Eating Vancouver – Tag 2: La Petit Belge / Mt. Pleasant Farmers Market / Burdock & Co / Granville Island Public Market / UVA / Peaceful Restaurant

Die besten Waffeln Vancouvers, die soll es im La Petit Belge in der Mainstreet geben. Mainstreet, das ist in Vancouver nicht etwa die paar hundert Meter Prachtstraße zwischen Residenz und Rathaus, Mainstreet, das sind hier 9 Kilometer schnurstracks vom alten Hafen im Norden bis zum Fraser River im Süden einmal quer durch die alte Kernstadt von Gastown über Chinatown, vorbei an der Pacific Central Railway Station rauf nach Mt. Pleasant, vorbei am Queen Elisabeth Park, runter nach Punjabi Market bis zum Fluss, das ist mal ne Hauptstraße, da können wir Europäer uns eine Scheibe von abschneiden. So unscheinbar die Lage des La Petit Belge ist (es gibt noch eine zweite Filiale direkt in Downtown in der Robson Street, aber die soll nicht so gut sein), so unscheinbar ist die Inneneinrichtung, das könnte jetzt auch die Cafeteria irgend eines Museums sein, ein langer Tresen mit offener Küche, ein paar Tische, Stühle, Bänke in einem schmucklosen Raum, Wohlfühlatmosphäre geht anders, aber wir sind ja in erster Linie zum Waffel-Essen hier, nicht zum Wohlfühlen. Die erste Waffel, die ist dann in der Tat eher ernüchternd: frisch gebacken, lauwarm, sehr trocken, fast knusprig, nur ganz leicht süß, Vanillin-Hauch, dafür sehr porös und aufnahmefähig für reichlich Ahorn-Sirup und Butter. Eine Waffel halt, aber viel Tam-Tam würde ich darum so nicht machen. Tja, man sollte halt die Speisekarte selbst in solch einem scheinbar einfachen Etablissement genauer lesen. Pure Waffeln, das sind hier eher die Ausnahme. Berühmt ist der Laden tatsächlich für seine Toppings auf den Waffeln, Rührei, Speck und Ahornsirup sind da noch die harmloseren. Es gibt Waffeln mit frischem, gutem Salat, darauf alter, schlechter Lachs, übergossen mit einer öligen Dill-Vinaigrette; Waffeln mit Eiern Benedict auf guten Avocado-Scheiben und dubioser Hollandaise, dazu breiige gebratene Kartöffelchen in Schale; Waffeln mit Tomaten, frischen Spinatblättern, Frischkäse, grünem Spargel und gutem Schinken; Waffeln mit Bergen von industrieller Eiscreme, Sprühsahne und industriellen Saucen; Waffeln mit frischem Obst und wieder Sprühsahne; und so weiter, ich nehme an, wenn ich eine Waffel mit gebratenem Meerschweinchen auf Seeigel-Parfait bestellte, das hätten die auch. Neben den Waffel-Orgien gibt es auch noch ganz normales – für imperiale Verhältnisse normales – Frühstück im Le Petit Belge, Eier in aller nur erdenklichen Form, Kartöffelchen, Würstel, Speck, am liebsten alles zusammen. Der frisch gepresste Orangensaft ist schlecht, der Kaffee heiß und dünn, der frisch aufgegossene Tee ist ganz in Ordnung, der Service flott und ungekünstelt freundlich.

Einigermaßen ernüchtert von den „besten Waffeln ganz Vancouvers“ ziehen wir weiter die Main Street nach Mount Pleasant hoch, einem jungen, familienfreundlichen, etwas alternativ angehauchten Stadtviertel im Süden, dort soll es den besten Brunch der ganzen Stadt geben. Zuvor gehen wir noch auf den Mt. Pleasant Farmers Market hinter dem Guelph Park, der ist hübsch, echt, klein, von lokalen Produzenten für die lokale Nahversorgung.

Local sourcing, das ist auch das Motto von Andrea Carlson (bekannt durch ihre 100 Meilen Diät), die seit 2013 hier das Burdock & Co als „farm to table restaurant“ betreibt. Von außen ist der Laden unscheinbar, von innen sehr klein, vielleicht ein Dutzend Sitzplätze an kleinen Tischchen, ein dutzend Sitzplätze auf Hockern vor winzigen Tischchen an der Wand, ein Dutzend Sitzplätze an einer L-förmigen Theke hinten im Raum, ach ja, und ohne langfristige Reservierung geht hier bei aller Unscheinbarkeit nichts, denn Andrea Carlson ist mit ihrem Burdock & Co eine Institution in Vancouver. Wo immer es geht, kommen nahezu alle Zutaten aus British Columbia, die meisten aus der Region Vancouver selber, nur Dinge wie Avocado, Orangen, Reis sind Zugeständnisse an die Anbauverhältnisse. Es gibt ganz viele Hinweise „vegetarian, „vegan“, „gluten free“ und ähnlichen Öko-Unfug auf den Speisekarten, aber genau das scheint den Zeitgeist zu treffen, der Laden ist schon am Vormittag gerammelt voll, ganz überwiegend weibliche Gäste, wer eine intellektuell-alternative zwanzigjährige Studentin aufreißen will oder eine wohlhabende, gebildete Vierzigjährige, die eine Balance zwischen Genuss und Gesundheit sucht, der wäre hier genau richtig. (Oh Mann, was wird mich Caro schimpfen für diesen Satz!) Einerlei, allein unser Brunch ist phänomenal. Brunch, das heißt hier nicht, dass man an einem Buffet eine große Auswahl an süßen Frühstücks- und herzhafteren Lunch-Speisen hätte, Brunch heißt hier eher, dass man eine Speise, sättigender als Frühstück, aber leichter als ein ganzer Lunch isst. Das können Rühreier mit Tomaten, Lauch, Feta und Chorizo sein, oder veganer Avocado-Matsch mit Cashew-Joghurt, frittiertem Broccoli, gebratenen Pilzen und pochiertem Ei oder ganz banal Nudeln mit Fleischragout. Aber wir sind gekommen für die berühmten Eggs Benedict, hier „Gluten-Free Eggs Benny“ geheißen und für die Pancakes. Letztere sind weniger Pancakes, als vielmehr eine im Steingutnäpfchen gebackene, angepappte, schaumige Eiermasse, eher ein Auflauf, am besten vergleichbar mit etwas zu schwer und etwas zu dunkel geratenen Salzburger Nockerln, geschmacklich und konsistenz-mäßig aber ein Gedicht, darauf frische, nach Frucht schmeckende Früchte, Ahornsirup und eine Art Clotted Cream. Der Scone für die Eier Benedict ist fest, schwer, knusprig, ein richtiges Stück Backwerk und kein wabbliger Industrie-Backling. Der Avocado-Matsch besteht aus reifen, geschmacklich guten Avocados und wenig Pfeffer und Salz, kein Großtat, aber ok. Der gebratene kanadische Bacon hingehen ein Gedicht und um Längen besser als alles, was man in Deutschland als „Bacon“ kaufen kann. Die pochierten Eier stammen wahrscheinlich von glücklichen Hühnern aus der Region, schön für sie, und sind tadellos pochiert, auch keine Großtat. Aber die Zitronen-Hollandaise darüber, das ist in der Tat eine Großtat, frisch, leicht, cremig fließend, dotterig-butterig mit zart-säuerlichem Zitronenaroma, so was muss man erstmal hinbekommen. Die Roasted Potatoes dazu sind richtig gute, kleine Kartoffeln, aber zu weich gekocht, halbiert und ungeschält in Fett geworfen: sowas macht man nicht, das ist böse und schlecht, und schmecken tut’s auch nicht. Die Atmosphäre dazu ist leger aber gepflegt, fast wollte man was von Boheme und intellektuell schreiben, die Bedienungen flott und selbstbewusst, sie wissen, dass die Plätze hier begehrte Mangelware sind, die Holztische sind blank, die Servietten aus Papier, das Geschirr aus bunter Keramik, immerhin gibt es ordentliches Besteck, das ist ja schon mal ein Anfang in Richtung Tischkultur. Und im Oktober 2019 erscheint das erste Kochbuch von Andrea Carlson „Burdock & Co – Poetic Recipes Inspired by Ocean, Land, & Air“. Ich hab’s auf jeden Fall mal vorbestellt. Und zum Dinner müssen wir hier auch dringend nochmal her.

Den Rest des Tages lassen wir uns durch die Stadt treiben. Im Gegensatz zum Mt. Pleasant Farmers Market ist der berühmte Granville Island Public Market auf der gleichnamigen Halbinsel ist einfach nur Touristen-Abzocke mit Souvenir-Läden, überteuerter System-Gastronomie, „Kunst“-Handlungen, teuren Wale-Watching-Anbietern und großen, überfüllten Markthallen mit vielen teuren Ständen, am besten vielleicht vergleichbar mit dem Viktualien-Markt in München.

Hübsch und wohlfeil dann eine Fähre über den False Creek zum Coopers‘ Park, Vancouver vom Wasser aus, von dort ein Spaziergang durch das recht gepflegte Downtown, ein Abstecher in die Contemporary Art Gallery lohnt fast immer, die Inuit Gallery Of Vancouver ist da eher folkloristisch-kommerziell, in Gastown dann Drogensüchtige, Obdachlose, Bettler, Hehler auf den Straßen, die meisten wohl hehlende, bettelnde, obdachlose Drogensüchtige, gebrauchte Spritzen und unverhohlen Hehlerware auf dem Trottoire, unschön, die hässliche Seite des liberalen Vancouvers, nur die Dealer erkennt zumindest unsereins nicht, auch Prostituierte sieht man keine. Zurück in einem Schlenker durch das hiesige Chinatown, nicht weiter der Rede wert, das obligatorische Tor halt, Drachen an den Straßenlaternen, zweisprachige Straßenschilder, ein paar chinesische Läden, Restaurants, Tempel, der taoistische Dr. Sun Yat-Sen Garten ist hübsch und entspannend.

Nach Dusche und Umziehen nehmen wir ein paar Drinks in der Hotel-Bar des Moda namens UVA, eine hübsche, mit viel Fensterfront helle, stillose Bar, stillos nicht etwa im Sinne von „ohne Anstatt und Benimm“, sondern stillos im Sinne von „keinem Stil, keiner Richtung, keiner Mode zuordenbar“. Individuell-zeitlos könnte man vielleicht auch sagen. Großer, aber nicht mächtiger Tresen, gute Spritauswahl, Leder-Ohrensessel, Holzhocker und Stahlschwinger, altertümliche Designer-Lampen und Neon-Strahler, knalliges Rot, Tiefes Schwarz, und pflegeintensives Weiß, nichts passt wirklich zusammen und ergibt doch ein stimmiges, gemütliches, legeres Gesamtbild. Obwohl Hotelbar sieht man kaum Hotelgäste, hier scheint eher die junge Bohème Vancouvers zu verkehren, nicht verwunderlich, bei der Philharmonie vis-à-vis. Es gibt kleines Barfood von der benachbarten Cibo Trattoria und sehr gute Drinks, selbst einen extra trockenen Martini, nur gewaschenes Eis, gerührt, nicht geschüttelt, gekühltes Glas, Lemon Twist, keine Olive macht mir der Keeper schon am zweiten Tag ohne weiteres Nachfragen ziemlich perfekt, und ich probiere hier über ein Dutzend lokale Gins, Brennen können sie, die Kanadier.

Aber nach dem zweiten oder dritten Cocktail stellt sich Hunger ein und es entbrennt die Diskussion um’s Abendessen, spontan, ungeplant, ohne besondere Vorlieben, obwohl das Restaurant-Angebot in Downtown groß und vielfältig ist. To make a long story short, irgendwann schlägt uns der zu Rate gezogene Keeper vor, wir sollten doch drei Blöcke weiter zu Charlie Huang in sein Peaceful Restaurant gehen, in das Originale in Downtown, nicht in eines der fünf Ableger im Stadtgebiet. Die Lokale in Chinatown seien in Vancouver eher für die Touristen und böten vorwiegend diesen weichgespülten internationalistischen pseudo-chinesischen Einheitsbrei, und die, in denen die Chinesen selber äßen, würde man als Fremder ohnehin nicht finden, und wenn man sie doch fände, so wolle man gewiss nicht dort essen. Das Peacefull sei äußerlich zwar unscheinbar, aber dort gebe es authentische Nordchinesische Küche mit selbst gemachten Nudeln, legendären Dim Sum, einen signature dish fried rice usw., außerdem habe das Restaurant jede Menge Preise und Auszeichnungen eingeheinst und sei trotzdem ausgesprochen wohlfeil. Gesagt, getan, Hühner gesattelt und die 10 Minuten die Seymour Street runter bis zur Ecke Dunsmuir gebummelt. „Äußerlich unscheinbar“ ist eine sanfte Untertreibung für die Inneneinrichtung des Lokals, jeder McKotz oder Starfucks ist da deutlich heimeliger; das Peacefull sieht aus wie eine Werkskantine in Nordkorea, in die jeden Augenblick der dicke Kim Jong-un mit seiner Equipage reingewackelt kommt, um Ovationen entgegenzunehmen und weise Ratschläge für die Verbesserung des Kantinenwesens im Allgemeinen zu verbreiten; und die Servicekräfte gleichen mehr rigiden Platzanweiserinnen denn freundlichen Bedienungen. Trotzdem – oder deswegen – besteht das Publikum weitestgehend aus Asiaten, die hier weitestgehend mit authentisch asiatischen Tischmanieren spachteln. Entsprechend böse schaut mich die Anweiserin an, als ich Messer und Gabel zum Essen verlange statt der üblichen Plastik-Stricknadeln. Die Sichuan Hot and Sour Soup im Plastiknapf mit Plastikkelle ist reichlich, von der Konsistenz her schleimig, wenig frisches Gemüse, viel getrocknete Pilze und Eierflaum, dazu billige Tiefkühl-Schrimps in einer komisch schmeckenden Brühe, wahrscheinlich Huhn. Der Bratreis Peacefull House Rice, ein Signature-Dish, besteht aus gebratenem Roten Reis, Schweinefleisch, wieder TK-Schrimps, wenig TK-Gemüse, ein paar Stängeln Koriander und wohl typischen nordchinesischen Wurst, man könnte sie als deftig-kräftig-würzig beschreiben, man könnte sie als gewöhnungsbedürftig beschreiben, man könnte sie als penetrant übelschmeckend beschreiben, ich tendiere klar zu Letzterem. Unabhängig von den diskutablen geschmacklichen Empfindungen, TK-Shrimps und TK-Gemüse sind einfach nur ein Armutszeugnis, auch wenn die Portion recht groß ist. Das Rindfleisch in Cumin-schwangerer Sojasauce mit rohen Gemüsen – Streifen von Gurke, Möhre, Sprossen, Frühlingszwiebeln – auf den hausgemachten dicken Nudeln, naja, die Nudeln breiig, der Rest sehr gewöhnugsbedürftig, ich fange an, mich nach diesem weichgespülten internationalistischen pseudo-chinesischen Einheitsbrei zu sehen. Das Schweinefleisch zäh und Sehen-durchzogen, gebraten mit ein wenig knackigem frischem Gemüse, wieder in einer – diesmal hellen – Sojasauce, naja. Sehr Nordchinesisch alles. Als wir um 21:00 Uhr noch die angeblich legendären Dim Sum bestellen wollen, werden wir von der Anweiserin barsch beschieden, um 09:30 pm schließe der Laden, Bestellungen würden keine mehr entgegen genommen, und wir sollten uns (das „gefälligst“ lässt sie gerade noch weg) sputen, fertig zu werden und zu zahlen, vor dem Ladenschluss müsse ja schließlich auch noch geputzt werden. Wir legen eine ganze Menge Dollar-Noten in das hingeknallte Mäppchen mit der Rechnung und geben exakt so viel Trinkgeld, wie wir Freundlichkeit von den Anweiserinnen erhalten haben – nämlich Null, ein absoluter Fauxpas in einem Land, in dem 15 bis 30% Trinkgeld Standard sind – und trollen uns. Wahrscheinlich liegt jetzt der Fluch einer einer kanadischen Chinesin auf mir. Bei allem Respekt vor Regional-Küchen und deren spezifischen Besonderheiten, ich kenne die Küchen von Kanton, Huan, Shanghai und Sichuan ein wenig, und ich mag diese Küchen in weiten Strecken, aber wenn das authentische Nordchinesische Küche ist: pfui Deifi! Die Auswahl an Kanadischen Gins in der Hotelbar tröstet mich dann ein wenig.



La Petit Belge
1007 Main Street
Vancouver, BC V6A 4L4
Canada
Tel.: +1 (7 78) 7 91 34 44 
E-Mail: info@lepetitbelge.ca
Internet: www.lepetitbelge.ca
Basic Breakfasts CS 13 bis C$ 16 + Beverages, 1 Waffel C$ 5 bis C$ 13

Burdock & Co
Andrea Carlson
2702 Main Street
Vancouver, BC V5T 3E8
Canada
Tel.: +1 (6 04) 8 79 00 77
E-Mail: eat@burdockandco.com
Internet: www.burdockandco.com/
Hauptgerichte von C$ 15,00 (Hühnchen in Buttermilch) bis C$ 26,00 (Fettuccine mit Schweine-Fenchel-Ragout ), Drei-Gänge-Menue C$ 32,00 bis C$ 51,00, Frühstück C$ 14 bis C$ 18

UVA Wine & Cocktail Bar (im Moda Hotel)
900 Seymour Street
Vancouver, BC   V6B 3L9
Canada
Tel.: +1 (6 04) 6 32 95 60  
E-Mail: info@uvavancouver.com
Online: www.uvavancouver.com
Barbites von C$ 3,00 (Focaccia) bis C$ 22,00 (Salumi-Platte oder Gnocchi mit Spargel), Cocktails C$ 8,00 bis C$ 22,00

Peaceful Restaurant
Charlie Huang
602 Seymour St
Vancouver, BC V6B 3K3
Canada
Tel.: +1 (6 04) 3 13 13 33
Online: www.peacefulrestaurant.com
Hauptgerichte C$ 10,85 (hausgemachte Nudeln mit Sauce) bis C$ 17,95 (Frittierte Riesengarnelen)

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