Eigentlich mag ich das Quarre, eines der hauseigenen Restaurants im Adlon ja. In allerbester Hauptstadtlage, quasi einen Revoluzzer-Steinwurf vom Brandenburger Tor entfernt und in Spuck-Entfernung von der imperialen Besatzer-Zentrale (vulgo: amerikanische Botschaft) bietet das Quarre („QUARRE, quarr, f., nd. eine quarrende person, ein viel weinendes kleines kind, eine zänkische keifende frau“ Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 13, Sp. 2319) vorgeblich typisch deutsche Speisen für die zahlungskräftigen Besucher des Hauptortes des Merkel-Regimes aus aller Herren Länder, typisch deutsche Speisen wie etwa ein Wiener Schnitzel mit einer Beilage nach Wahl für 27 EURO oder Tafelspitz oder Backhendl (das ist quasi die wiederholte kulinarische Angliederung Österreichs), dann Jakobsmuscheln, Garnelen, Alpenschinken, Black Forest cake deconstructed oder das ur-berlinerische Kalbsflanksteak „Chimi Churri Style“ … alles verkrampft bemühte bürgerlich-bodenständige Allerwelts-Küche, aber auch Kartoffel-Erbsen-Suppe, Berliner Senfei, Brandenburger Burrata, Königsberger Klopse oder Berliner Kalbsleber, damit der kulinarisch interessierte Reisende ur-deutsche Küche an geschichtsträchtigem Orte authentisch kennenlernen möge.
Soweit der Anspruch. Es war ein einem Samstagabend, nach einem verflucht kurzen Konzert einer imperialen Musiktruppe mit dem delikaten Namen „Cigarettes after Sex“ – dabei gab es zwar wenig Licht und viel Rauch auf der Bühne, aber weder Zigaretten noch Sex, so ein Beschiss –, uns hungerte, wir hatten aber keine Lust, um die Zeit noch ein Lokal zu suchen oder einen Döner- oder Currywurst-Stand, also zurück in’s Hotel und vertrauensvoll auf in’s Quarre, um dort bürgerliche Gerichte zu happigen Preisen gegen den Hunger zu speisen. Frohgemut orderte ich eingangs Matjesfilet Hausfrauenart mit Apfel-Gurken-Salat, gebeiztem Eigelb und knusprigen Kartoffeln für faire 14 EURO. Was dann kam war denkwürdig. Vier hervorragende, perfekt gereifte, ausgesprochen wohlschmeckende Stücklein vom geschlechtsunreifen Hering mit einigen verwelkten Kressestängelchen, teilweise bestäubt mit sinnfreiem Curry-Pulver, begleitet von vier Häuflein eines Salates von exzellenten Apfel- und Gurkenwürfelchen mit etwas Dill und jeweils einem Ringlein von Roter Zwiebel darauf; das gebeizte Eigelb entpuppte sich als vier Tupfen einer Art kräftig-wohlschmeckender Mayonnaise. Bis hierhin so weit, so gut, gleichwohl Matjesfilet Hausfrauenart für mich immer Matjes in einer Schmand-Joghurt-Sauce mit Stücken von Apfel, Zwiebel und Saurer Gurke und zuweilen Dill waren. Aber wenn ein dekonstruktiver Kochlöffelschwinger der Meinung ist, dieses klassische Rezept ohne Vorwarnung so abwandeln zu müssen, so sei’s drum, so lange es nur lecker ist, und lecker war’s allemal, Punktum. Aber, ABER, ABER die „knusprigen Kartoffeln“, die schlugen jedem Fass jedweden Boden raus: zwei (zwei!) noch nicht einmal Cent-große, braune, kalte Kartoffelscheiblein im Waffelschnitt mit reichlich Löchlein darinnen, das sollten allen Ernstes die „knusprigen Kartoffeln“ zum Matjes Hausfrauenart sein. Sowas geht maximal als Garnitur durch, und das auch nur sehr bedingt. Also, da musste ich mich schon fragen, ob der geneigte Gast hier verarscht werden soll. Und die hilfsweise nachgeorderten Bratkartoffeln als Beilage für 5 EURO kamen Ewigkeiten nicht und waren dann blass und fettig. Schade eigentlich.