Gasthof und Metzgerei Diem in Krumbach

Beschaulich ist es hier, heimelig, fast schon schön. Die Kammel mäandert unbegradigt und ungestaut durch ihr Tal mit Wiesen, Feldern und Hainen gen Norden, bis sie das kleine Städtchen Krumbach in Schwaben erreicht, die Altstadt zieht sich auf einem kleinen Hügel vom Bächlein hinauf, oben dann Marktplatz, Fachwerk-Rathaus, Kirche, alte Häuser, enge Gässchen, kleine Sträßchen, noch viele Einzelhandelsgeschäfte, erfreulich wenig Leerstand, gepflegte Bausubstanz, gemächliches, gleichwohl lebendiges kleinstädtisches Treiben. Hier mag man nachvollziehen, was Otto Dix nach seinem Zwangsumzug an den Bodensee meinte, als er schrieb: „“Ein schönes Paradies. Zum Kotzen schön. Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh.“ Inmitten dieses schönen Paradieses die beiden Altstadtgasthäuser, auf der einen Seite des Rathausplatzes das Hotel-Gasthof Traubenbräu, auf der anderen Seite etwas versteckt in einer Seitenstraße, seit 1876, Gasthof und Metzgerei Diem. So geht alteingesessenes Kleinstadt-Gasthaus, denken sich die hungrigen Reisenden erfreut, kein toter Neubauklotz, sondern ein harmonisch in die Altstadt gewachsenes Ensemble von Wirtshaus, Gastgarten, Metzgerei, Betten-Dependance, Terrasse, die Küchentüren weit offen, hier gibt es nichts zu verbergen, die Kellnerinnen tragen Dirndl-Verschnitt oder Leggins und schleppen große, volle Tabletts mit Speis und Trank zu den Tischen, dazwischen wuseln der Senior- und der Junior-Chef Karl und Johannis Diem herum, ersterer für die Metzgerei und das große Ganze, zweiterer,  ungleich wichtiger, für die Küche verantwortlich, gelernt hat er in der – nicht gerade für kulinarische Höhenflüge bekannte – Sonnenalp in Ofterschwang, die Gäste –auch die fremden Reisenden aus der Stadt – werden geduzt bzw. geihrzt „Was wollt’n Ihrz tringa?“ oder so ähnlich, Caro, die heute super-korrekte notarielle Spaßbremse, findet das gar nicht lustig, beton steif und formell antwortet sie „Bringen Sie mir bitte …“, und dabei betont sie das „Sie“ extra deutlich und laut, dem dörflichen Dirndl-Mädl fällt dieser diskrete Hinweis der Missbilligung gar nicht weiter auf, über so etwas steht man auf dem Dorfe bzw. der Kleinstadt, hier bedürfte es weitaus deutlicherer Zeichen des Missfallens, ein beherzter Tritt gegen das Schienbein zum Beispiel, das würde hier als Anzeichen der Unzufriedenheit ansatzweise verstanden und gewiss nicht weiter krumm genommen, aber eben verstanden, aber keine besondere Betonung,  „Und bei Euch, alles in Ordnung?“, fragt der Senior im Vorbeigehen ohne wirklich die Antwort abzuwarten, wahrscheinlich auch ohne wirklich an ihr interessiert zu sein, am Nachbartisch ist ein Schwung Einheimischer eingetroffen, die mit viel Hallo und Trara begrüßt werden, Ehepaar, drei minderjährige Orgelpfeifen (auf dem Lande ist man noch fruchtbar, die Orgelpfeifen werden deseinst unsere Renten zahlen und sich vergeblich noch ein letztes Mal der endgültigen Islamisierung des Abendlandes entgegenstemmen), dazu offensichtlich noch die Großeltern und eine nicht zuordenbare Frau mittleren Alters (die Schwester?), allen hier sei ihr Hallo und Trara von Herzen gegönnt, aber an Caro und mir nagt der blanke Hunger.

Italienische Wochen sind im Diem in Krumbach, einen Italo-Burger gibt es, Ochsenherztomaten mit Burrata, Nudeln mit Sauce, Salat mit Balsamico-Dressing, Carpaccio, das ist es, weswegen ich in’s schwäbische Krumbach fahre, aber nein, es gibt auch eine heimische Standardkarte mit Schnitzel, Kässpätzle, Zwiebelrostbraten, Brätspätzlesuppe, Kutteln. Caro kann es sich nicht verkneifen, eine Pastinaken-Curry-Suppe zu nehmen; lassen Sie es mich so ausdrücken: da hat jemand Pastinaken und ich weiß nicht was weich gekocht, in den Mixer geworfen und billiges Currypulver dazu gegeben. Selber schuld, in einem Gasthaus mit Metzgerei eine vegetarische Suppe zu bestellen. Mein frisches Tatar – leider gibt es keine Vorspeisenportion, sondern nur die volle 180g-Dröhnung – hingegen ist recht gut, frisch gewolftes, ordentliches Rindfleisch, leider etwas zu  fein und daher leicht breiig, und wenn ich vor Monaten hier schrieb, dass beim Schneiden der Gurken -und Zwiebelwürfelchen zum Tatar in der Rhöner Botschaft in Hilders jemand richtig scharfe Messer hat und damit auch umgehen  kann, ist in Krumbach eher der Grobmotoriker am Werke, aber einerlei, sehr gutes, nicht tadelloses, aber sehr gutes Tatar allhier, aber leider mit verwelkten Frühlingszwiebelringen. Das Schnitzel ist dick, groß, belanglos, durchzogen von einer dicken Fettsehne, die Pommes dazu ebenfalls groß, mehlig, bei zu geringer Hitze in die Fritteuse geworfen und daher erbärmlich fettig.  Kutteln schleimig, ganz kurios gewürzt, als müsste die kräftige Würzung was überdecken, Bratkartoffeln dazu fettig und bleich, aber mit Zwiebeln und Speck. Das Burgunderbraten genannte Etwas ist einfach nur als widerlich zu bezeichnen: zwei dünne, furztrockene, geschmacklose Scheiben Falsches Filet in zum Glück nur wenig einer geschmacksverstärkergeschwängerten, mehligen, dicken, braunen Tunke; „auf Blumenkohlpüree“ hatte die Speisekarte dazu angekündigt/-gedroht, ich hatte es bewusst abbestellt und statt dessen sautierte Pfifferlinge geordert. Das Blumenkohlpüree fehlte tatsächlich auf dem Teller – ebenso die angekündigten, nicht abbestellten, aber unverzagt in Rechnung gestellten Möhren – , stattdessen hatte ein Irrwisch von Koch den Teller zugekleistert mit Rote Beete Püree, einem Menstruationsblut-roten, muffig schmeckenden, griesligen Brei, wie ihn das beschauliche Kammeltal wohl seit den Schweden und ihrem gefürchtetem Trunke nicht mehr erlebt hat. Wäre der Burgunderbraten in der braunen Tunke nicht schon als solches ungenießbar (essbar vielleicht, genießbar keinesfalls), der Rahnerbrei gibt allem den kulinarischen Rest. Die hausgemachten Spätzle tatsächlich hausgemacht und – bis auf den geringen Eier-Anteil – auch recht gut. Aber die sautierten Pfifferlinge entpuppen sich als wabblige, wenn überhaupt so nur äußerst schlecht geputzte Riesenpilze mit Speck t und Zwiebeln, bar jeden Eigenschmacks im eigenen Wasser. Im Nachhinein wird dem Reisenden aus der Stadt bewusst, dass die hauseigene Metzgerei Diem auch Fertiggerichte in Dosen in mannigfacher Form offeriert, bis nach Kabul zu unseren Männern am Hindukusch liefere man die Lebensmittelderivate in Blechbehältnissen und bis zum Bauernmarkt in Dasing, verkündete der Junior weiland im Augsburger Systemblättchen, und da stellt sich dann doch schon die Frage, woher die beiden Scheibchen trockenen Burgunderbratens kommen mögen, wenn nicht frisch aus dem Reindl. Wie dem auch sei, ich ließ den Teller zurückgehen, statt einer Entschuldigung wurde mir das ganze  Zeugs ohne mit der Wimper zu zucken volle Möhre in Rechnung gestellt. Zwiebelrostbraten in der Dijonsenfkruste wieder ok, aber alles andere als wie gewünscht rosa, das Sößchen dubios, die „hausgemachten Rösti“ beunruhigend dunkle, aber wohl tatsächlich hausverbrochene Küchlein von Kartoffelstreifen, wahrscheinlich aus der Fritteuse. Und Schweinsbraten, Ente oder Haxe finden sich gar nicht auf der Speisekarte des Diem in Krumbach, offensichtlich fast nur Kurzgebratenes. So stellt man sich wohl auf dem Dorfe gehobene, ambitionierte, nichtsdestotrotz nicht abgehobene, bodenständige Küche vor, und Köche und Gäste scheinen sich – der Laden ist voll  und brummt, rollende Organspender auf zwei Rädern als überflüssige Übernachtungsgäste, dazu schwer mit gelben Plastiktüten bepackte Familien aus dem nahen Legoland, ein paar einsame Vertreter und besser verdienende Monteure, vor allem aber Einheimische, die es sich mal „richtig gut gehen lassen wollen“, … nun ja, sollen sie mal lassen …

 

Diem Gasthof und Metzgerei GmbH
Vertreten durch: Karl Diem
Kirchenstraße 5
86381 Krumbach
Tel.: +49 (82 82) 8 88 20
Fax: +49 (82 82) 88 82 50
Internet: www.gasthof-diem.de
E-Mail: info@gasthof-diem.de

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