Greifenpost Feuchtwangen: uriges Hotel, schlechtes Essen, schlechter Service

Summa summarum: heruntergekommenes, unspektakuläres Städtchen mit wunderschönem, altem Hotel mit Patina und morbidem Charme, gepflegten Zimmern, hübschem, kleinem SPA, patziger Bedienung, ordentlichem Frühstück und durchweg miserabler Küche.

Gerade hatte ich angefangen, diesen Landen  zu mögen, vielleicht sogar zu lieben, irgendwann später mal zumindest, obwohl  Feuchtwangen selber so ziemlich für’n Arsch ist, trotz monumentaler Spielbank direkt an der Autobahn, und obwohl so ziemlich halbe Strecke zwischen München und Frankfurt, falls man mal später unterwegs ist und nicht noch die ganze Strecke machen will, oder sofern man einfach das Privileg hat, mit Muße ohne Zeitdruck über  Land fahren zu können. Nun gut, Feuchtwangen ist beileibe nicht so unzerbombt-Feuerzangenbowlen-heimlig wie Ansbach, Rothenburg oder Dinkelsbühl, es gibt zwar viel Kopfsteinpflaster, ein paar enge, verwinkelte Gassen, etliche alte, nicht uralte, aber immerhin alte Gebäude, aber eine prächtige Kaiserpfalz, ein prunkvoller Dom, eine durchgängig erhaltene Stadtmauer, ein schmuckes Barockschloss oder eine massive Festung fehlen definitiv, ein reichlich verbautes Stadttor gibt es und einen romanischen Kreuzgang, unspektakulär, aber romanisch, ansonsten massenweise Renovierungsstau, Leerstand, zum Teil bereits Verfall, fünf innerstädtische Spielhöllen,  wäre ich auf hübsche Ausflugsfahrten spezialisierter Busunternehmer für Amis oder Rentner, ich würde Feuchtwangen nicht ansteuern. Braucht’s mehr örtliche Beschreibung? Ach ja, wir haben Wahlkampf in Bayern. Während in den bayrischen Groß- und größeren Städten vor allem die Plakate der AfD, teilweise aber auch die der CSU von demokratie-fernen (verdammte Rosa Luxemburg, höre ich da etliche sagen, hätte sie nicht ihren Mund halte können) bunten, autonomen, grünen, linken, gutmenschelnden, alternativen, schlichtweg dummen  und sonstigen Neu-Faschisten verschmiert oder heruntergerissen werden, hängen sie hier in Feuchtwangen noch allesamt wie eine Eins. Wie war das doch gleich mit Skylla und Charybdis?

Greifenpost Feuchtwangen

Aber dafür kann ja letztendlich die Greifenpost nichts, uraltes Hotel direkt am Feuchtwangener Marktplatz, 120 Postkutschenpferde, Zarinnen, Fürsten und Diven sollen hier schon Unterschlupf gefunden haben, geschenkt, die Historie des Hauses liest sich wie ein Auszug aus der Geschichte Mitteleuropas in markanten Schlaglichtern. Direkt vor dem Gebäude finde ich auf dem nicht grade überlaufenen Marktplatz einen freien Parkplatz, ich einige mich mit der unermüdlich umherstreifenden Kleinstadt-Politesse darauf, einmal sechs EURO zu zahlen und für die nächsten zwölf Stunden unbehelligt parken zu dürfen, wir scherzen sogar noch miteinander (!) (wann haben Sie das letzte Mal mit einer Politesse gescherzt?), betrete die Greifenpost, uraltes Gemäuer mit Steinfußboden und knarzenden Dielen, dunklen Holzvertäfelungen, dunklen Kastendecken, schweren handgeschnitzten Türen, einem alten, knarzenden Lift, zwei großen, träge, aber freundlich mitten im Weg liegenden Berner Sennhunden, einem sowas von überflüssigem Dry-Aged-Kühlschrank mit Glastüre, vollgepackt mit verschimmelnden, vergammelnden Riesen-Fetzen Fleisch, einem kleinen Rezeptions-Counter vor der halb-offenen Küche neben dem Eingang zum Restaurant, das alles wirkt heimelig-authentisch und ist es auch, der PC und der Dry-Aged-Schrank sind die einzigen erkenntlich modernen Elemente hier, der ganze Rest könnte auch von anno dunnemals stammen. Check-in freundlich, schnell, professionell, das Zimmer für ich glaube 100 EURO fast schon eine Suite mit getrenntem Wohn- und Schlafraum, Dusch-Bad, separatem WC, alten, gepflegten, wertigen Massivholz-Möbeln, guter Matratze, ordentlichen Handtüchern und Bettzeug, ordentliches W-LAN, Ausblick auf einen verlotterten Hinterhof mit bröckelndem Putz und Spießer-Wohnzimmern, aber ruhig, winziger Schreibtisch, keine freien Steckdosen (das alte Problem), den XL-Hotel-Bademantel bringe ich über meiner Wampe noch nicht einmal annäherungsweise zusammen, kein Tresor, aber Minibar und kostenlose Flasche Mineralwasser vom Haus, außerdem gibt es auf jedem Stockwerk noch eine Art kollektiver Minibar mit Wasser, Bier, Wein, Saft, wohl für die einfacheren Zimmer ohne eigne Minibar, jeweils versteckt in einem unverschlossenen alten Schrank auf dem Gang, mit einer Liste  samt Stift, wo jeder Gast vertrauensvoll und unkontrolliert aufschreiben soll, was er entnommen hat: liebenswert. Erwähnenswert sicherlich das SPA im Keller des Nachbarhauses (durch einen Gang verbunden), nur über Treppen erreichbar, absolut Behinderten-ungerecht, sehr schön gemacht, kleiner Pool zwischen alten Säulen,  4 Saunen, jede Menge Beauty- und Wellness-Treatments, nicht gigantisch, aber heimelig, hier kann man’s aushalten.

Greifenpost Feuchtwangen

Soweit zu den positiven Seiten der Greifenpost. Aber es gibt auch andere. Freisitz gibt’s nur im Hochsommer, da werden ein paar öffentlich Parkplätze vor dem Haus – wo ich gerade mit meinem Wagen stehe – von der Stadt gepachtet – „für ein Heidengeld“, wie man mir mitleidsheischend mitteilt – und bestuhlt; in einem Goldenen Oktober mit 24 Grad in der Abendsonne scheint sich das nicht mehr zu rechnen, wie gesagt, mein Wagen ist vor dem Haus, nicht ich. Es ist also 17:00 Uhr, für 18:00 Uhr habe ich einen Tisch im Restaurant serviert, ich bin viermal durch das Städtchen gelaufen, linksrum, rechtsrum und gerade durch hin und zurück, war in dem netten SPA, habe mich 45 Minuten in Pool und Sauna gelümmelt, ausführlich geduscht, an dem winzigen Schreibtisch auf dem Zimmer meine Post erledigt, und nun ist mir nach Ruhe, Gemütlichkeit, einem Bier und vielleicht danach, in aller Ruhe eine sehr positive Rezension über die Greifenpost in Feuchtwangen zu schreiben. Ich begebe mich also in’s sehr schöne, alte, helle Restaurant mit Blick auf dem Marktplatz, alle Tische sind bereits für den Abend eingedeckt, Namensschilder allerdings fehlen, und so warte ich: nichts passiert. Irgendwann kommt ein junger Mann mit nicht zugeknöpfter Weste, fettigen Haaren und Dutt, dem schildre ich mein Begehr, dass ich für den Abend reserviert hätte und mich bereits jetzt nach einem Bier und etwas Muße verlange. „Hier noch nicht, da müssen’se rüber in den Raum gehen.“ „Rüber in den Raum“ ist ein dunkles Loch auf der anderen Seite der Eingangshalle mit Butzenscheiben zur Brandmauer. Warum ich denn im Restaurant kein Bier bekommen könne, zumal der Schanktresen doch quasi direkt neben meinem Tisch sei, und alle Vorbereitungen für den Abend ja offensichtlich auch bereits getroffen seien, ich also niemanden stören würde und sogar noch die Logistikkette verkürzen, will ich wissen. „Bis 18:00 Uhr nur drüben.“ sagt der Fetthaarige kategorisch. Ziemlich angesäuert gehe ich die 150 Meter die Straße zur örtlichen Eisdiele herunter, ergattere sogar noch die letzten Sonnenstrahlen samt irgendeinen kostenlosen Internet-Access und trinke zwei erstaunlich ordentliche Chardonnay für 3,50 EURO das Glas.

Greifenpost Feuchtwangen

Greifenpost Feuchtwangen

Um 18:15 Uhr bin ich zurück in der Greifenpost, nichts hat sich verändert, aber jetzt darf ich an meinen reservierten Tisch im Restaurant, ich bin heute offensichtlich der erste Gast. Ein heimisches Pils vom Fass verlange ich eingangs, aber nicht den Nachtwächter, ergänze ich, „Wir sind keine Laien!“, schnauzt der Fetthaarige zurück … und serviert mir natürlich den Nachtwächter, das Bier, das seit dem Vorabend schal in der Leitung steht. Ich lasse es zurückgehen. Der Fetthaarige blickt grimmig. Die Speisekarte ist überschaubar, aber durchaus verheißend. Machen wir’s kurz: auf die Frage, was „Zweierlei vom Reh“ auf der Karte sei, antwortet der Fetthaarige nur, er wisse  es nicht und fragt statt dessen den Koch, der sich gerade an der Theke zu schaffen macht; so genau wisse er es auch nicht, sagt der „Koch“, aber eigentlich sei es Schulter und  Rücken; dass er nicht sagt, er müsse nochmals auf der Convenience-Packung nachlasen, ist eigentlich alles. Der vorab aufgetischte Kräuter-Mager-Quark mit Aufback-Baguette ist aber sowas 08/15, der folgende Avocado-Matsch mit Süßkartoffel-Chips als Gruß der Küche ähnelt mehr einer Drohung aus der Küche, die Rehterrine mit tot gebratenem Rehfilet als Einlage ist halbwegs ok, statt Chutney knackiger Ofenkürbis als Beilage ganz nett, die Rindssuppe mit Grießnockerln ist sowas von dünn-belanglos,  die Bäckchen-Sülze mit Gemüse ist allenfalls akzeptabel, auf das Reh das unbekannte Wesen hatte ich verzichtet, aber auch der Sauerbraten ist schlimm, richtig schlimm, matschiges, geschmackfreies Fleisch, dünnes hellbraun-wässriges Tüten-Sößchen, geschmackfreie, eklige, hausgemachte, Spätzle-genannte Mehlteigklumpen, in der Mikro erwärmter Wirsing und sinn- und geschmackfreie Pflaumenhälften aus dem Glas. Auf Nachtisch habe dann aus gegebenem Anlass verzichtet. Selten so schlecht gegessen. Das Frühstück allerdings war dann ganz ok, frisches Obst, ziemlich gute Wurst und Schinken, Bäckersemmeln, aber dünner Kaffee, alles in allem aber doch ziemlich gut.

Greifenpost Feuchtwangen

Romantik-Hotel Greifen-Post
Familie Becker-Plaha
Marktplatz 8
91555 Feuchtwangen
Tel.: 49 (98 529) 68 00
Fax: +49 (98 52) 6 80 68
Email: info@hotel-greifen.de
Online: https://hotel-greifen.de

Hauptgerichte von 10,50 € (Currywurst mit Pommes) bis 26,80 € (Entenbrust mit Semmelkrapfen). Drei-Gänge-Menue von 24,50 € bis 47,30 €

Doppelzimmer mit Frühstück (pro Zimmer, pro Nacht) 119 € bis 129 €

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