Heaven’s Nest hoch über Hamburg: sehr schön

Summa summarum: moderne, sehr nette, ungezwungene Roof Top Bar mitten in Hamburg mit durchweg extrem freundlichem, gutem Personal, guten Drinks, gehobenen, aber der Location entsprechenden Preisen und einer unschlagbaren Aussicht über den Hafen und die Stadt

Von weitem sieht es etwas aus wie Hundertwasser in ganz groß oder wie ein Gehry-Zitat/-Imitat/-Plagiat, von mir aus auch wie eine Hommage: zwei Hochaustürme, die oben etwas schief gebaut sind. „Wie Mann und Frau, die sich zum Tango bewegen. Vielleicht auch die X-Beine einer Prostituierten, die auf dem Kiez nach Freiern Ausschau hält.“ umschrieb der Stararchitekt Hadi Teherani seine schräge Idee. Diese „Tanzenden Türme“ stehen seit 2013 in Hamburg, direkt am Eingang zur Reeperbahn, hoch über dem Hamburger Hafen, genau an der Stelle, wo früher der berühmt-berücksichtigte Mojo Club stand. Im Südturm befindet sich 107 Meter über der Elbe Hamburgs höchste Roof Top Bar, das Heaven’s Nest, das zum darunter liegenden Restaurant und Tagungszentrum clouds gehört. Zuerst einmal ist das Himmelsnest die Dachterrasse eines Hochhauses („Wolkenkratzer“ würde ich ein vierundzwanzigstöckiges Hochhaus ja nun nicht gerade nennen, auch wenn die Wolken in Hamburg oft sehr tief hängen) mit viel schmucklosem Stahl und Beton, ringsum meterhoch verglast. Das hat zwar ein wenig was von einem Aquarium, aber die Aussicht über Stadt und vor allem Hafen ist phänomenal. Mit grauen lümmeligen Sitzmöbeln und weißen Holztischen kommt eine Mischung aus Sylt- und Lounge-Feeling auf. Bei garantiertem Mindestumsatz hat man auch noch Zugang zu großen, separaten Tagesliegen („Daybeds“ geheißen) und einem VIP-Bereich.

Erstmal nur eine nette Dachbar mit sehr hübscher Aussicht. Die Cocktailkarte bietet allerlei modischen Schnickschnack, ich weiß nicht, auf wieviel Cocktailkarten ich Douglas Ankrahs unsäglichen Porn Star Martini in den letzten Jahren gesehen habe: das können die Leute doch nur wegen des Namens trinken. Dabei ist die Bar ziemlich gut ausgestattet, die Barkeeper haben ihr Handwerk gelernt und mixen auf Nachfrage auch jeden Cocktail außerhalb der Standardkarte ziemlich bis sehr gut. 15 bis 20 EURO pro Cocktail ist nicht gerade billig, aber man bezahlt ja die Location und den Ausblick mit. Dazu gibt es eine lecker klingende, kleine Speisekarte mit Bar-Food. Die Getränkekarte ist sehr Champagner-lastig, den Wohlfeilsten gibt es bereits unter 100 EURO und steigert sich bis auf 390 EURO, echte Schicki-Micki-Angeber können bei den Preisen nicht wirklich die Sau rauslassen. Das billigste Glas Champagner gibt’s für 15 EURO, ein kleines Bier (aus der Flasche) kostet 5 EURO, Soft-Drinks ab 4,50 EURO. Die Weinkarte kann man vernachlässigen. Sehr löblich ist es, dass es – neben dem sinnlos über die Alpen gekarrten, schicken San Pellegrino vom Food-Multi Nestlé – auch heimisches Hamburger Mineralwasser gibt. Getrübt wird diese Freude dann wieder dadurch, dass auch Goldstaub-Schnickschnack bei Cocktails verwendet wird. Sei’s drum, ich finde, das Alles ist nicht gerade billig, aber für die Location, Service, den Ausblick und das Publikum durchaus angemessen, ich hätte mehr erwartet.

Was mich – neben dem Ausblick – am meisten begeistert hat in Heaven’s Nest ist das Personal. Ich schlurfte am späten Nachmittag / frühen Abend in Sneakern, Jeans, Polo (ohne Krokodil oder Golfspieler drauf) in „Räuberzivil“ ohne jedes Statussymbol am Körper in die Bar, keine Spur von Türstehern und Gesichtskontrolle, jede Servicekraft grüßte lachend-freundlich, der Barkeeper hörte aufmerksam und höflich zu, als ich meinen Martini Cocktail mit ihm verhandelte und setzte das dann professionell und perfekt um (ohne blöden Spruch wie „Ich kenne meinen Job!“), der Service stets aufmerksam, sofort zur Stelle, wenn ein Glas leer war, flink, immer freundlich und fröhlich und lächelnd. Dabei hatte ich nicht den Eindruck, dass dies alles aufgesetzt und gespielt war, das war ehrlich. Später kam Caro von einem Geschäftstermin dazu (Welche Leute mögen wohl am Samstagnachmittag einen Anwalt konsultieren? Sie hat’s mir – wie üblich – nicht gesagt, oder hat sie etwa einen heimlichen Liebhaber?), in voller Kampfmontur mit kleinem Schwarzen, großem Hut, edler Tasche und Schuhe von Weiß-der-Geier-wem, Goldschmuck und Ihrer vermaledeiten, goldenen, für ihr zartes Handgelenk viel zu großen Lange #1 (ein wenig neidisch bin ich schon darauf). Das Verhalten der Servicekräfte veränderte sich angesichts dieser laufenden Status-Symbol-Anhäufung nicht um ein Jota. Warum auch? Noch freundlicher und besser ginge kaum. Ich Schlunz und Caro Großkotz wurden vollkommen gleich – perfekt – behandelt. Auch das sonstige Publikum war ausgesprochen gemischt: drei aufgedonnerte Mädels beim Prosecco, ein prolliger Bodybuilder in Jogginghose und Muscle-Shirt mit tätowierter Begleiterin mit unnatürlich aufgespritzten Lippen, eine junge Studentin, die ihren provinziellen Eltern wohl Hamburg zeigte, zwei sehr hanseatisch aussehende ältere Herrn im Gespräch bei etlichen Flaschen Wein, solche Leute halt. Des Nachts, wenn der eigentliche Clubbetrieb mit DJ oder Livemusik und Party läuft, gibt es offiziell den Dresscode Casual Elegant, da mag das alles anders sein, am späten Nachmittag / frühen Abend ist Heaven’s Nest ein herrlich entspannter, schöner Platz für einen oder zwei Feierabend-Drinks mit tollem Service und Ausblick.


clouds – Heaven’s Bar & Kitchen
Reeperbahn 1
D – 20359 Hamburg
Tel.: +49 (40) 30 99 32 80
Email: restaurant@clouds-hamburg.de
Online: https://www.clouds-hamburg.de/rooftop

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