Graubünden ist an Naturschönheit und Herbheit schwer zu übertreffen, aber ebenso unübertroffen ist die perfekt an den touristischen Bedürfnissen ausgerichtete Hotel- und Restaurant-Infrastruktur. So schön und angenehm das alles sein man, das Einheimische, das Authentische, das Typische bleibt dabei zu oft auf der Strecke, und es nähert sich dem touristischen Allerweltseinerlei mit lokalen Reminiszenzen an. Hungrig auf dem Weg zum altehrwürdigen Zauberberg nach Davos – heute Snow & Mountain Resort genannt und auf vier Sterne abgehalftert – findet der geneigte Reisende zu Mittag das Belvedere, das GuardaVal, den Quellenhof und wie sie alle heißen mögen, sehr ordentliche Hotels mit Restaurants – aber speist der heimische Schreinermeister, die pensionierte Gymnasialrätin, der Herr Anwalt hier? Wohl kaum. Nach einigem Rumkurven durch die engen Sträßchen des Städtchens trifft der geneigte Reisende urplötzlich auf das Hotel Restaurant Crusch Alba, etwas am Rande des Ortskernes gelegen, kostenlose und freie (!) Kundenparkplätze vor Tür (im ganzen Ort nur bezahlpflichtiges Parken), vor dem Haus zur Straße ein paar Tische, hinter dem Haus eine große Terrasse, innendrinnen eine urige Gaststube mit niedrigen Decken und kleinen Fenstern, offene Küchentür, die nichts zu verbergen hat, alte Balken, dicke Wände, alles authentisch, gepflegt, aber nicht künstlich neu gebaut, historisch über Jahrhunderte gewachsen und gut in Schuss gehalten, echt eben. Die Speisekarte bietet Geschnetzeltes, Schnitzel, Salate, Sandwiches, das Üblich eben — aber daneben gibt es auch eine formidable Karte mit Graubündner Spezialitäten: Gerstensuppe, der legendäre Tatsch (schwere Pfannkuchenstreifen mit Apfelmus, Preiselbeeren und Bergkäse, genau das richtige Essen, nachdem man alleine einen Wald abgeholzt hat), Pain in pigna (geraffelte Kartoffeln mit Wurst und Speck in einer Form im Ofen gebacken, kommen daher fast wie eine Mischung aus Pizza und Monster-Reibekuchen, aber unvergleichlich gut, wenn sie gut gemacht ist, und das ist sie, im Crusch Alba), verschiedene Capuns (Klößchen aus Spätzleteig mit Speck und mit Mangoldblättern umwickelt), diverse Bizoccalas (Kartoffel- oder Spätzleteig-Klößchen mit verschiedenen Zutaten) … Alles hausgemacht, alles frisch zubereitet, alles mit heimischen Zutaten, alles schwer, kalorienreich, sättigend, aber nicht plump, sondern durchaus mit feinen Geschmacksnuancen … authentisch halt. An den Nachbartischen junge Männer wohl von einem Sportverein, ein Liebespärchen, ein paar Handwerker, eine alte, feine Dame; man spricht durchweg Räteromanisch, grüßt uns Fremde artig-freundlich, die Bedienung flott und ebenfalls sehr freundlich. Kulinarisch in Sachen authentischer Graubündner Küche ein absolutes Highlight, finanziell bei dem Frankenkurs schmerzhaft, wenn man für einen Beilagensalat über 10 €, für einen großen Kartoffelkuchen über 20 € und für ein Geschnetzeltes über 30 € bezahlen muss, ein Mittagessen für vier Personen mit Vor- und Hauptspeise ohne Dessert und ohne Wein, nur mit Saft und Wasser, geht hier kaum unter 250 €, dem tollen EURO sei’s gedankt.