Salzburg war mal schön, die Gassen der Altstadt am Fuße der Feste, die tiefen Keller im Berg, die typischen Lokale, das Tomaselli, der Jedermann, die Salzach, … das war alles mal. Heute ist Salzburg Aufmarschgebiet der internationalen Massentourismus-Terroristen, Andenken- und Kitsch-Geschäfte, McKotz und Schabefleischbrater, die heimischen Lokale weitgehend zu Abfütterungs- und Abzock-Bordellen verkommen, ein ganzjähriger Christmas & Easter Store (mit Versand der erstandenen Devotionalien in alle Welt), sich schiebende Menschenmassen in der Getreidegasse, schlechte, überteuerte Hotels, … nein, Salzburg ist nicht mehr schön. Innsbruck, Kufstein, Graz, Klagenfurt, Eisenstadt ist es nicht besser ergangen, überall suchen fremde Horden den Glanz der kuk-Zeit und machen dabei platt, was davon vielleicht noch übrig gewesen war. Wien ist da noch etwas anders, zwar findet man auch dort zwischen Schwedenplatz und Oper, im Belvedere, Schönbrunn, Grinzing und Prater deutlich mehr Ausländer als Einheimische, aber Wien ist groß, groß genug. Drei Straßenbahnhaltestellen vom Schottentor sieht man kaum mehr einen Touristen, hier gehört dann Wien plötzlich wieder den Wienern, man ist unter sich, die Preise werden normal, die Speisekarten sind nicht mehr mehrsprachig, die Qualität steigt, die Atmosphäre ist entspannt, tu felix Austria …
Eigentlich sollte ich das hier gar nicht schreiben, aber wenn es noch einen (klein-) städtischen Geheimtipp in Österreich gibt, so ist das Steyr in Oberösterreich, hart an der Grenze zu Niederösterreich, am Zusammenfluss von Steyr und Enns gelegen. Das Städtchen war einmal die zweitreichste Gemeinde der Habsburger Lande, Dank des norischen Eisens vom Erzberg, das seit römischer Zeit die Enns hinab Richtung Donau transportiert, aber auch bald in Steyr selber mit der reichlich vorhandenen Wasserkraft weiterverarbeitet wurde. Nach einer langen und wechselvollen Geschichte – der Reichtum, die damit verbundene Bildung, die damit verbundene (relative) Weltoffenheit machten Steyr nicht nur zu einem wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Zentrum, sondern auch zu einem Nährboden für die Waldenser – begründete die Familie Werndel im 19. Jahrhundert die Österreichische Schwerindustrie in Steyr, bis heute bekannt unter der – längst verblichenen und zerschlagenen – Marke Steyr Daimler Puch. Was heute davon übrig ist, ist ein weitgehend Touristen-freies, halbwegs prosperierendes Städtchen mitten in Österreich mit einer Sozen-Mehrheit im Stadtrat, einer atemberaubenden Altstadt-Bausubstanz und keiner wahrgenommenen nennenswerten Gastronomie. Bis heute bewohnte romanische und gotische Gebäude sind keine Seltenheit, dazu Renaissance, Barock, Rokoko, das neugotische Gebäude der alten Sparcassa – in jedem zerbombten deutschen Stadtkern ein gefühltes architektonisches Juwel – fällt da eher negativ auf, über allem thront eine große Burg-/Schlossanlage mit noch römischem Ursprung. Kleinstädtisches Leben, Bäcker, Marktstände, Geschäfte des täglichen Bedarfs dicht an dicht am großzügigen zentralen Stadtplatz, hier flaniert man, trifft sich, besorgt, ein des Mittags wohlbesuchter Würstlstand, schwätzt, präsentiert, konsumiert, nur wenig – aber doch etwas – Leerstand, ein einziger Schabefleischbrater, kein McKotz, kaum eine beliebige Kinderarbeits-Klamotten-Kiste, stattdessen alteingesessene Geschäfte, dazu überall das österreichische Idiom, für den Piefke nicht unterscheidbar, ob nieder- oder oberösterreichisch, keine ausgewiesenen Busparkplätze, keine Regenschirm-dirigierten Touristengruppen auf sight seeing tour see Europe in ten days, keine mehrsprachigen Speisekarten, keine Kitsch- und Andenkengeschäfte, dafür Eisenwaren- und Buchhändler, Fleischhauer, Konditoren, sogar noch ein Greisler. Das Leben hier ist noch authentisch, wird noch von sich selber bestimmt, nicht von externen Faktoren. Das ist schön.