Apologie des Grantelns und des derben Worts

Zugegeben, ich grantle ja viel, oft und ausgiebig, besonders, was Restaurants und Hotels anbelangt, aber – andererseits – man sollte mich auch ein wenig verstehen: da suche ich oft stundenlang nach neuen kulinarischen Erfahrungen, fahre dann nochmals stundenlang quer durch die Pampa, freue mich wie ein Schneekönig auf leckeres Essen, habe mich längst arrangiert mit hässlichen Gaststuben, inkompetenten und/oder langsamen und/oder unhöflichen und/oder des Deutschen kaum mächtigen Bedienungen, habe mich auch arrangiert – zumindest in der „bürgerlichen“ Gastronomie – mit Tiefkühl-Kroketten, fast nur noch Pfannengerichten auf den Speisekarten, Dosenmais im Salat, und Weinkarten ohne Sinn und Verstand, das immer in der Hoffnug, dass da irgendwo in der Küche ein Begeisterter, ein Liebender, ein Brennender, ein Neu-Gieriger, ein Qualitäts-Phanatischer, ein … – you name it – am Herd steht, ich werde nach dem Essen eine signifikante Rechnung produziert haben … und dann ist auch noch das Essen Scheiße (nein, ich schreibe jetzt nicht „optimierungsfähig“, „mit deutlichem Potential nach oben“, „nicht immer ganz perfekt“, ich schreibe „Scheiße“, und ich meine „Scheiße“), und da soll man das Granteln nicht anfangen? Klar, dererlei harsche Kritik muss immer wohlbegründet sein, und darf auch nicht nach nur einem Besuch losgetreten werden – jede Brigade hat mal ihren schlechten Tag, und manchmal sollen sogar Köche krank werden und (zumal in kleinen Betrieben) nur unzureichend ersetzt werden können –, aber wenn man zwei-, drei-, viermal in Serie scheiße isst, dann verlangt es auch die Redlichkeit gegenüber dem Leser, zu schreiben, dass man wiederholt scheiße gegessen hat. (Lust auf einen zynischen Leser-Kommentar: dann schreiben Sie doch, was ich nicht alles äße, sogar Scheiße, nur zu, immer munter kommentiert ….) Und der nuancierte sprachliche Ausdruck ist gewiss angebracht, wenn die kulinarische Leistung nuanciert war, da will hier ein wenig kommentiert, da ein wenig verglichen, dort ein wenig beschrieben sein, und unsere schöne Deutsche Sprache bietet ein mehr als hinreichendes Arsenal an Worten, Ausdrücken, Bildern, Vergleichen, Zitaten an, um dergleichen auch zu tun. War die kulinarische Leistung nicht nuanciert, sondern durchweg unter aller Kanone, so sollte auch die Sprache des Berichts darüber sich nicht vor nämlichem Niveau scheuen, similia similibus curentur oder so ähnlich. Von Grimmelshausen bis Bukowski hat sich die deutsche Dichtung noch nie vor dem derben Wort gescheut, und ich sehe nicht ein, warum es die Restaurantkritik dann tuen sollte, sofern die beschriebene Leistung sich auf einem nämlichen Niveau bewegte. Wer meiner Zunge nicht schmeichelt, dem wird meine Zunge auch nicht schmeicheln. Puktum.

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2 Comments

  1. Reinhard Daab

    Lieber Hr. Opl,

    den von Ihnen verwendeten Ausdruck kennt man nun schon hinlänglich, aber ist es denn notwendig sich der Fäkalsprache zu bedienen? Sie sind ein gebildeter Mensch, beherrschen jedoch die Gossensprache ganz hervorragend.

    In anderen Kommentaren von mir hatte ich es bereits erwähnt, man kann eben nicht einfach irgendwo reinlatschen und meinen, dort bekäme man eine ordentlich zubereitete Speise oder würde auch noch vernünftig bedient, es ist nun mal nicht so einfach, auch und besonders im Gastgewerbe.

    Schönen Sonntag noch.

    • Saßen wir nicht viel zu lange in unseren wohlgesetzten philologischen Elfenbeintürmen, uns mit der verknöcherten Sprache der ehemaligen Herrschaftsschicht – die allein an ihrer Verkünstelung zugrunde ging, ich empfehle hier die genaue Lektüre Diderots und seiner Verwendung des Begriffes sensibilité im Früh- vs. dem Spätwerk – zierend, dieweil die gemeine Scheiße als solche von Grimmelshausen bis Bukowski (der übrigens Deutscher war) dem gemeinen Volke und seiner Kultur schon immer vertraut war und vertraut geblieben ist; der einzige Unterschied mag der sein, dass die Volkskultur heute neudeutsch den Begriff shit vorzieht.
      Herzliche Grüße
      E. Opl

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