Bochna Kniala („Gebackene Knödel“)

Zu Bocha Kniala – eine der Leibspeisen meiner derben Jungend, und auch heute zuweilen nicht verachtet – gibt es viele Geschichten. Wenn es zur Erntezeit auf dem Hof meiner Großeltern im Sudetenland Bochna Kniala gab, so stand meine Großmutter morgens nicht wie sonst um halb fünf auf (um wie üblich die Kühe zu melken, das was Frauenarbeit), sondern schon um vier oder noch früher, zusammen mit den Mägden, um Reisigholz zu hacken (Holz hacken war prinzipiell Männerarbeit, aber luschiges Reisig zu hacken, das war Frauenarbeit). Reisig deshalb, alldieweil es sehr schnell und heiß brennt und eine entsprechende hohe Hitze im traditionellen Holzbackofen erzeugen kann. Nach dem Reisig wurde das Vieh versorgt, den Männern am Hof das Frühstück (man verspreche sich nicht zu viel: Malzkaffee mit Milch und Zucker in der Schale serviert, dort hinein wurden Brocken von altem, säuerlichem Graubrot geschnitten und alles leicht aufgeweicht gelöffelt – ich habe es in schrecklicher Erinnerung, das Frühstück bei meinen Großeltern) gemacht, dann wurden Kilo um Kilo von Kartoffeln geschält, zur Hälfte roh von Hand gerieben (ein Bisschen Blut gehört in jeden guten Kloß, sagte mir Gunther Emmerlich einmal beim Austauschen von Küchenlatein in Sachsen), die andere Hälfte gekocht und durch die Presse getrieben,  alles von Hand. Das folgende Rezept reicht – mit Vorsuppe – für vier nicht allzu hungrige Personen; ein Ernteknecht, so erzählte meine Großmutter, aß an einem anstrengenden Arbeitstag 30 bis 40 Bochna Kniala, und auf dem Hof waren der Bauer (mein Großvater), die drei Söhne, ein Bastard, der Altbauer (mein Urgroßvater), ein regulärer Knecht und zu Erntezeiten vier bis fünf Ernteknechte (Erntehelfer heißen sie heute, und kommen zumeist aus dem Osten), dazu die entsprechenden Weibspersonen, aber die waren damals nicht so wichtig (just kidding …). Leicht auszurechnen, welche Arbeit Bochna Kniala zu Erntezeiten anno dazumal waren, ohne Maschinen und ohne elektrische Öfen.

Bochna Kniala

Die zweite Geschichte, die ich zu Bochna Kniala erzählen muss ist diese: meine Mutter hatte so lange ich denken kann einen Elektroherd (keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, sondern Luxus in den 60er Jahren). Sie konnte maximal drei Bleche Bochna Kniala á 9 Stück = 27 Stück = knapp sieben für jeden von uns, backen, und das war immer zu wenig. Jedes Bochna Kniala – Essen endete traditionell mit dem kollektiven Gesang von meinem Vater, meiner Schwerster und mir: „Wir haben Hunger, Hunger, Hunger / Wir haben Hunger, Hunger, Hunger / Haben Hunger, Hunger, haben Durst …“ Eines schönen Tages wurde diese „Tradition“ meiner Mutter zu viel, sie machte wieder Bochna Kniala, allerdings die dreifache Menge an Teig und brachte je ein Drittel zu ihrer Schwiegermutter im Erdgeschoss und zu ihrer Schwägerin im ersten Stock, die – Frauen halten zusammen – ebenfalls in ihren Backöfen parallel und zusätzlich je drei Bleche á neun Bochna Kniala backten. Als wir nach dem Vertilgen unserer üblichen 27 Bochna Kniala unseren traditionellen Gesang anstimmten stand meine Mutter wortlos auf, ging eine Treppe hoch, eine Treppe runter und kam mit weiteren 54 Bochna Kniala aus den Backröhren ihrer Schwägerin und Schwiegermutter zurück, und sie bestand darauf, dass wir alle aufaßen, eisern und kompromisslos. Wir haben nie wieder gesungen.

Die letzte Geschichte schließlich, dann höre ich auch auf und komme zum Rezept: Anfang der Neunziger Jahre brachte ich meine spätere Ehefrau das erste Mal mit in mein Elternhaus, wir alle waren fürchterlich aufgeregt, ob meine Eltern sie und sie meine Eltern mögen würden. Meine Mutter kochte mir eines meiner Leibgerichte, eben Bochna Kniala, und meiner Zukünftigen verschlug es ob der säuerlichen Kartoffelpuffer mit Apfelmus fast die Sprache; später sagte sie mir, sie habe bei jenem Mittagessen ernsthaft überlegt, ob sie mit jemandem, der so etwas isst, dauerhaft zusammen sein wolle … aber zum Glück war sie hart im Nehmen, selbst Bochna Kniala konnten sie nicht von abhalten, mich später zu heiraten. Und wahrscheinlich haben Bochna Kniala in der Folgezeit auch dazu beigetragen, dass sie mich betrog und schließlich verlies, zu einem, der keine Bochna Kniala isst.

Zutaten2014-07-10-19-59-21

  • 3 kg mehlig kochende Kartoffeln (unbedingt mehlig kochende, nichts anderes, sonst klappt’s nicht)
  • 750 g Magerquark oder besser Topfen
  • 250 g Sahnequark
  • Etwas Milch
  • Salz
  • Öl
  • 1 kg säuerliche, feste Äpfel
  • 1 Vanilleschote
  • 2 Zimtstangen
  • ¼ Zitrone
  • Zucker
  • Peiselbeerkompott

Zubereitung

  • 1,5 kg Kartoffeln (die kleineren dazu nehmen) wie Pellkartoffeln in Salzwasser weich kochen, abdampfen lassen, etwas auskühlen, schälen, lauwarm durch die Kartoffelpresse drücken
  • 1,5 kg Kartoffeln (logisch, die größeren) schälen (nach dem Schälen sofort in kaltes Wasser legen) und fein zu Brei reiben (hoffentlich mit einer Küchenmaschine, sonst ist das mit einer Handreibe eine Schweine-Arbeit)
  • Geriebene rohe Kartoffeln in ein Kartoffelsackerl (oder hilfsweise ein festes Geschirrtuch) geben und so viel Flüssigkeit wie möglich aus dem Kartoffelbrei rausdrücken; der Brei muss fest und trocken sein.
  • Zerquetschte gekochte und geriebene, ausgedrückte rohe Kartoffeln in eine Rührschüssel geben, mit ca. 3 Teel. Salz, ca. 625 g Magerquark und 250 g Sahnequark zu einem homogenen Teig kneten.
  • OK, jetzt müsst noch ½ Packung Magerquark übrig sein.  Diesen Quark mit etwas Milch verrühren, so dass alles die Konsistenz von Dickmilch hat (notfalls gehen auch Dick- oder Buttermilch).
  • Auf 5 Backbleche (gleichzeitig oder nacheinander) Backpapier verteilen, Backpapier einölen (Bochna Kniala sind eine fettige Angelegenheit)  kein Diätessen (unbedingt gutes Backpapier nehmen; wir hatten einmal billiges vom Discounter das hat bei 300° in Ofen Feuer gefangen, eine Riesenschweinerei, noch dazu gefährlich und – das Schlimmste – verbrannte Bochna Kniala!)
  • Ca. 1 gehäuften Esslöffel von der Kartoffelmasse abstechen und damit ca. 7,5 mm (keine Ahnung, Gefühl ist hier alles) hohe kleine Kartoffelplätzchen auf dem Backpapier verschmieren. Auf jedes Blech sollten 9 Bochna Kniala passen. Den Löffel in das Quark-Milch-Gemisch tauchen und die Kartoffelmasse damit verstreichen. Keinesfalls die Pfoten benutzen, das Zeug klebt wie die Sau!
  • Die Bochna Kniala dünn mit einem Pinsel mit Öl bestreichen.
  • Im sehr heißen Backofen (300°) ca. 15 bis 25 min. knusprig backen. Ob das auf einmal (evtl. mit Umluft) geht hängt von der Güte des Herdes ab. Vielleicht in zwei oder drei Schichten backen und die fertigen Bochna Kniala in einem Topf warm halten (aber sie werden labbrig dabei).
  • Ganz wichtig, der Apfelbrei dazu. 1 kleines Glas Wasser in einen Topf geben, den Saft einer ½ Zitrone, 2 Zimtstangen, das ausgekratzte Mark einer längs halbierten Vanilleschote, die Schotenhälften und zwei +/- 2 Eßl. Zucker (hängt von den Äpfeln ab) dazu geben. 1 kg säuerliche Äpfel schälen, vierteln, entkernen, in kleine Stücke direkt in das Zitronen-Gewürz-Wasser schnippeln. Dann und wann umrühren, damit die Apfelstückchen vom Zitronenwasser benetzt sind und nicht braun werden. Alles zusammen ca. 30 bis 45 min. zu einem stückigen, weichen Brei verkochen, evtl. noch Wasser oder Zucker dazu geben.

Die Bochna Kniala werden auf einer Platte serviert, Apfelbrei und Preiselbeerkompott separat. Jeder nimmt sich 3 Bochna Kniala auf seinen Teller, in ein separates Dessertschälchen kommt der Apfelbrei und oben drauf ein großer Klecks Preiselbeerkompott. Man klappt ein Bochna Kniala – traditionell mit der Hand!!! – auf die Hälfte, beißt ein Stück ab und schiebt sich einen Löffel Apfelbrei mit Preiselbeerkompott hinterher in den Mund. Man liest heute ja viel über Molekular-Hokus-Pokus-Küche und Texturen im Maule, aber hier wird es ganz traditionell Wirklichkeit: im Idealfall knusprige Kartoffelfladen mit der Säure des Quarks, süßer, weicher Apfelbrei mit Zimt und Vanille, dazu die herben Preiselbeeren mit knackigen kleinen Beeren: ein Geschmackserlebnis im Maule, das seines gleichen sucht.

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2 Comments

  1. Bernhard Felber

    Man sollte sie noch mit Grieß bestreuen… habe da ein altes , handgeschriebenes Kochbuch von meiner Urgroßmutter aus dem Jahr 1876… für jeden Tag des Jahres ein Menü… Sie war Mamsell bei einer Von… Familie in Schlackenwerth Nähe Karlsbad

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