1970 heuerte der Kroate Nedo Plazibat als Oberkellner im ehemaligen Steakhaus am Ulrich in Augsburg an, bis 2016 betrieb er das Lokal unter dem Namen Chorizo gemeinsam mit seiner Frau Barbara, für mich war das immer das beste Steakhaus Augsburgs, eben weil hier Systemgastronomie-frei frisch gekocht und gebrutzelt wurde. Als Die Plazibats in Rente gingen, wollten sie das Lokal an ihren langjährigen Oberkellner übergeben, das verhinderte der Verpächter, die Brauerei Riegele, die wollte lieber einen industrialisierten, solventen Verköstigungsbetrieb als ein kleines, individuelles Gasthaus als Pächter, und so hielt die Hamburger Block House Kette in Augsburg in prominenter Lage Einzug, für mich ein Grund mehr, kein Riegele zu trinken. Seit der Renovierung und Neu-Eröffnung ist nun ein halbes Jahr in’s Land gegangen, das Team sollte so langsam eingespielt sein, Grund genug, mal im Block House Augsburg vorbeizuschauen, was die jetzt so treiben.
Sagen wir mal so: keine sieben Tage vor Weihnachten, wo vor lauter Weihnachtsfeiern in kaum einem guten Restaurant noch spontan ein Platz zu bekommen ist, ist das Block House geschätzt mehr als halb leer. Wohl aus gutem Grund. Die Einrichtung ist beliebige Systemgastronomie, blanke Tische, Papierservietten, wohlfeiles Geschirr, das könnte in New York, Rio, Tokyo stehen, oder in Greifswald, Wuppertal, Augsburg, allein die Stadtphotos an den Wänden künden von der tatsächlichen Lage. Die Speisekarte so oder so ähnlich schon tausend Mal gesehen, sie ist zugegebener Maßen relativ klein, natürlich tote Kuh in X Variationen, daneben die traditionellen Steakbeilagen von Pommes und Baked Potato über Coleslaw und Pfannengemüse bis zu Pfeffersauce und Kräuterbutter, die heute wohl unverzichtbaren Hamburger, dann Salate, ein wenig vegetarisches Zeugs, ein paar Nudeln und Suppen, als Vorspeisen Tatar und Carpaccio neben Büsumer Krabben, aber dieses ganze modernistische Steakhouse-Chichi von Dry Aged, Sous Vide, Wagyu, Beefer, Txogitxu, Wet Aged, Tomahawk … you name it … macht man im Block House nicht mit, Lavasteingrill, T-Bone und Hereford sind hier der Gipfel der kulinarischen Mode-Raffinesse. Was dann jedoch abgeliefert wird, und wie es abgeliefert wird, das ist … na ja … mehr als enttäuschend.
Ein junger Mensch in einem offensichtlich zu großen Anzug begrüßt uns an der Türe und geleitet uns ganz amerikanisch zu einem winzigen Tischchen am Fenster (bei einem leeren Lokal werden vorzugsweise die Fensterplätze zuerst besetzt, um es von draußen eben nicht leer aussehen zu lassen), bemühte, wirklich freundliche junge Menschen in weißen Hemden und langen Roten Schürzen bringen rasch die Speisekarten, trotzdem kommen die bestellten Bier erst nach zweimaligem Nachfragen, und das, obwohl wir quasi in Spuckweite vom Zapfhahn sitzen. Zugegebener Maßen positiv ist die Tatsache, dass man im Menue problemlos tauschen kann, etwa einen Vorspeisensalat gegen eine Suppe, oder Pommes gegen Kartoffelgratin, und die Bedienungen fangen hier nicht an, rumzurechnen, ob etwas etwa 20 Cent teurer oder billiger ist, es wird einfach getauscht, auch wenn das Tauschobjekt etwas teurer ist: find‘ ich gut. Nun denn, Bestellung flott über die Bühne gebracht, aber Caros Suppe kommt 25 Minuten nach der meinen („Tschuldigung, ich ruf sie gleich ab.“ – von wo, will man sich da fragen, kaum aus der hiesigen Küche, eher schon aus Nürnberg); die Gulaschsuppe und Rinderkraftbrühe sind … naja, in einer Autobahnraststätte würden wir nicht darüber mosern, und das Block House Brot dazu ist ein halbierter Backling, unter’m Salamander kurz mit etwas Knoblauch-Fett gebräunt. Das Salatbuffet ist ein Schatten der üblichen Steakhouse Salatbuffets, zwar gekühlt mitten im Gastraum platziert, aber außer gemischte grüne Salate, Tomaten, Gurken, Zwiebeln und drei Näpfchen mit Dressings erinnere ich mich an keine weiteres Grünzeugs, entsprechend darf man sich seinen Salatteller auch nicht selber zusammenstellen, sondern bekommt das variations- und geschmacksarme Grünfutter mit wahrscheinlich Fertig-Dressing nach Wahl an den Tisch gebracht. Das Tatar ist frisch und ok, allerdings für mich hoffnungslos unterwürzt, Caro lässt ihre Pasta all’arrabiata mit Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Chili nach zwei Gabeln zurückgehen, der junge Mann fängt sich beim Abräumen einen bösen Blick ein, traut sich aber nicht nachzufragen, ob etwas nicht gepasst habe und trägt den Teller lieber schweigend mit gesenktem Kopf von Dannen. „Kernig und zart“ umschreibt die Speisekarte das Rumpsteak, ich empfinde das Fleisch als relativ hart und alles andere als zart. Die Baked Potatoe mit Sour Creme dazu besticht mit zwei großen schwarzen Stellen innerhalb der Kartoffel und einer für mich durch und durch nach Konservierungsstoff schmeckenden Milchproduktzubereitung darinnen, das sicherheitshalber gleich mitbestellte Kartoffelgratin ist F…-trocken und schmeckt penetrant käsig. Caro hingegen ist mit ihrem Tenderloin durchaus zufrieden, tatsächlich außen kross, innen leicht blutig, zart, wohlschmeckend, die frittierten dünnen industriellen Kartoffelstifte dazu halt frittierte dünne industrielle Kartoffelstifte, aber in frischem Fett ausgebacken, die dick Soßenbinder-schwangere Pfeffersauce wieder penetrant mehr nach Konservierungsstoff als nach Pfeffer schmeckend.
Nein, Herr Eugen Block, das, was Sie 1968 als Leitbild für Ihre Restaurants festlegten – „Mein Block House soll ein volkstümliches Restaurant sein, ohne Tischdecke, mit saftigen Steaks, frischer Küche, Gastlichkeit und Lebensfreude.“ – das wird zumindest im Block House Augsburg nicht geliefert. Für uns ist das beliebige Systemgastronomie in beliebigem Ambiente mit nicht wirklich gutem Essen. Dabei gibt der Erfolg dem Block House – Konzept Recht. Mit 2.426 Mitarbeitern hat der Block House Konzern 2016 294 Millionen EURO umgesetzt (+2,4% mehr als in 2015) mit 8,2% Vorsteuer-Ergebnis und 16 Millionen EURO Gewinn für die Eigner, das ist ein hübsches Sümmchen und deutlich mehr als der Branchendurchschnitt in der Gastronomie. Dabei zählen längst nicht mehr nur Gastronomiebetriebe zum Block House Konzern, heute gehören zu Block House Gruppe u.a. ein Fünf-Sterne-Hotel, eine eigene –zwischenzeitlich wegen mangelnder Rentabilität stillgelegte – Airline, eine Brauerei und eine Hamburgerkette Namens Jim Block, die lt. Wikipedia primär der Verwertung der Fleischreste aus der Steak-Produktion in Form von Hamburgern dient. Insgesamt umfasst die Block House Gruppe lt. Konzernabschluss 2016 folgende Firmen: Block House Restaurantbetriebe AG, Block House Restaurantbetriebe Franchise GmbH, Jim Block Restaurantbetriebe GmbH, Fischhaus am Schaalsee GmbH, Ristorante Diamanti GmbH, Block Foods AG, Block House Fleischerei GmbH, Block Menü GmbH, Block Handels GmbH, Block Meat Trading GmbH, Block Daten GmbH, Block Systems GmbH, HAM Hamburg Airlines Luftfahrtgesellschaft GmbH, Elysée Hotel AG Hamburg, Block Bau GmbH, Block Head College GmbH Akademie der Gastronomie, Block Bräu GmbH, Block Marketing GmbH, und der ganze Segen gehört bis heute einzig und alleine der Familie Block: Respekt, kann man da nur sagen. Aber ich persönlich gehe doch lieber zum kleinen Fleischbrutzler um die Ecke, der seine Saucen noch selber anrührt und seine Suppen selber kocht.