100 ml Mineralwasser mit viel Kohlensäure*
  • Neutrales Pflanzenöl zum Braten

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Zubereitung:

  • 50 g Butter in einer Pfanne schmelzen und braun (braun, nicht schwarz!) werden lassen (sog. Nussbutter); etwas erkalten lassen
  • Aus 3 Eiern, 200 ml Milch, der Nussbutter, 1 Prise Salz und 75 g Zucker einen recht dicken Pfannkuchenteig rühren und wenigstens 20 bis 30 Minuten quellen lassen; nach dem Quellen ist der Teig dann richtig dick, aber das ist OK so, später kommt ja noch das Mineralwasser dazu
  • Waldheidelbeeren in eine Schüssel mit kaltem Wasser waschen; evtl. Stängel, Blätter, schlechte Beeren von Hand aussortieren (kann eine Scheiß-Arbeit sein)
  • Heidelbeeren nicht abgießen, sondern vorsichtig mit den Händen aus dem Waschwasser heben (so bleibt der Dreck auf dem Boden der Waschschüssel auf dem Boden der Waschschüssel und wird nicht erneut über die Beeren gekippt), in ein Sieb geben, nochmals abbrausen, dann gut abtropfen lassen
  • Stark Kohlensäure-haltiges Mineralwasser in mehreren Portionen unter den Teig rühren, bis er dickflüssig ist*
  • Beschichtete Pfanne gut erhitzen (8 von 9), mit einem Pinsel dünn mit neutralem Pflanzenöl einstreichen, wenn das Fett heiß ist, eine Kelle Pfannkuchenteig in die Pfanne geben, Pfanne einmal aus dem Handgelenk drehen, so dass der Teig auf dem kompletten Pfannenboden verteilt ist; insgesamt sollte der Teig gut 5 mm hoch sein
  • Nun +/- 100g gut abgetropfte Heidelbeeren auf den Teig geben, und das wird etwas schwierig: wenn man die Heidelbeeren zu früh auf den Pfannkuchenteig gibt, bevor er an der Unterseite gestockt ist, rutschen die Beeren durch den Teig und kleben an der Pfanne; wenn man die Heidelbeeren aber zu spät auf den Teig gibt, wenn er bereits gänzlich gestockt ist, können die Beeren nicht mehr in den Teig einsinken und eingebacken werden, sondern sie kullern als Fremdkörper lustig durch die Pfanne. „Richtig“ ist genau dazwischen, unten leicht gestockt, oben noch flüssig.
  • Wenn der Pfannkuchen unten gebräunt und oben gestockt ist, eine gute Messerspitze Butter auf der Oberfläche verteilen, Pfannkuchen vorsichtig, aber zügig wenden, fertig backen lassen
  • Pfannkuchen mit der Beerenseite nach oben auf einen Teller gleiten lassen, dick mit Zucker bestreuen, servieren
  • Vor dem Backen des nächsten Pfannkuchens muss man wahrscheinlich die Pfanne mit einem Papierküchentuch sehr gut auswischen
  • Man kann auch alle Pfannkuchen hintereinander weg backen, im Backofen warm halten und dann alle auf einmal servieren, aber frisch aus der Pfanne schmecken sie einfach besser, auch wenn einer die Arschkarte zeihen muss und allein backend in der Küche steht, dieweil die anderen schon schmausen
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Nicht wirklich ansehnlich … aber leeeeecker!

* Die exakte Flüssigkeitsmenge hängt immer von der verwendeten Mehlsorte ab. Wichtig ist, dass am Ende ein dickflüssiger Teig herauskommt. Der Teig sollte von einer Konsistenz sein, dass er einerseits nicht sofort völlig zerläuft, wenn man eine Kelle davon in die heiße, geölte Pfanne gibt; andererseits sollte einmal Schwenken der Pfanne aus dem Handgelenk in alle Richtungen ausreichen, damit er sich über den gesamten Pfannenboden verteilt. Blöde Umschreibung, aber besser kriege ich „dickflüssiger Teig“ nicht umschrieben, das ist letztlich eine Erfahrungssache …

 

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