Brunch im Körri: zumindest eine Show

Summa summarum: architektonisch interessantes, nicht von Touristen überlaufenes, altes Hamburger Stadtviertel, rustikale Kneipe, meist einheimisches Stammpublikum, internationalistisch-zeitgeistige, gesichtslose 08/15-Speisekarte mit Burger, Schnitzel, Flammenkuchen, Superfood, die Hausspezialität ist das Körri; fulminantes Bruch am Wochenende, große und reichliche Auswahl an Speisen, die warmen halbwegs frisch gemacht, die Qualität allerdings von ganz in Ordnung und dann abwärts, kulinarisch beileibe nichts Besonderes, aber reichlich und passt (meist) schon, dazu ausgesprochen freundliches und fixes Personal

Mitten im Hamburger Kontorhausviertel liegt der Sprinkenhof, ein großes, neunstöckiges Kontorhaus mit drei Innenhöfen aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, trotz seiner Kühle durchaus sehenswert. Im Erdgeschoss des Sprinkenhof an der Springeltwiete 2 liegt das Körri Speisekontor. Körri, ungewöhnlicher, schwer zuzuordnender Name für ein Restaurant. In meinen ersten Vermutungen tippte ich auf einen verballhornten Curry-Inder oder – wegen des Ös – auf einen Türken, beides falsch. Als Restaurant bietet das Körri bunt und wild gemischte internationalistische-zeitgeistige, wahrscheinlich Convenience-schwangere Beliebigkeit: Tomaten oder Bananen-Curry-Suppe, Mango-Mozzarella-, Superfood- und diverse andere Salate, Backfisch mit Pommes, Bratkartoffeln oder Süßkartoffel-Pommes, Wiener Schnitzel, Pasta mit „Trüffel“, Flammenkuchen, diverse Burger, Wildfang-Rotgarnelen, sogar ein ganz traditionelles Bauernfrühstück wird angeboten, zum Abschluss vier Desserts, und unter der Woche gibt es zusätzlich noch Tagesessen so zwischen 10 und 15 EURO, z.B. Ente süß-sauer, veganer Crispy Chicken Burger, Rinderfiletstreifen in Sahnesauce. Eine kulinarische Handschrift lässt sich bei dem Sammelsurium absolut nicht erkennen. Aber bei jemandem, der einen „Spätzle Bacon Burger“ mit „getrüffelten Käsespätzle“ anbietet, wäre ich auf jeden Fall vorsichtig. Doch es gibt eine Spezialität des Hauses: das Körri. Dabei handelt es sich um das Brät einer feinen Bratwurst (wie sie für Currywurst verwendet wird), das aus dem Darm gedrückt, in einer speziellen Form wie ein Steak gebraten und dann mit den traditionellen Currywurst-Beilagen oder auch als „Rustica“ oder „Italia“ serviert wird. Keine Ahnung, ob das Körri hier vom Chefkoch und Eigentümer Sven Lieske kreiert wurde oder ob es das schon länger gibt, jedenfalls prangt im Impressum der Website ein dickes, fettes ® hinter dem Namen Körri, also handelt es sich offensichtlich dabei um ein eingetragenes Warenzeichen.

Aber wir sind ja gar nicht zum Körri® essen im Körri, sondern zum Brunch am Wochenende, und das ist nun wahrlich denkwürdig. Drinnen ist spontan sowieso kein Platz mehr zu reservieren, aber die Tische im schattigen Durchgang vor dem Haus sind noch weitgehend frei, ohnehin besser, an einem warmen Sommer-Vormittag, mit einer leichten kühlen Brise im Schatten, mit beeindruckendem Blick auf den Backsteinexpressionismus des Blocks. Von freundlichen, fixen, jungen Damen wird man platziert, bei Filterkaffee, Wasser, Säfte, Tees, sogar Schaumwein bedient man sich selbst, kein Problem, gleich eine ganze Flasche Wasser oder Saft mit an den Tisch zu nehmen, Kaffeespezialitäten aus dem Automaten schleppen die jungen Damen unermüdlich und zeitnah heran, egal wie oft und wie viel man ordert. Doch der Weg zum Brunch-Buffet bleibt einem vorerst verwehrt. „Wartet bitte noch kurz, der Uwe holt Euch gleich ab und zeigt Euch alles.“ Uwe kommt dann auch zeitnah nach ein paar Minuten, ein quirliger, freundlich-bestimmt-offener Mann in Koch-Montur, sicherlich schon 70. „Kommt mit, ich zeige Euch alles!“ Wir folgen ihn durch das proppevolle Lokal in zwei Seitenräume. Rechts eine Durchreiche von der Küche mit großen Abstellflächen mit Warmhaltelampen darüber, darunter Eierspeisen, Pfannkuchen, Würstel, Waffeln, gebratenes Fleisch, Geflügel, Bacon, Apfelkürcherl, alles nicht à la minute, so doch à la quart zeitnah immer wieder frisch gemacht. Der Raum mit dem eigentlichen Buffett ist vielleicht 20, 25 Quadratmeter groß, an drei Seiten üppige, fast schon überladene, überbordende Tische voller Speisen, dazu in der Mitte des Raumes nochmals eine Speiseinsel. Stolz – wirklich stolz – präsentiert uns Uwe diese – und es besteht kein Zweifel daran, dass sie vom (mit)geschaffen ist – Fülle und Vielfältigkeit von Lebensmitteln: Kuchen, Obstsalat, Beeren, Marmeladen, Brot- und Brötchenauswahl, zig Salate, drei warme Gerichte mit Beilagen, Wurst, Schinken, Käse, Fisch, Mett, süße Teilchen, Desserts, frisches Obst, sogar eine großen Schokoladenbrunnen mit flüssiger rosa Schokolade gibt‘s. Dann erklärt uns Uwe, wie sein Buffet „funktioniert“, also nicht so in dem Sinne „erstmal wenig nehmen, probieren, Nachschlag gibt’s immer“, sondern wo Teller und Besteck sind, wie das Buffett aufgebaut ist, wo es was gibt, was in den Bains Marie vor sich hin blubbert, wozu welche Beilage gedacht ist – „Aber Ihr könnt auch was anderes nehmen, ganz wie Ihr wollt, ich wollt’s halt nur gesagt haben …“ –, welche Käse auf der umfänglichen Käseplatte auf uns warten, welche Würste und Schinken … Uwe erklärt uns alles. Ich bin ehrlicherweise kurz davor zu sagen „Guter Mann, ich esse seit fast 60 Jahren von Buffetts, und ich habe mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit von weitaus mehr verschiedenen Buffetts gegessen als Sie in Ihrem ganzen Leben, und glauben Sie mir, ich weiß, wie Buffett funktioniert und brauche keine Erklärung, sondern habe Hunger und würde mir jetzt gerne was zwischen die Zähne schieben.“ Ich sage es aber nicht, dazu ist die Freude, der Stolz, die Ambition des alten Mannes in seiner Kochmontur viel zu schön, viel zu bewundernswert, dieser Mann brennt für’s Kochen, für’s Gastgeben, für’s Gäste nicht nur satt, sondern glücklich zu machen, und das mit Verve. Solche Leute gibt’s heute viel, viel zu wenige in der Gastronomie. An den Buffetts werkelt unablässig eine alte Dame, sicherlich auch schon über Siebzig, leere Wurstplatten durch volle ersetzen, die Käseplatte neu richten und nachfüllen, die Mayonnaise-Salate einmal durchrühren, wenn sie oben dunkel-ledrig werden, neues Gebäck in den Korb geben, Ordnung am Buffett halten; auch ihr merkt man an, dass sie nicht müde-angenervt bei ihrer Sisyphos-Arbeit ist, sondern engagiert-freudig-freundlich (zumindest äußerlich), jederzeit zu einem kleinen Schwätzchen mit Gästen bereit, hilfsbereit und auskunftsfreudig.

Das alles lässt mich äußerst ambivalent zurück: die Qualität des Räucherlachs war minderwertig, die Backwaren gingen, der frische Obstsalat war banal, das warme Hühnchen-Curry 08/15, das rohe Mett, das stundenlang nur auf einer Kühlplatte, ansonsten aber offen, ungekühlt herumstand, dubios, ebenso wie die Mayonnaise-Salate, die Entenstücklein unter der Warmhaltelampe hart und lauwarm, die Süß-sauer-Sauce dazu wahrscheinlich aus dem Bottich, die halbierten Pfannkuchen unter der Warmhaltelampe einfach kalt. Die Menge der für 37 EURO angebotenen Speisen und Getränke – all you can eat and drink – ist schlichtweg überbordend, üppig. Ihre Qualität reicht hingegen von „passt schon“ („basst scho‘“, würde der Bayer sagen) bis sehr mäßig. Dazu dann noch der ziemlich gute Service, die ziemlich gute Location, der Mangel an touristischem Laufpublikum, stattdessen fast ausschließlich einheimisches Publikum, dazu die Persönlichkeit, Begeisterung und bestimmte Freundlichkeit von Uwe …

Wie fasst man sowas zusammen? Werde ich wieder hingehen? Für meine nächsten zehn, zwanzig Brunch-Besuche in Hamburg werde ich mir wahrscheinlich andere, neue Ziele suchen (das Karlsons mit seiner Elchsalami in der Neustadt reizt mich), danach können wir über einen erneuten Besuch im Körri nachdenken. Sollte mich allerdings eine ausgelassene, verkaterte Feierrunde nach einem fulminanten Katerfrühstück am nächsten Morgen fragen, hier wäre das Körri wahrscheinlich meine erste Wahl.


Körri Speisekontor
Körri® Deutschland
Geschäftsführer: Sven Lieske
Springeltwiete 2
D – 20095 Hamburg
Tel.: +49 (40) 76 75 51 00
E-Mail: info@koerri-deutschland.de
Online: www.koerri-deutschland.de

Hauptgerichte von 11,50 € (Currywurst mit Pommes und Salat) bis 32 € (Wildfang-Rotgarnelen mit Beilagen); Drei-Gänge-Menue von 20,50 € bis 60 €; Brunch am WE und an Feiertagen 37 bis 42 €

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