Farwell Schwab‘s Landgasthof

Summa summarum: traditioneller, gepflegter, gemütlicher, weder überkandidelter noch künstlich auf historisch gemachter Landgasthof mit ordentlichen Drei-Sterne-Komfort-Gästezimmern, gemütlichen Gaststuben, freundlichem Personal, meist einheimischen Gästen sowie moderner, anspruchsvoller fränkischer Küche mit Höhepunkten und Mittelmaß eng beieinander.

Wenn ich in’s Nördliche der Republik fahre, so tue ich das meist in zwei oder drei Etappen, fahre vier bis sechs Stunden verschlungene, abgelegene Seitenstraßen, fern von den Autobahnen, durch unbekannte und vergessene Regionen, vorbei an verfallenden Schlössern und prächtigen Klöstern, deren Namen man nie gehört hat, durch elende, gottverlassene Käffer und hübsche, versteckte Städtchen, durch tiefe, fast menschenleere Wälder, endlos scheinende Felder und stinkende, hässliche Industriegebiete und so manches andere. Als Zwischenstopps suche ich mir meist kleine, typische Landgasthöfe, seltener einen Sternetempel, was halt gerade irgendwo auf dem Weg liegt … oder wo ich den Weg hin umleite. Für die Vorab-Suche solcher Etappen ziehe ich in der Regel die Herren Michelin, Gault Millau, Feinschmecker und Gusto zu Rate, zuweilen auch Empfehlungen aus irgendwelchen früheren Medienberichten, die ich mir notiert hatte. Es gibt noch viel zu entdecken, in Deutschland, wenn man das große Privileg hat, Zeit zu haben und die Seitenstraßen des Lebens nehmen kann, um dort das Kleine, Authentische, Individuelle zu suchen, statt auf den sechsspurigen Asphaltpisten dem Schneller, Höher, Weiter hinterherzuhecheln, immer in denselben standardisierten Hotelketten abzusteigen und immer die „üblichen verdächtigen“ Lokale aufzusuchen.

Diesmal fahre ich in’s (richtiger Apostroph) nördlichste Nordhessen, da ist der halbe Weg irgendwo hinter Würzburg vor der Rhön, so genau nehme ich das nicht. Die Herren Michelin, Gault Millau, Feinschmecker und Gusto legen mir in seltener Einmütigkeit nahe, in dieser Ecke doch mal Schwab’s Landgasthof (mit falschem Apostroph) aufzusuchen, seit vier Generationen im Familienbesitz, seit 1996 wirkt dort Joachim Schwab, der im Bareiss gelernt hat, als Koch und Patron, zusammen mit seiner Schwester Elfi. Das Haus ist freundlich, alt, grün gestrichen, mit roten Läden und weißen Sprossenfenstern, mitten in dem kleinen Örtchen Stadtschwarzach, nahe des ehemaligen Marktplatzes, an einer mittelmäßig befahrenen, engen Durchgangsstraße. Und das Haus ist recht klein, im Erdgeschoss sind Rezeption, die – halboffene – Küche und drei gediegen-rustikale, heimelig-gemütliche Gasträume mit viel Holz und Bronzeskulpturen des 2018 verstorbenen örtlichen Künstlers Theophil Steinbrenner untergebracht, neben dem Haus ein kleiner Gastgarten, im ersten Stock und im Dachgeschoss gibt es – geschätzt – keine zwei Dutzend Gästezimmer, die beiden Landhaus-Zimmer recht aufwändig – luxuriös wäre übertrieben – gestaltet und ansprechend-gemütlich, die Standard-Zimmer vollkommen ok, ordentlicher Drei-Sterne-Standard, nicht gerade heimelig, aber für die Durchreise oder ein paar Übernachtungen vollkommen ok, sauber, Tageslichtbad, zu weiche Matratzen, ordentliche Echtholzmöbel, ordentliche Bettwäsche, Flachbildschirm, kleiner Schreibtisch, das passt schon, zumal für 59 EURO die Nacht samt Frühstück im Einzelzimmer. Es gibt keine neuen Anbauten mit mehr Zimmern, SPA oder Tagungsfazilitäten (wo auch, mitten in der dichten Bebauung des Stadtkerns?). Das ist tatsächlich ein kleines Landgasthaus wie vor 100 Jahren, nur gut in Schuss gehalten und sanft renoviert, aber nicht gewachsen. Hotelparkplatz gibt es keinen, man parkt wie die Einheimischen aus den umliegenden Häusern halb auf der (engen) Straße, halb auf dem Bürgersteig und hofft, dass der Außenspiegel am nächsten Morgen noch dran sein möge. Lift gibt es natürlich auch keinen, aber haste nicht gesehen, bevor ich mich versehe, hat der Kellner nebenbei meine Tasche unter’s Dach getragen und vor meinem Zimmer abgestellt. Ein Service, den es selbst in vielen angeblichen Fünf-Sterne-Häusern schon lange nicht mehr gibt, wird hier einfach mal so en passant von jemandem erledigt, dessen Aufgabe das eigentlich gar nicht ist.

Am Abend ist es gut, dass ich einen Tisch habe reservieren lassen, das Lokal wird nämlich voll, ein paar Reisende wie ich, aber meist Einheimische, nicht etwa auf ein Feierabendbier und ein Schnitzel, sie haben sich rausgeputzt und feiner gemacht, wenn man zu Schwab geht, will man sich offensichtlich „etwas gönnen“, das ältere Paar am Nachbartisch feiert seinen Hochzeitstag (und regt sich sichtlich darüber auf, dass die Fränkische Hochzeitssuppe hier 6,50 EURO koste, da-und-dort gebe es sie für 2,50 EURO), wahrscheinlich ein örtlicher Unternehmer mit viel zu lauter Stimme hält an einem Ecktisch Hof mit seinen Kunden oder Lieferanten, ein junges Pärchen vergisst vor lauter Turteln fast das Essen, eine Familie metzelt gemeinsam in trauter Runde mit viel Geschwätz und Gelächter eine ganze Gans nieder.

So wirklich „typisch“ fränkisch finde ich die Speisekarte nun nicht (es gibt keine Bratwürste und keinen Karpfen …). Kürbis- oder Hochzeitssuppe, Wallerfilet im Sud, Kartoffel-Kürbis-Rösti, Gemüselasagne, Wild-Ragout und -Fleischpflanzerl (Joachim Schwab hat eine eigene Jagd, und einen eigenen Weinberg dazu), Kalbsleber, geschmorte Ochsenbäckchen, Barbarie-Entenbrust, Schweinemedaillons in Champignon-Rahmsauce, ein Schwarzacher Pfännle (Schweinerückenschnitzel mit Schinken und Käse überbacken, Kroketten, Salat – hoffentlich nicht das signature dish des Hauses), das war’s, dazu noch sieben Nachtische, u.a. Karthäuser Klöße mit Weinschaumsauce, Sorbet von heimischen Quitten oder eingelegte Zwetschgen mit weißem Schokoladenparfait. Die Weinkarte ist klein und fein, natürlich Schwabs eigener Silvaner aus alten Reben vom Sommeracher Katzenkopf, sonst fast nur Mainfränkische Weine (und ich werde trotzdem nie verstehen, was Leute am Würzburger Bürgerspital finden), zwei Churfränkische von Stich und Fürst aus Bürgstadt, ein paar wenige Österreicher und Südtiroler, sonst nix, und das alles zu wirklich wohlfeilen Preisen zwischen 25 und 50 EURO die Flasche – außer dem Fürst natürlich), der Krug Leitungswasser dazu erscheint nicht auf der Rechnung. Dann gibt es noch eine große Auswahl an sehr fair bepreisten Ziegler-Bränden aus Freudenberg für danach und vorab ein Kellerbier frisch vom Fass aus dem Steinkrug für den ersten Durst.

Als Gruß aus der Küche kommt ein Scheibchen Wildschweinsülze auf Schwarzbrot mit einem Klecks Grüner Soße. Das Fleisch ist zwar gut, aber die Sülze hart, kalt, recht sauer, die Grüne Sauce scheint mir nur dünnflüssiger, mit Kräutern gecutterter Schmand zu sein, noch dazu sehr Kerbel-lastig, was mit echter Grüner Soße recht wenig zu tun hat. Der Sinn des Schwarzbrotes erschließt sich mir persönlich auch nicht wirklich, ein Amuse-Bouche soll doch Lust und nicht satt machen. Die Brühe der Fränkischen Hochzeitssuppe ist gut bis sehr gut, die diversen Einlagen tatsächlich selber gemacht, nur der Leberkloß ist viel zu groß und mächtig für eine Vorsuppe. Es ist problemlos möglich, den Waller auch als Vorspeisenportion zu bestellen. Der Fisch ist von hervorragender Qualität, frisch, fest, aber einen deutlichen Tick mehr als glasig pochiert, unter frischem, knackigem, selbst tourniertem Gemüse, dazu hervorragende hiesige Salzkartoffeln, Kartoffeln, die noch nach Kartoffel schmecken, geklärte Butter, ein sehr guter Sahnemeerrettich, ein knackiger Salat mit einem dezenten Sahnedressing, ein einfach gekonnt zubereitetes, in sich stimmiges Gericht. Ein nicht zu süßes Sorbet aus fränkischen Quitten, auf Wunsch aufgegossen mit dem Quittenbrand von Ziegler, reinigt Maul und Papillen für den Hauptgang, und er ist dann so … naja: Ragout von Reh und Hirsch, frische Pilze, Semmelknödel, Romanesco, Rotweinbirne und Preisbeeren, zusätzlich habe ich mir aus reiner Neugierde noch einen Preiselbeerschmarren und Wirsinggemüse bestellt. Am besten sind die Rotweinbirnen, selber knackig pochiert, mit eingemachten herben Preiselbeeren gefüllt (und nicht halbierte Dosenware mit einem Klecks industrieller Preiselbeerzubereitung), sowohl vom Zusammenspiel der Konsistenzen als auch den Geschmäckern unglaublich stimmig, passend und der wohlschmeckende, knackige Romanesco. Das Wirsinggemüse entpuppt sich als eine eher schleimige, mehlpampenschwangere Masse, der Preiselbeerschmarren (mit Puderzucker!) als trockener, ungeeigneter Begleiter für ein Wildgericht, die Semmelknödelchen als fest und belanglos. Das Wildragout selber besteht aus ein paar harten, mageren, fasrigen, lauwarmen Fleischstücklein und ein paar geviertelten, sautierten Steinchampignons, über die nachträglich eine mittelmäßige braune Wildsauce gekippt wird; was das mit einem Ragout, das ja gerade von der innigen Verbindung aller Aromen lebt, zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Nachgeradezu perfekt zum Abschluss die Karthäuser Klöße mit Weinschaumsoße und – statt des Walnusseises – mit Omas eingelegten Zwetschgen, so muss traditionelle Landküche.

Zu erwähnen ist sicherlich noch das Frühstück. Es gibt für die paar Hausgäste kein Buffett, Schwester Elfi trägt herbei, was das Herz begehrt, derweil ihr Bruder in der Küche frische Eier à la minute brät und nebenbei die Vorbereitungen für Mittags und Abends trifft. Die Wurst ist vom hiesigen Metzger, das Obst frisch geschnitten, die Milchprodukte aus der Region, am besten aber sind die handgemachten, frischen, knusprigen, schweren Semmeln der nahe gelegenen Klosterbäckerei der Abtei Münsterschwarzach. „Die kosten mich zwar 7 Cent mehr das Stück, aber das bin ich meinen Gästen schuldig.“ sagt Elfi.

Trotz meiner gemischten Erfahrungen in Schwab’s Landgasthof – das Positive überwiegt bei weitem – ist es jammerschade, dass das Haus zum Jahresende 2021 in der Form aus gesundheitlichen und aus Alters-Gründen in Ermangelung eines Nachfolgers für immer schließen wird und die Tradition einer weiteren Gastwirtsfamilie ausgelöscht wird.


Schwab´s Landgasthof
Inh. Joachim Schwab
Bamberger Straße 4
97359 Schwarzach
OT Stadtschwarzach
Tel. 09324 1251
Fax 09324 5291
Mail: info@landgasthof-schwab.de
www.landgasthof-schwab.de

Hauptgerichte von 14,80 € (Kartoffel-Kürbis-Rösti mit Kräuterschmand, grüner Salat) bis 24,50 € (rosa gebratene Barbarie-Entenbrust, Rahmwirsing, Kartoffelkrapfen), Drei-Gänge-Menue 27,80 € bis 50,50 €

Doppelzimmer mit Frühstück 96 € bis 145 € (pro Zimmer)

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