Kirchen-technisch komme ich aus Fulda, genauer gesagt dem Bistum Fulda. Als Kind freute ich mich wie ein Schneekönig, endlich den Bischof bei meiner Firmung persönlich kennenzulernen, und dann kam irgend so ein streng parfümierter Hilfs- bzw. Weihbischof und firmte mehr schlecht als recht, jedenfalls eilig und nicht heilig, und dafür hatte ich Nachmittage um Nachmittage bei dem seltsam lachenden Pfaffen im Firmunterricht verbracht. Na ja, wenigstens die Omega zur Firmung hat gehalten, war aber den ganzen Zinnober nicht wert, bestärkt wurde ich nicht in meinem Gauben, sondern maßlos enttäuscht, und da gab ich die Sache mit der Kirche bis auf Weiteres innerlich auf, auch wenn meine Eltern und Großeltern mich weiterhin jeden Sonntag in die Kirche schleppten, nur meine Mutter hatte es da besser, die war Evangele und musste nicht zum sonntäglichen Kollektiv-Gebete. Sonst hatte ich wenig mit Fulda zu tun. Bis zu meiner Bundeswehrzeit, die ich in der schönen Burgwaldkaserne bei Frankenberg (Eder), das ebenfalls zur Diözese Fulda gehört, ableistete. Im Mannschaftsheim gab es Doornkaat und Kümmerling (die Mannschaften befleißigten sich des Öfteren – eigentlich ständig – des gefürchteten „Kuppelsaufens“, aus ein paar hundert dieser konisch geformten 20 ml-Fläschchen kann man mit viel Geschick und Leber tatsächlich eine Kuppel formen, das ist leicht zu Beginnt, die ersten paar Reihen zuerst im Kreis und dann aufeinander zu stapeln, da sind alle Teilnehmer noch halbwegs nüchtern; haglig wird’s zum Schluss, wenn die Fläschchen in der Kuppel Richtung Vertikale und die Teilnehmer Richtung Horizontale gehen und die Flaschen – ebenso wie die Teilnehmer – wacklig werden). Im Offiziers-Kasino gab’s hingegen Brände aus der Brennerei Schlitz bei Fulda, Korn, Kümmel und Obstler, mehr nicht, aber von sehr guter Qualität, jedenfalls keine Schädelspalter, denn wir mussten ja fit sein am nächsten Morgen und die Überlebenden des Kuppelsaufens wieder einnorden.
Die Schlitzer Korn- & Edelobstbrennerei wurde gegründet 1585 und gilt als die älteste noch in Betrieb befindliche Brennerei Deutschlands. Ursprünglich gehörte sie den Grafen von Schlitz (den muss ich jetzt einfach loswerden: in den späten Sechzigern soll die alte Gräfin von Schlitz ihre Gäste bei einer Veranstaltung mit den Worten empfangen haben: „Ich begrüße Sie alle herzlich in meinem kleinen Schlitz.“ – gewiss eine Zote, aber bis heute ein running gag für Einheimische in Nordhessen), heute sind die Städte Schlitz (90%) und Hünfeld (10%) Eigentümer der Destille, und alle zwei Jahre wird eine Kornkönigin gewählt, ein schöner Brauch. Seit den Neunzigern hat der Zeitgeist auch Einzug gehalten in der Brennerei Schlitz, das Produktportfolio wurde massiv diversifiziert (wie es so schön im Management-Sprech heißt), Kräuterliköre, Edelbrände, Bitter, Vodka, irgendwann dann natürlich auch ein Whiskey, schließlich ein Gin, dazu diverse Derivate – Gin Likör, Sloe Gin in einer Winter und Sommer-Edition, Gin mit Steakwürzmischung, Barrique-Gin, schließlich – natürlich – ein Bio-Gin, ich habe nichts davon probiert, glaube aber auch nicht, dass die Welt irgendwas davon wirklich braucht.
Der Burgen Gin wird Vakuum-destilliert, 45%, deutliche Wachholder-Note, wie es sich für einen Gin gehört, dazu Anis, Kümmel, Kardamom, Fenchel, Koriander und ein Hauch Zitrus in der Nase. Ansonsten bleibt der Burgen Gin süßlich und diffus im Maule, auf der Zunge und im Abgang brennt er. Im Handel gibt’s den Liter für rund 60 EURO, die Schlitzer selber verlangen 80 EURO pro Liter für ihren Burgen Gin. Summa summarum würde ich sagen „Schuster bleib‘ bei Deinem Leisten“. Korn, Kümmel und Obstbrände können die Schlitzer, aber bis zu einem guten Gin ist es noch ein langer Weg.